Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Rechtsfragen aus dem Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.

Rechtsbeziehungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr
BGH, Urteil vom 14. Mai 2024 – XI ZR 327/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit Fragen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, der Drittschadensliquidation, der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens und der Verjährung.

Die Kläger zeichneten am 3.3.2012 einen Investmentauftrag, mit dem sie sich zur Zahlung von 750.000 Euro auf ein Konto verpflichteten, das die beklagte Bank für eine Tochtergesellschaft der Investmentgesellschaft führte. Die Kläger überwiesen einen Teilbetrag von 350.000 Euro von einem Konto bei einer Landesbank. Diese übermittelte den Zahlungsauftrag über eine weitere Landesbank an die Beklagte. Die Beklagte schrieb den Betrag dem Empfängerkonto am 6.3.2012 gut. Zu diesem Zeitpunkt lag der Beklagten eine Verfügung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) vom 1.3.2012 vor, in der der besagten Investmentgesellschaft jede Entgegennahme von Publikumseinlagen untersagt und sämtliche Kontoverbindungen und Depots gesperrt wurden.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht der beiden Landesbanken Schadensersatz in Höhe von 350.000 Euro Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Investmentvertrag. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG die Klage als hinreichend bestimmt angesehen. Ansprüche aus eigenem und aus abgetretenem Recht bilden allerdings unterschiedliche Streitgegenstände. Deshalb muss aus dem Klagevorbringen hervorgehen, in welcher Reihenfolge diese Gegenstände geltend gemacht werden. Im Streitfall ergibt sich die Reihenfolge jedoch schon aus dem materiellen Recht. Die aus abgetretenem Recht abgeleiteten Ansprüche auf Drittschadensliquidation können nur dann bestehen, wenn den Klägern kein eigener Anspruch gegen die Beklagte zusteht. Die Ansprüche aus eigenem Recht haben deshalb Vorrang.

Ebenfalls zu Recht hat das OLG entschieden, dass die Beklagte eine Warn- und Hinweispflicht verletzt hat. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr muss eine Bank einen Beteiligten zwar nur dann auf mögliche Risiken hinweisen, wenn sie aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht einer Veruntreuung schöpft. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall angesichts des Inhalts der behördlichen Verfügung vom 1.3.2012 aber gegeben.

Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das dem bargeldlosen Zahlungsverkehr zugrunde liegende Clearingabkommen zwischen den beteiligten Banken jedoch keine Schutzwirkung für den betroffenen Bankkunden. Der BGH hält insoweit an seiner Rechtsprechung fest, wonach es eines solchen Schutzes nicht bedarf, weil der Bankkunde seine Schäden im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen kann.

Die im Streitfall geltend gemachten Ansprüche aus eigenem Recht sind deshalb unbegründet.

Die Ansprüche erweisen sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch auf der Grundlage abgetretenen Rechts nicht als begründet.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten, die beiden Landesbanken hätten einen Hinweis auf die Verfügung vom 1.3.2012 unbeachtet gelassen, entscheidungserheblich. Zugunsten der Kläger spricht zwar die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens. Die Behauptung, mit der die Beklagte diese Vermutung widerlegen will, ist aber nicht „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt. Die Beklagte hat hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihre Behauptung aufgezeigt, indem sie auf eine Vorgabe des von der Finanzmarktaufsicht eingesetzten Untersuchungsbeauftragten Bezug genommen hat, der zufolge nur Soll-Buchungen untersagt waren, nicht aber Gutschriften. Das OLG wird deshalb den Beweisangeboten der Beklagten nachgehen müssen.

