Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht um Fragen des Verbrauchsgüterkaufs.

Kostenvorschuss beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 191/19

Mit den Voraussetzungen und Wirkungen eines Verbrauchsgüterkaufs befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger betrieb bis Juli 2012 eine Tischlerei und stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die mit Hölzern handelt. Anfang 2012 bestellte er bei einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten Brettschichtholz zur Sanierung der Terrasse seines neben der Tischlerei gelegenen Privathauses. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Geschäftsadresse. Im Jahr 2015 beanstandete der Kläger Risse an den Leimfugen, die nach seiner Auffassung auf einer nicht der erforderlichen Nutzungsklasse entsprechende Verleimung beruhen. Die Beklagte machte geltend, das bestellte und gelieferte Holz entspreche dem üblichen Standard. Die auf Zahlung eines Vorschusses für Ausbau und Entsorgung der verbauten Hölzer und für Lieferung und Einbau neuer Hölzer gerichtete Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für den Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit hindeuten. Im Streitfall war der Kläger zwar Gewerbetreibender. Der in Rede stehende Vertrag war aber auf die Anschaffung von Hölzern für private Zwecke gerichtet. Dies war dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten nach den Feststellungen des OLG bekannt oder zumindest erkennbar. Deshalb liegt ein Verbrauchergeschäft vor.

Die Ansprüche sind nicht verjährt. Maßgeblich ist die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB. Die Hölzer sind für den Bau der Terrasse und damit für ein Bauwerk verwendet worden. Dies ist eine übliche Verwendungsweise im Sinne der genannten Vorschrift, weil Holz zu den Materialien gehört, die für ein Bauwerk eingesetzt werden. Ob die bestellten und gelieferten Hölzer für diesen Zweck geeignet waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Im neu eröffneten Berufungsrechtszug wird das OLG Feststellungen zur Höhe des Anspruchs treffen müssen. Ein Anspruch auf Vorschuss für die Beschaffung neuer Hölzer ist allerdings schon dem Grunde nach ausgeschlossen. Anders als ein Mieter oder ein Besteller eines Werks ist ein Käufer grundsätzlich nicht berechtigt, einen Mangel auf Kosten des Verkäufers selbst zu beseitigen. Eine Ausnahme gilt nur für Einbau- und Ausbaukosten, für die § 439 Abs. 3 BGB in der seit 1.1.2018 geltenden Fassung einen Ersatzanspruch vorsieht. Nach der für den Streitfall noch maßgeblichen früheren Rechtslage besteht ein solcher Anspruch, wenn der Verkäufer den Aus- und Einbau wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigern darf. Der Kläger wird im Ergebnis also nur einen Teil dieser Kosten ersetzt verlangen können.

Praxistipp: Ersatz der Kosten für die Beschaffung einer mangelfreien Sache kann der Käufer verlangen, wenn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 ff. BGB erfüllt sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Abstandnahme von Grundstücksverkauf
Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 11/17

Mit Treuepflichten vor Abschluss eines formbedürftigen Vertrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger wollte von der Beklagten eine Eigentumswohnung kaufen. Der für die Beklagte tätige Vermittler übersandte mehrere Vertragsentwürfe und teilte mit, außer der Fertigstellungsanzeige für Renovierungsmaßnahmen und der Eintragung im Grundbuch stünden einer Abwicklung des Kaufvertrags keine Hindernisse entgegen. Nach Mitteilung des Notartermins schloss der Kläger einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des größten Teils des Kaufpreises. Acht Tage vor dem Notartermin ließ die Beklagte mitteilen, sie sei nicht mehr bereit, die Wohnung zu dem bisher angebotenen Preis von 376.700 Euro zu verkaufen; der neue Kaufpreis betrage 472.400 Euro. Die auf Erstattung der Kosten für die Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Er nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach die Abstandnahme von einem in Aussicht genommenen formbedürftigen Vertrag grundsätzlich nur bei einer besonders schwerwiegenden, in der Regel vorsätzlichen Treupflichtverletzung  Schadensersatzansprüche des anderen Teils auslöst. Eine solche Pflichtverletzung käme etwa in Betracht, wenn die Beklagte von vornherein nicht bereit gewesen wäre, zu dem ursprünglich genannten Preis zu verkaufen, oder wenn sie dem Beklagten ihren Sinneswandel zunächst verschwiegen hätte. Diese Voraussetzungen waren nach den vom BGH als rechtsfehlerfrei angesehenen tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanzen im Streitfall nicht erfüllt. Zu einem allgemeinen Hinweis darauf, dass sie sich eine eventuelle Preiserhöhung vorbehält, war die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht verpflichtet. Der Kläger handelte deshalb auf eigenes Risiko, wenn er bereits vor der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags verbindliche Vereinbarungen zur Finanzierung schloss.

