Diese Woche geht es um die Verteilung der Darlegungslast zwischen dem Besteller eines Werks und einem für die Erstattung von Vorauszahlungen haftenden Bürgen.
Darlegungslast nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrags über Werkleistungen
BGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – VII ZR 127/23
Der VII. Zivilsenat bestätigt seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Darlegung eines Saldoüberschusses und ergänzt sie für den Fall, dass anstelle des Werkunternehmers ein Bürge am Prozess beteiligt ist.
Die Beklagte hatte mit einem inzwischen insolventen Bauunternehmen im Februar 2017 einen Generalunternehmervertrag über die schlüsselfertige Erstellung eines Lebensmittelmarkt für einen Pauschalpreis geschlossen. Der Vertrag sah unter anderem eine Vorauszahlung in Höhe von 400.000 Euro vor. Für Ansprüche auf Rückgewähr dieser Zahlung übernahm die Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern.
Die Beklagte erbrachte die vereinbarte Vorauszahlung. Nach der Insolvenz der Werkunternehmerin erwirkte sie gegen die Klägerin ein Urteil auf Zahlung der gesamten Bürgschaftssumme. Die Klägerin klagte in einem Folgeprozess erfolgreich auf Rückzahlung eines Teilbetrags von rund 90.000 Euro. Den restlichen Betrag von rund 310.000 Euro verlangt sie im vorliegenden Rechtsstreit zurück.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG hat die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.
Im Ansatz zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass in einem Rechtsstreit über die Rückforderung einer aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern erbrachten Zahlung dieselbe Darlegungs- und Beweislast gilt wie in einem Rechtsstreit über die Geltendmachung einer gewöhnlichen Bürgschaftsforderung. Im Streitfall trägt deshalb grundsätzlich die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihr ein Anspruch auf Erstattung der an das Bauunternehmen geleisteten Vorauszahlung zustand.
Ebenfalls zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Besteller in solchen Fällen darlegen muss, in welcher Höhe der erbrachten Vorauszahlung ein endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers gegenübersteht. Bei einem Pauschalpreisvertrag muss der Besteller hierzu vortragen, welche Leistungen der Unternehmer erbracht hat und welche Vergütung dafür anzusetzen ist. Die hierfür maßgeblichen Preise müssen aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation abgeleitet werden.
Enthält der Pauschalvertrag kein Preisverzeichnis und ist dem Besteller die zugrundeliegende Kalkulation auch nicht aus anderer Quelle bekannt, liegt es jedoch am Unternehmer, zur Kalkulation vorzutragen.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gelten diese Grundsätze uneingeschränkt auch im Rechtsstreit zwischen dem Besteller und einem Bürgen. Wenn der Besteller die Kalkulation nicht kennt, liegt es deshalb am Bürgen, die betreffenden Informationen beim Unternehmer einzuholen. Das diesbezügliche Risiko kann er nicht auf den Besteller abwälzen.
Praxistipp: Eine vorangegangene Teilklage (hier: auf Rückzahlung von 90.000 Euro) steht einer nachfolgenden Klage auf Zahlung des Restbetrags (hier: rund 310.000 Euro) grundsätzlich nicht entgegen – es sei denn, der Restanspruch ist verjährt.