Ebenfalls zu Unrecht hat das OLG angenommen, dass Ansprüche aus Drittschadensliquidation erst dann zu verjähren beginnen, wenn der Geschädigte Kenntnis von Schaden und Schädiger hat. Maßgeblich ist vielmehr der Kenntnisstand des Anspruchsinhabers, hier also der beiden Landesbanken. Diesbezügliche Feststellungen wird das OLG gegebenenfalls noch zu treffen haben.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass sich ein auf abgetretenes Recht gestützter Anspruch aus Drittschadensliquidation wegen einer Pflichtverletzung des ursprünglichen Anspruchsinhabers als unbegründet erweist, empfiehlt es sich, diesem den Streit zu verkünden, um die Möglichkeit eines Regresses offenzuhalten.

Anwaltsblog 5/2024: In welcher Frist verjährt der Vergütungsanspruch des Bauträgers?

Verjährt der Vergütungsanspruchs des Bauträgers in der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren oder in der der speziellen Verjährungsfrist des § 196 BGB bei Rechten an einem Grundstück von zehn Jahren? Diese Frage hatte der VII. Zivilsenat des BGH (erneut) zu entscheiden (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 – VII ZR 231/22):

 

Ein Bauträger verlangt von den Erwerbern einer Eigentumswohnung die Schlussrate von rund 15.000 €. Die Erwerber berufen sich auf Verjährung und bekommen vor dem Land- wie Oberlandesgericht recht, weil die Restvergütungsforderung der Klägerin der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliege, die gemäß § 195 BGB drei Jahre betrage und bei Klageerhebung abgelaufen gewesen sei. Auch wenn die Klageforderung Teil des Entgelts dafür sei, dass die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück zu übertragen habe, und die errichtete Wohnung „lediglich“ wesentlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils sei, richte sich die Verjährung nicht nach § 196 BGB. Die Forderung sei nicht nur die Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils, sondern auch für die Erbringung von Bauleistungen. Deshalb sei die Vergütungsforderung nicht aufteilbar in eine für die Eigentumsübertragung sowie eine für die Bauleistung, weshalb die Verjährung einheitlich nach der Leistung zu beurteilen sei, die bei weitem überwiege und das Vertragsverhältnis charakterisiere. Das sei die Bauleistung.

Die Revision des Bauträgers hat Erfolg. Der Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung aus dem Bauträgervertrag unterliegt der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB und ist noch nicht verjährt. Bei einem Bauträgervertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der neben werkvertraglichen auch (soweit der Grundstückserwerb in Rede steht) kaufvertragliche Elemente enthält. Grundsätzlich ist bei Bauträgerverträgen hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks Werkvertragsrecht, hinsichtlich der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück hingegen Kaufrecht anzuwenden. Der Anspruch der Klägerin hat daher eine einheitliche Vergütung zum Gegenstand, so dass der Vergütungsanspruch nur einheitlich verjähren kann.    Für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers gilt jedoch nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist gemäß § 195 BGB, sondern die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB. Nach § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. § 196 BGB verdrängt insoweit als speziellere gesetzliche Regelung § 195 BGB. Diese spezielle Verjährungsregelung ist auch auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers anwendbar. Aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten ist es gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers anzuwenden. Da es sich bei dem Vergütungsanspruch des Bauträgers um einen einheitlichen Anspruch handelt, der folglich einer einheitlichen Verjährung unterliegt, kann sich die Verjährung dieses Anspruchs nur entweder nach § 196 BGB oder nach § 195 BGB richten. Da der einheitliche Vergütungsanspruch des Bauträgers jedenfalls auch eine Gegenleistung für die von ihm – neben der Bauwerkserrichtung – geschuldete Übertragung des Eigentums an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung iSd. § 196 BGB darstellt, ist es gerechtfertigt, insoweit einheitlich die speziellere Verjährungsregelung des § 196 BGB anzuwenden. Gegen diese Beurteilung kann nicht eingewendet werden, dass es sich bei dem Vergütungsanspruch um einen Anspruch aus einem Mischvertrag handelt, bei dem die vom Bauträger geschuldete Übertragung des Eigentums an dem Grundstück gegenüber der Bauwerkserrichtung von derart untergeordneter Bedeutung für das Vertragsverhältnis ist, dass § 196 BGB auf den Vergütungsanspruch nicht angewendet werden könnte. Vielmehr ist die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück bei einem Bauträgervertrag von wesentlichem Interesse für den Erwerber. Der Anspruch des Erwerbers ist auf Übertragung des Grundstücks mit dem zu errichtenden Bauwerk gerichtet. Das Bauwerk wird mit seiner Errichtung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Eigentum an dem Grundstück erstreckt sich daher auch auf das Eigentum an dem Bauwerk (§ 946 BGB). Die mit der einheitlichen Vergütung abgegoltenen Leistungen – auch die Leistungen betreffend die Bauwerkserrichtung – haben danach für den Erwerber keinen nachhaltigen Wert, wenn er nicht Eigentümer des Grundstücks wird.

