LAG Berlin-Brandenburg: Rücknahme eines Rechtsmittels aufgrund eines Vergleiches

Die Parteien des Rechtsstreites schlossen in einem anderen Verfahren einen Vergleich, der keine Kostenregelung enthielt. Aufgrund dieses Vergleiches nahm die Klägerin die im hiesigen Verfahren eingelegte Berufung zurück. Alsdann stritten die Parteien darüber, ob der Klägerin gemäß § 516 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen oder ob die Kosten nach § 98 ZPO gegeneinander aufzuheben wären. Das LAG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 26.6.2024 – 12 Sa 1069/23) entscheidet im Sinne des § 98 ZPO.

Grundsätzlich hat derjenige, der eine eingelegte Berufung wieder zurücknimmt, gemäß § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese – allgemeine – Vorschrift gilt jedoch nur dann, wenn es keine gesetzlichen Sonderregelungen gibt. Vorliegend ist als eine solche gesetzliche Sonderregelung § 98 ZPO einschlägig. Danach sind die Kosten eines Vergleiches als gegeneinander aufgehoben anzusehen, falls die Parteien keine abweichende Regelung treffen. Dies gilt auch für einen außergerichtlichen Vergleich. Eine solche abweichende Regelung haben die Parteien hier in dem Vergleich nicht getroffen. Die Parteien wollten vielmehr mit dem Vergleich bereits das Verfahren endgültig beenden.

Eine Rückausnahme zur Anwendung des § 98 ZPO greift dann, wenn das zuvor ergangene Urteil zwischen den Parteien als endgültig angesehen werden soll. Da hier in dem Vergleich weitere Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurden, die über das Urteil hinausgingen, liegt diese Rückausnahme nicht vor. Auch aus einer Auslegung des Vergleiches ergibt sich schließlich nichts anderes.

Das LAG hat sich mit dieser Sicht der Dinge an der Entscheidung des BGH v. 15.3.2006 – XII ZR 209/05, MDR 2006, 1125 orientiert und diese zu Recht auf den hier zu beurteilenden Fall angewendet.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in der Berufungsinstanz geht es in dieser Woche.

Anwaltsbestellung nach Berufungsrücknahme
Beschluss vom 10. April 2018 – VI ZB 70/16

Der VI. Zivilsenat beurteilt die Erforderlichkeit von Anwaltskosten anhand des jeweiligen Kenntnisstands der Partei.

Die in erster Instanz unterlegene Klägerin hatte zunächst Berufung eingelegt, das Rechtsmittel aber rund eine Woche später wieder zurückgenommen. Einen Tag nach Zustellung der Rücknahmeerklärung ging beim Gericht ein Schriftsatz ein, in dem der Anwalt des Beklagten die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragte. Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Beklagte den Ansatz einer Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz. Das LG wies den Antrag zurück, das OLG gab ihm statt.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt erfolglos. Der BGH hält die Kosten für erforderlich im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO, weil der Anwalt des Beklagten seine Tätigkeit zu einem Zeitpunkt aufnahm, als er von der (bereits bei Gericht eingegangenen, aber noch nicht zugestellten) Rücknahme noch nichts wusste. In dieser Situation durfte der Beklagte die Beauftragung eines Anwalts (noch) für sachdienlich erachten. Dass die Tätigkeit aus „objektiver“ Sicht nicht notwendig war, steht dem nicht entgegen.

Praxistipp: Um unnötige Kosten zu vermeiden, bietet es sich an, den Gegner möglichst umgehend auf direktem Weg über die Rücknahme eines Rechtsmittels zu informieren.