Praxistipp: Der potentielle Käufer kann das Risiko von vergeblichen Finanzierungsaufwendungen nur dadurch ausschließen, dass er sich gegenüber der Bank eine Annahmefrist oder ein kostenloses Löserecht bis zum Abschluss des Kaufvertrags einräumen lässt.

Änderung von technischen Normen nach Abschluss eines Werkvertrags
Urteil vom 14. November 2017 – VII ZR 65/14

Eine grundlegende Entscheidung zur geschuldeten Beschaffenheit eines Werks trifft der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den Beklagten Anfang 2007 mit der Errichtung von drei Pultdachhallen zum Festpreis beauftragt.  Nach dem Vertrag war das Dach für eine Schneelast von 80 kg/m² auszulegen. Dies entsprach der bis Ende 2006 geltenden DIN-Vorschrift und der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung. Nach der ab 2007 geltenden DIN-Vorschrift war eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen. Nach Errichtung der Halle beanstandete die Beklagte das Dach als mangelhaft. Ihre auf  Vorschuss der Kosten für eine Neuerrichtung der Dachkonstruktion gerichtete Klage war in erster Instanz vollständig und in zweiter Instanz zum überwiegenden Teil erfolgreich. Das OLG ging davon aus, dass ursprünglich nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, und stellte fest, dass das Werk der Beklagten schon dieser Anforderung nicht entspreche. Auf dieser Grundlage sprach es der Klägerin die (deutlich höheren) Kosten für eine Neuerrichtung auf der Grundlage von 139 kg/m² zu, weil die Klägerin nunmehr zur Einhaltung der neuen Vorgaben verpflichtet sei und dies eine Folge des Werkmangels sei, für den die Beklagte einzustehen habe.

Der BGH verweist die Sache auf die Berufung der Beklagten an das OLG zurück. Er hält die Argumentation des OLG für nicht tragfähig, weil die Klägerin danach ein weitaus besseres Werk erhalten würde als dies nach dem Vertrag geschuldet war. Wenn nach dem Vertrag nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, hätte die Klägerin für Dach, das 139 kg/m² standhält, auch ohne den Mangel deutlich mehr zahlen müssen; folgerichtig darf sie dann nur Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die zur Einhaltung einer Schneelast von 80 kg/m² erforderlich sind. Darüber hinaus hält der BGH allerdings schon die Erwägungen des OLG zur ursprünglich geschuldeten Beschaffenheit des Werks für fehlerhaft. Auch wenn ein Werk den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden anerkannten Regeln der Technik entspricht, muss der Auftraggeber den Auftragnehmer auf absehbare oder eingetretene Änderungen dieser Regeln hinweisen. Der Auftragnehmer hat dann zu entscheiden, ob das Werk wie ursprünglich vereinbart ausgeführt oder an die neuen Regeln angepasst werden soll. Entscheidet er sich für letzteres, muss er daraus resultierende Mehrkosten als Sowiesokosten tragen. Das OLG muss deshalb nach der Zurückverweisung klären, ob und welche Vereinbarungen die Parteien im Streitfall bezüglich der schon bei Vertragsschluss absehbaren Regeländerung getroffen haben.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Auftraggeber trotz Kenntnis der Änderung mit der Einhaltung der alten Regeln begnügt hat, liegt beim Auftragnehmer.