Fazit: Verpflichtet sich der Veräußerer eines Grundstücksanteils in einem Bauträgervertrag zur Errichtung eines Bauwerks, verjährt sein einheitlich für Grundstücksanteil und Bauwerk vereinbarter Vergütungsanspruch gemäß § 196 BGB in zehn Jahren.

Anmerkung: Derselbe Senat hat 1978 entschieden, dass der einheitlich für Grundstücksanteil und Eigentumswohnung vereinbarte Vergütungsanspruch in der damaligen Regelfrist von  zwei Jahren verjährt (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1978 – VII ZR 288/77 – MDR 1979, 219). Die Verjährung für aus verschiedenen Leistungselementen bestehende Mischverträge sei nach den Leistungen zu beurteilen, die „bei weitem überwiegen und dem Vertragsverhältnis seine charakteristische Note geben“. Das sei die Bauleistung. Der Senat stellt nunmehr fest, dass das vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ergangene Urteil vom 12. Oktober 1978 der aktuellen Entscheidung schon deshalb nicht entgegensteht, weil es durch die Umgestaltung des Verjährungsrechts auf einer anderen Rechtslage beruht. Eine tragfähige Begründung, warum der Bauträgervertrag nicht durch die Bauwerkserrichtungsleistungen derart geprägt wird, dass sich die Verjährung des Vergütungsanspruchs einheitlich nach den für werkvertragliche Vergütungsansprüche geltenden Vorschriften richtet, wie derselbe Senat zuvor gemeint hatte, lässt die besprochen Entscheidung vermissen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus dem Straßenverkehrsgesetz und um die Verjährung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherung

Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG a.F.
Urteil vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20

Mit der bis 17. Dezember 2007 geltenden Fassung von § 12 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der im Jahr 1983 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2000 eine Querschnittlähmung ab dem fünften Halswirbel. Ursache des Unfalls war ein Rad, das sich infolge eines Ermüdungsbruchs von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug löste und auf das Auto prallte, in dem der Kläger saß. Eine weitere Insassin dieses Autos wurde leicht verletzt, machte aber keine Ersatzansprüche geltend. Die Beklagte zahlte seit dem Unfall eine monatliche Rente von 1.917,34 Euro (ursprünglich 3.750 DM). Im Oktober 2018 stellte sie die Zahlungen ein. Bis dahin hatte sie insgesamt rund 388.000 Euro (rund 760.000 DM) gezahlt. Das LG verurteilte die Beklagte zur Weiterzahlung der Rente in der bisherigen Höhe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Anspruch auf Rentenzahlung nach den bis 17.12.2017 geltenden Fassungen von § 12 Abs. 1 StVG nur durch den Höchstbetrag für die Jahresrente begrenzt wird, nicht aber durch die separat festgelegte Höchstgrenze für Kapitalbeträge. Nach der im Streitfall maßgeblichen Fassung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet die Beklagte, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, danach bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM – unabhängig davon, ob der Gesamtbetrag ihrer Zahlungen die für Kapitalbeträge geltende Höchstgrenze von 500.000 DM überschritten hat.

