Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Rechtsfragen aus dem Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.

Rechtsbeziehungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr
BGH, Urteil vom 14. Mai 2024 – XI ZR 327/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit Fragen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, der Drittschadensliquidation, der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens und der Verjährung.

Die Kläger zeichneten am 3.3.2012 einen Investmentauftrag, mit dem sie sich zur Zahlung von 750.000 Euro auf ein Konto verpflichteten, das die beklagte Bank für eine Tochtergesellschaft der Investmentgesellschaft führte. Die Kläger überwiesen einen Teilbetrag von 350.000 Euro von einem Konto bei einer Landesbank. Diese übermittelte den Zahlungsauftrag über eine weitere Landesbank an die Beklagte. Die Beklagte schrieb den Betrag dem Empfängerkonto am 6.3.2012 gut. Zu diesem Zeitpunkt lag der Beklagten eine Verfügung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) vom 1.3.2012 vor, in der der besagten Investmentgesellschaft jede Entgegennahme von Publikumseinlagen untersagt und sämtliche Kontoverbindungen und Depots gesperrt wurden.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht der beiden Landesbanken Schadensersatz in Höhe von 350.000 Euro Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Investmentvertrag. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG die Klage als hinreichend bestimmt angesehen. Ansprüche aus eigenem und aus abgetretenem Recht bilden allerdings unterschiedliche Streitgegenstände. Deshalb muss aus dem Klagevorbringen hervorgehen, in welcher Reihenfolge diese Gegenstände geltend gemacht werden. Im Streitfall ergibt sich die Reihenfolge jedoch schon aus dem materiellen Recht. Die aus abgetretenem Recht abgeleiteten Ansprüche auf Drittschadensliquidation können nur dann bestehen, wenn den Klägern kein eigener Anspruch gegen die Beklagte zusteht. Die Ansprüche aus eigenem Recht haben deshalb Vorrang.

Ebenfalls zu Recht hat das OLG entschieden, dass die Beklagte eine Warn- und Hinweispflicht verletzt hat. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr muss eine Bank einen Beteiligten zwar nur dann auf mögliche Risiken hinweisen, wenn sie aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht einer Veruntreuung schöpft. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall angesichts des Inhalts der behördlichen Verfügung vom 1.3.2012 aber gegeben.

Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das dem bargeldlosen Zahlungsverkehr zugrunde liegende Clearingabkommen zwischen den beteiligten Banken jedoch keine Schutzwirkung für den betroffenen Bankkunden. Der BGH hält insoweit an seiner Rechtsprechung fest, wonach es eines solchen Schutzes nicht bedarf, weil der Bankkunde seine Schäden im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen kann.

Die im Streitfall geltend gemachten Ansprüche aus eigenem Recht sind deshalb unbegründet.

Die Ansprüche erweisen sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch auf der Grundlage abgetretenen Rechts nicht als begründet.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten, die beiden Landesbanken hätten einen Hinweis auf die Verfügung vom 1.3.2012 unbeachtet gelassen, entscheidungserheblich. Zugunsten der Kläger spricht zwar die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens. Die Behauptung, mit der die Beklagte diese Vermutung widerlegen will, ist aber nicht „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt. Die Beklagte hat hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihre Behauptung aufgezeigt, indem sie auf eine Vorgabe des von der Finanzmarktaufsicht eingesetzten Untersuchungsbeauftragten Bezug genommen hat, der zufolge nur Soll-Buchungen untersagt waren, nicht aber Gutschriften. Das OLG wird deshalb den Beweisangeboten der Beklagten nachgehen müssen.

Ebenfalls zu Unrecht hat das OLG angenommen, dass Ansprüche aus Drittschadensliquidation erst dann zu verjähren beginnen, wenn der Geschädigte Kenntnis von Schaden und Schädiger hat. Maßgeblich ist vielmehr der Kenntnisstand des Anspruchsinhabers, hier also der beiden Landesbanken. Diesbezügliche Feststellungen wird das OLG gegebenenfalls noch zu treffen haben.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass sich ein auf abgetretenes Recht gestützter Anspruch aus Drittschadensliquidation wegen einer Pflichtverletzung des ursprünglichen Anspruchsinhabers als unbegründet erweist, empfiehlt es sich, diesem den Streit zu verkünden, um die Möglichkeit eines Regresses offenzuhalten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Bestreiten des Vermietervortrags zur Wohnfläche
Urteil vom 31. Mai 2017 – VIII ZR 181/16

Mit den Anforderungen an ein wirksames Bestreiten von Parteivortrag im Mieterhöhungsverfahren befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hat an die Beklagte eine aus drei Zimmern bestehende Dachgeschosswohnung vermietet. Vier Jahre nach Mietbeginn begehrte sie eine Mieterhöhung. Die Größe der Wohnung gab sie in dem Erhöhungsschreiben und im nachfolgenden Rechtsstreit mit 92,54 m² an. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Fläche in einem Wohnungsinserat mit 90 m² angegeben war, und erklärte, sie bezweifle beide Angaben. Vorsorglich beantragte sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Klägerin bot trotz gerichtlichen Hinweises keinen Beweis für die Wohnungsgröße an. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Anders als die Vorinstanzen sieht er den Vortrag der Klägerin zur Wohnungsgröße nicht als wirksam bestritten an. Wenn der Vermieter eine bestimmte Wohnfläche vorträgt, darf der Mieter dieses Vorbringen nicht pauschal bestreiten. Er muss vielmehr die Wohnung zumindest überschlägig vermessen und konkret darlegen, von welcher Fläche er ausgeht. Dies gilt auch dann, wenn die exakte Berechnung der Fläche aufgrund von Schrägen und Winkeln kompliziert ist.

Praxistipp: Um unnötigen Streit über die ausreichende Substantiierung zu vermeiden, sollte der Mieter nicht nur eine Zahl vortragen, sondern durch Vorlage von Skizzen oder dergleichen aufzeigen, wie er diesen Wert ermittelt hat.

Teilklage und Teilberufung
Beschluss vom 1. Juni 2017 – III ZB 77/16

Dass für die Bestimmtheit einer Berufung nicht dieselben Anforderungen gelten wie für die Bestimmtheit der Klage verdeutlicht der III. Zivilsenat.

Die Klägerin begehrte vom beklagten Land wegen Amtspflichtverletzung unter anderem Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von 48.000 Euro und von Aufwendungen für berufliche Umorientierung in Höhe von 7.020 Euro. Das LG wies die Klage ab. In der Berufungsbegründung stellte die Klägerin ohne nähere Zuordnung zu den erstinstanzlichen Anträgen einen Zahlungsantrag in Höhe von 5.100 Euro. Das KG verwarf die Berufung durch Beschluss als unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht erkennen lasse, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten werde und welche Abänderungen beantragt würden.

Der BGH verweist die Sache an das KG zurück. Für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung reicht es aus, wenn erkennbar ist, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angefochten werden soll und auf welche Gründe das Rechtsmittel gestützt wird. Eine Zuordnung einzelner Teilbeträge zu einzelnen Forderungen ist nicht erforderlich. Ihr Unterbleiben kann zwar zur Abweisung der Klage als unzulässig führen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist dieser Mangel aber nicht von Bedeutung. Der Berufungskläger kann ihn auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch beheben.

Praxistipp: Auch wenn nur die Zulässigkeit der Klage und nicht die Zulässigkeit der Berufung davon abhängt, sollte die erforderliche Aufteilung des geltend gemachten Teilbetrags auf die einzelnen Teile des Streitgegenstands möglichst schon in der Berufungsbegründung vorgenommen werden.