Blog powered by Zöller: Erstes Leitentscheidungsverfahren schon wieder beendet

Am 31. Oktober 2024 ist das Gesetz in Kraft getreten, welches dem BGH die Möglichkeit gibt, ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren zu erklären – mit der Wirkung, dass er eine in dieser Sache zu erwartende, für eine Vielzahl anderer Verfahren bedeutsame Entscheidung auch dann erlassen kann, wenn die Revision zurückgenommen werden sollte. Noch am selben Tag hat der VI. Senat des BGH von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und einen Rechtsstreit, in dem es um die Entschädigung für eine von Facebook verursachte Verbreitung persönlicher Daten (Daten-Scraping) geht, durch Beschluss nach § 552b ZPO zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt (BGH v. 31.10.2024 – VI ZR 10/24; s. Blog v. 7.11.2024).

Nicht einmal drei Wochen später ist dieses Verfahren schon wieder beendet, denn am 18. November hat der Senat bereits durch Urteil über die Revision entschieden. Was auf den ersten Blick als wenig planvolle Verfahrensleitung erscheinen mag, ergibt durchaus Sinn, denn die Erklärung zum Leitentscheidungsverfahren verhinderte, dass die Revision bis zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen und dadurch eine Grundsatzentscheidung verhindert werden konnte (wie in Parallelverfahren bereits praktiziert). Die Bedeutung des neuen § 552b ZPO könnte demnach vor allem in dieser Präventivwirkung, gar nicht so sehr in seiner Durchführung liegen.

Infolge des schnellen Endes des Leitentscheidungsverfahrens konnte auch die neue Vorschrift des § 148 IV ZPO keine Wirkung entfalten. Sie hätte es den vielen mit solchen Fällen befassten Instanzgerichten ermöglicht, ihre Verfahren bis zur Entscheidung des BGH auszusetzen (s. hierzu und zu den neuen §§ 552b und 565 ZPO die aktuelle Kommentierung in der Online-Version des Zöller sowie den Aufsatz von Feskorn in MDR 2024, 1413 ff.).

Dafür können sich die Gerichte aber jetzt schon an dem im streitigen Verfahren ergangenen Urteil orientieren. Diesem zufolge kann schon der kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung begründen und auch Ansprüche auf Unterlassung, Ersatz künftiger Schäden sowie Erstattung von Anwaltskosten rechtfertigen. Des Weiteren gibt der BGH Hinweise zur Bemessung des immateriellen Schadens, den er unter den gegebenen Umständen bei 100 Euro verortet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach einer Entscheidung des EuGH v. 4.10.2024 – C‑507/23, ZIP 2024, 2692, sogar eine Entschuldigung als ausreichenden Schadensersatz nach Art. 82 I DSGVO angesehen werden kann, falls das nationale Recht (hier: Lettlands) diese Form der Wiedergutmachung vorsieht (anders als der deutsche § 253 BGB).