Der BGH tritt den Vorinstanzen ferner darin bei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht bis zu dem in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den Fall der Verletzung mehrerer Personen vorgesehenen Höchstbetrag von 45.000 DM jährlich haftet. Diese Grenze ist nur für die Summe aller Rentenzahlungen maßgeblich, die die Beklagte gegenüber Personen erbringen muss, die bei dem Unfall verletzt worden sind. Der Anspruch eines einzelnen Verletzten ist dagegen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. auf 30.000 DM jährlich begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen der Beklagten nicht ohne weiteres als Anerkenntnis einer Pflicht zur Zahlung einer Rente von jährlich 45.000 DM angesehen werden. Eine Tilgungsleistung kann nur dann als Angebot zum Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags ausgelegt werden, wenn im konkreten Fall ein nachvollziehbarer Anlass für ein solches Anerkenntnis bestand. Letzteres kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Streit oder Ungewissheit über Bestand oder Höhe der Forderung herrschte. Diesbezügliche Feststellungen hat das OLG nicht getroffen.

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG insbesondere dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, wonach sein Prozessbevollmächtigter nach dem Unfall in einer abschließenden Besprechung mit der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, er werde von einer gerichtlichen Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB absehen, wenn die Beklagte im Gegenzug den Haftungshöchstbetrag von 45.000 DM pro Jahr hinnehme.

Praxistipp: Da solche Konstellationen in der Regel erst lange Zeit nach dem Schadensereignis eintreten, ist besonders sorgfältig zu prüfen, welche Fassung von § 12 StVG maßgeblich ist. Seit 18.12.2007 gilt ein einheitlicher Höchstbetrag (derzeit fünf Millionen Euro), der auch für den Kapitalwert einer zu leistenden Rente maßgeblich ist.

Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20

Mit dem Beginn der Verjährung eines Anspruchs aus § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Beklagte beauftragte den Kläger im Jahr 2013 mit Rohbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus. Nach Abschluss der Arbeiten legte die Klägerin im Juli 2014 eine Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro netto vor. Die Beklagte, die bis dahin Abschläge in Höhe von rund 110.000 Euro erbracht hatte, berief sich auf Mängel und verweigerte weitere Zahlungen. Über eine im Jahr 2015 erhobene Klage auf restliche Vergütung ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Im September 2018 verlangte die Klägerin die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 88.000 Euro. Ihre auf diese Leistung gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung als „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, so dass die Verjährung frühestens dann beginnt, wenn der Unternehmer den Anspruch erstmals geltend macht. Der Besteller darf eine solche Sicherheit nicht von sich aus stellen. Die Entscheidung darüber liegt beim Unternehmer, weil dieser die hierfür anfallenden Kosten tragen muss. Der Unternehmer wird eine Sicherheit in der Regel nur dann verlangen, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Ein solches kann sich je nach Einzelfall auch erst geraume Zeit nach Entstehung des Anspruchs ergeben.

An der Geltendmachung des Anspruchs ist die Klägerin im Streitfall weder unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs noch unter dem Aspekt der Verwirkung gehindert.

Praxistipp: Geltend gemachte Mängel haben gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB auf die Höhe der zu leistenden Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss, soweit daraus resultierende Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen gegen Notare.

Verjährung des notariellen Amtshaftungsanspruchs
Urteil vom 10. Oktober 2019 – III ZR 227/18

