Blog powered by Zöller: Urkundenvorlage und Datenschutz

Wenn das Gericht gem. § 142 ZPO die Vorlage einer Urkunde anordnet, kann dies nicht nur Geheimhaltungsinteressen des Urkundenbesitzers tangieren (s. dazu Zöller/Greger, § 142 ZPO Rn. 9). Enthält die Urkunde auch personenbezogene Daten Dritter, stellt sich des Weiteren die Frage, ob nicht die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Herausgabe der Urkunde verbietet, weil die Daten zu anderen Zwecken als für den betr. Rechtsstreit erhoben wurden. Der EuGH hat diese Frage soeben auf Vorlage eines schwedischen Gerichts entschieden. Da die dortige Regelung mit § 142 ZPO übereinstimmt, ist die Entscheidung auch für die deutsche Prozesspraxis von größter Bedeutung.

Der Entscheidung zufolge ist die DSGVO in derartigen Fällen zwar anwendbar. Sie hindere das Gericht aber nicht, eine Vorlegung der Urkunde anzuordnen, denn der in Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta verbürgte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz dürfe nicht beeinträchtigt werden. Zu beachten seien indessen die Grundsätze der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Datenminimierung. So sei zu prüfen, ob die Sachaufklärung auch mit milderen Mitteln, etwa der Vernehmung ausgewählter Zeugen, erreicht werden könnte. Falls die Vorlegung des Dokuments angeordnet wird, seien besondere Datenschutzmaßnahmen in Betracht ziehen, etwa die Anonymisierung der Daten, die Beschränkung des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Akten oder eine Anordnung an die Parteien, diese Daten nicht zu verfahrensfremden Zwecken zu verwenden.

Ausführliche Besprechung des EuGH-Urteils v. 2.3.2023 – C-268/21 demnächst im ‚Blickpunkt‘ der MDR und bereits als Kurzbeitrag in ZIP 2023, R4.

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Anforderung von Unterlagen für eine Schriftvergleichung
Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 205/15

Mit den Voraussetzungen für die Anforderung von Vergleichsdokumenten zur Beurteilung der Echtheit einer Urkunde mittels Schriftvergleichung befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Beklagte hatte von den Eltern des Klägers ein Grundstück erworben. Nach Vertragsschluss begehrte der Kläger von der Beklagten eine Provision für die Vermittlung des Geschäfts. Er stützte seine Forderung auf eine schriftliche Einverständniserklärung, die nach seiner Behauptung vom Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben war. Das LG ordnete die Einholung eines Schriftvergleichsgutachtens an und gab der Beklagten auf, mehrere im Einzelnen bezeichnete Vergleichsdokumente vorzulegen. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nur teilweise nach. Das LG verurteilte die Beklagte nach Einholung des Gutachtens im Wesentlichen antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Zwar war die vom LG erlassene Anordnung, Vergleichsdokumente vorzulegen, weder nach § 441 Abs. 3 ZPO noch nach § 142 ZPO zulässig. Gemäß § 295 ZPO darf die Beklagte der Verwertung der dennoch eingereichten Unterlagen aber nicht mehr entgegentreten, weil sie bereits in erster Instanz mündlich zur Sache verhandelt hatte, ohne den Verfahrensfehler zu rügen. Zulässig blieb die Rüge, das LG habe die teilweise Nichtbefolgung der Anordnung zu Unrecht zu ihren Lasten gewertet, weil der diesbezügliche Verfahrensfehler erst aus dem erstinstanzlichen Urteil hervorging. Diesen Fehler hatte aber bereits das OLG korrigiert, indem es den genannten Aspekt bei der Beweiswürdigung nicht zu Lasten der Beklagten berücksichtigte.

Praxistipp: Die Partei, die die Beweislast trägt, muss die Vergleichsurkunden, deren Vorlegung angeordnet werden soll, detailliert benennen, weil das Gericht nicht befugt ist, die Vorlage weiterer Urkunden von Amts wegen anzuordnen. Der Gegner muss einen diesbezüglichen Verfahrensfehler zur Wahrung seiner Rechtsposition spätestens in der auf die Anordnung folgenden mündlichen Verhandlung rügen.