Mit der Frage, wann ein Laie die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von einer notariellen Pflichtverletzung hat, befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger hatte Ende 2006 eine Eigentumswohnung erworben. Im notariellen Vertrag, den der Beklagte als Notarvertreter beurkundet hat, ist vermerkt, der Käufer habe den Vertragsentwurf mehr als zwei Wochen zuvor erhalten und ausreichend Gelegenheit gehabt, ihn zu prüfen oder überprüfen zu lassen. Später betrieb der Kläger die Rückabwicklung der Verträge, weil er den Kaufpreis als überteuert ansah. Sein Versuch, die an dem Geschäft Beteiligten in Anspruch zu nehmen, schlug fehl, unter anderem wegen Insolvenz der als Schuldner in Frage kommenden Gesellschaften. Daraufhin nahm der Kläger Ende 2016 den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihm der Vertragsentwurf entgegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG und abweichend von den Angaben im Vertrag erst kurz vor dem Beurkundungstermin zur Verfügung gestellt worden sei. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Er knüpft an seine schon zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung an, wonach die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs bereits dann vorliegt, wenn dem Gläubiger Tatsachen bekannt oder infolge von grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, die aus seiner Sicht auf eine Pflichtverletzung hinweisen. Abweichend von der Auffassung der Revision sieht der erkennende Senat insoweit keine Unterschiede zwischen der Rechtsprechung für Notar-, Anwalt- und Arzthaftungssachen. Im Streitfall ergaben sich für den Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Beklagten schon aus dem Umstand, dass die im beurkundeten Vertrag enthaltenen Angaben zur Überlassung des Vertragsentwurfs nach seinem eigenen Vortrag objektiv unzutreffend waren und damit gegebenenfalls auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar war, dass der Beklagte möglicherweise gegen rechtliche Vorgaben verstieß. Die Verjährung begann deshalb, sobald der Kläger zusätzlich Kenntnis davon erhielt, dass keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Letzteres war spätestens im Jahr 2012 der Fall. Die im Jahr 2016 erhobene Klage konnte die Verjährung deshalb nicht mehr hemmen.

Praxistipp: Etwas anderes kann gelten, wenn der Notar den Geschädigten über den Inhalt oder Umfang der ihn treffenden Pflichten unzutreffend belehrt hat und für den Geschädigten nicht ohne weiteres ersichtlich ist, dass die Belehrung fehlerhaft ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um den Verjährungsbeginn bei Dauerhandlungen geht es in dieser Woche.

Verjährung des Anspruchs auf Unterlassung vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache
Urteil vom 19. Dezember 2018 – XII ZR 5/18

Eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage entscheidet der XII. Zivilsenat.

Der Rechtsvorgänger des Klägers vermietete der Beklagten im Jahr 2010 zwei Stockwerke eines Gebäudes zum Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei. Die Beklagte nutzte ein Stockwerk von Beginn an als Wohnung. Nachdem der Kläger das Anwesen erworben hatte, beanstandete er die vertragswidrige Nutzung. Sein Angebot, den Mietvertrag zu ändern, lehne die Beklagte ab. Auf eine im Jahr 2016 erhobene Klage verbot das LG der Beklagten, das betreffende Stockwerk zu Wohnzwecken zu nutzen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der Revision der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Nutzung zu Wohnzwecken ist vertragswidrig und begründet nach erfolgter Abmahnung einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 541 BGB. Dieser verjährt zwar in der Regelfrist von drei Jahren. Entgegen einer in Instanzrechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung aber nicht zu laufen, solange die vertragswidrige Nutzung andauert. In gleichem Sinne hat der V. Zivilsenat bereits für einen Unterlassungsanspruch unter Wohnungseigentümern entschieden. Hinreichende Anhaltspunkte, aus denen sich eine Verwirkung des Anspruchs ergeben könnte, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Praxistipp: Will der Mieter Verwirkung aufgrund getätigter Investitionen geltend machen, muss er Gegenstand, Zeitpunkt und Höhe der Investitionen konkret darlegen und aufzeigen, aufgrund welcher Umstände er auf eine Duldung der vertragswidrigen Nutzung vertrauen durfte.

Montagsblog: Neues vom BGH

Windkraftanlage als Scheinbestandteil eines Grundstücks
Beschluss vom 7. April 2017 – V ZR 52/16

Eine sachenrechtliche Frage aus dem Umfeld der Energiewende beantwortet der V. Zivilsenat.

Die Parteien stritten über das Eigentum an einer Windkraftanlage auf einem dem Kläger gehörenden Grundstück. Die Anlage war vom Ehemann der früheren Eigentümerin errichtet worden. Über die Fläche, auf der die Anlage stehen sollte, hatten die Eheleute einen Pachtvertrag geschlossen. Später hatte die Beklagte das Windrad vom Ehemann erworben und mit der Ehefrau einen Pachtvertrag geschlossen. Wiederum einige Jahre später veräußerte die Ehefrau das Grundstück an den Kläger. Dieser machte geltend, er sei zugleich Eigentümer der Windkraftanlage geworden, weil diese einen wesentlichen Bestandteil des übereigneten Grundstücks bilde. Die auf Feststellung seines Eigentums gerichtete Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er die Windkraftanlage nicht als wesentlichen Bestandteil des Grundstücks an, sondern nur als „Scheinbestandteil“ im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist. Ausschlaggebend dafür ist, dass sich die Eheleute bei Errichtung darüber einig waren, dass der Ehemann die Anlage nach Ende der Nutzungsdauer zu entfernen hat, und dass dieser Wille durch den Pachtvertrag nach außen dokumentiert wurde. Die in Instanzrechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine Sache auch dann einen bloßen Scheinbestandteil im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB bilden kann, wenn sie während ihrer gesamten Nutzungsdauer mit dem Grundstück verbunden bleiben soll, bejaht der BGH mit ausführlicher Begründung.

Praxistipp: Eine Anlage, die bei ihrer Errichtung zu einem wesentlichen Teil des Grundstücks geworden ist, kann in einen Scheinbestandteil umgewandelt und separat veräußert werden, indem der Eigentümer und der Erwerber vereinbaren, dass die Verbindung nur noch zu einem vorübergehenden Zweck bestehen soll (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – V ZR 35/05 – BGHZ 165, 184 = MDR 2006, 921).

Keine Verjährungshemmung vor Verjährungsbeginn
Urteil vom 25. April 2017  – VI ZR 386/16

Eine grundlegende Frage des Verjährungsrechts beantwortet der VI. Zivilsenat.

Die Kläger verlangte Ersatz von Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich im Jahr 2011 ereignet hatte. Noch im gleichen Jahr hatten die Parteien Verhandlungen über die Höhe des ersatzfähigen Schadens geführt. Ende September 2011 hatte die Beklagte mitgeteilt, mit den erteilten Abrechnungen sei der Schaden aus ihrer Sicht abschließend reguliert. AG und LG wiesen die im Februar 2015 erhobene Zahlungsklage wegen Verjährung ab.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit den Vorinstanzen gelangt er zu dem Ergebnis, dass die Verjährung Ende 2014 abgelaufen ist und durch die erst einige Woche später erhobene Klage nicht mehr gehemmt werden konnte. Auf die exakter Dauer der im Jahr 2011 geführten und noch im gleichen Jahr beendeten Verhandlungen kommt es hierbei nicht an, weil die Verjährungsfrist erst mit dem Jahr 2012 begann und ein davor liegender Sachverhalt entgegen einer in Teilen von Literatur und Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung nicht zu einer Hemmung führen kann.

Praxistipp: Wenn bereits aufgenommene Verhandlungen über den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns hinweg andauern, so tritt die Hemmungswirkung immerhin im Zeitraum zwischen dem Beginn der Verjährung und dem Ende der Verhandlungen ein.

Montagsblog: Neues vom BGH

„Blindes“ Unterschreiben eines Zeichnungsscheins
Urteil vom 23. März 2017  – III ZR 93/16

Mit den Voraussetzungen eines Verjährungsbeginns aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen befasst sich der III. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Beteiligungen an einer inzwischen insolventen Gesellschaft in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß. Es bejahte einen Beratungsfehler, weil die für die Beklagte tätige Beraterin die Anlage unzutreffend als sicher und risikolos dargestellt habe. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab, weil die Klägerin schon den im Zeichnungsschein enthaltenen Risikohinweisen habe entnehmen können und müssen, dass die Beratung unzutreffend sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sieht er es nicht als grob fahrlässig an, dass die Klägerin den ihr zur Unterschrift vorgelegten Zeichnungsschein nicht durchgelesen hat. Die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass die Auskünfte der Beraterin zutreffend sind, und musste nicht damit rechnen, dass der Text des Zeichnungsscheins hiervon substantiell abweichende Hinweise enthält. Grobe Fahrlässigkeit könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Beraterin die Klägerin ausdrücklich aufgefordert hätte, den Text vor der Unterschrift durchzulesen, und ihr die hierfür erforderliche Zeit eingeräumt hätte, oder wenn das Dokument deutlich ins Auge springende Warnhinweise enthalten hätte. Die Beraterin hatte den Zeichnungsschein indes am Ende des Gesprächs ohne weitere Hinweise zur Unterschrift vorgelegt, und die Warnhinweise waren nur im kleingedruckten Text enthalten.

Praxistipp: Je eindeutiger die Warnhinweise in den unterzeichneten Dokumenten sind, umso größer sind die erforderlichen Anstrengungen, um eine hiervon abweichenden Beratungsinhalt beweisen zu können. Im Streitfall hatte die Anlegerin das Glück, dass die als Zeugin vernommene Beraterin ihren Vortrag bestätigt hat.

Nutzung justizinterner Postübermittlung für fristgebundene Schriftsätze
Beschluss vom 29. März 2017  – XII ZB 567/16

Mit den Sorgfaltsanforderungen eines Anwalts bei der Einreichung fristgebundener Schriftsätze befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einem Berufungsverfahren hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers und Berufungsklägers die Berufungsbegründung nach seinem Vorbringen zwei Tage vor Ablauf der Frist kurz vor 8 Uhr morgens in ein beim örtlichen AG eingerichtetes Postaustauschfach eingelegt. Der Schriftsatz ging erst einen Tag nach Ablauf der Frist beim zuständigen OLG ein. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Nach Auskunft des AG werde das Postaustauschfach zwar grundsätzlich jeden Vormittag geleert und sein Inhalt an das OLG übermittelt. Ohne entsprechende Nachfrage habe der Prozessbevollmächtigte aber nicht auf eine rechtzeitige Weiterleitung seines Schriftsatzes vertrauen dürfen, zumal durch Aushang ausdrücklich darauf hingewiesen werde, in das Fach sollten keine Fristsachen eingelegt werden.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bestätigt die vom OLG herangezogene Rechtsprechung, wonach ein Anwalt, der einen Schriftsatz am letzten Tag der Frist in ein solches Austauschfach einlegt, nur dann auf eine rechtzeitige Weiterleitung vertrauen darf, wenn ihm dies von Seiten des Gerichts auf Nachfrage ausdrücklich zugesichert wird. Im Streitfall gelten jedoch geringere Anforderungen, weil der Schriftsatz schon zwei Tage vor Ablauf der Frist eingelegt wurde und damit noch drei volle Arbeitstage für die Weiterleitung zur Verfügung standen. Der Anwalt musste zwar damit zu rechnen, dass es aus dienstlichen Gründen zu Verzögerungen bei der Weiterleitung kommen könnte. Er durfte aber darauf vertrauen, dass die Übermittlung jedenfalls an einem der drei noch zur Verfügung stehenden Tage erfolgen würde. Aus dem Hinweis, in das Fach sollten keine Fristsachen eingelegt werden, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es zu weitergehenden Verzögerungen kommen könnte.

Praxistipp: Auch wenn ein Verschulden im konkreten Fall verneint wurde, wäre es in der beschriebenen Situation wohl weitaus wirtschaftlicher und sicherer, das Porto für eine Übermittlung per Post nicht zu scheuen.