Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen vor rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft

Beginn der Verjährung trotz Rechtsausübungssperre
BGH, Beschluss vom 5. Februar 2025 – XII ZB 187/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 199 Abs. 1, § 2317 Abs. 1 und § 1600d Abs. 5 BGB.

Die Klägerin ist die nichteheliche Tochter des im August 2017 verstorbenen Erblassers. Der Beklagte war dessen eingetragener Lebenspartner und ist testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt. Die Klägerin erlangte im Jahr 2017 Kenntnis vom Erbfall. Im Mai 2022 leitete sie ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Ende Juni 2022 stellte das Amtsgericht die Vaterschaft des Erblassers fest. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die im Juni 2023 erhobene Stufenklage auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Zahlung eines entsprechenden Pflichtteils blieb vor dem LG ohne Erfolg. Das OLG hat den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß zu Auskunft und Wertermittlung verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist es nicht ausgeschlossen, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs schon vor der Feststellung der Vaterschaft begonnen hat.

Gemäß § 1600d Abs. 5 BGB können die Rechtswirkungen der Vaterschaft zwar grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden. Diese Durchsetzungssperre steht einer Entstehung des Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB jedoch nicht entgegen. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Anspruch auf den Pflichtteil vielmehr mit dem Erbfall.

Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs liegt allerdings erst dann vor, wenn die Vaterschaft rechtskräftig festgestellt ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann nach Auffassung des BGH hingegen schon vor diesem Zeitpunkt gegeben sein – etwa dann, wenn der Berechtigte die Einleitung des gerichtlichen Feststellungsverfahrens aufgrund eines schweren Obliegenheitsverstoßes hinausgeschoben hat. Das OLG wird nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist.

Praxistipp: Wenn ein Verjährungsbeginn wegen grob fahrlässiger Unkenntnis in Betracht kommt, die Verjährungsfrist aber auch unter dieser Prämisse noch nicht abgelaufen ist, dürfte es den sichersten Weg darstellen, die Pflichtteilsansprüche rechtzeitig vor Fristende gerichtlich geltend zu machen und eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 Abs. 1 ZPO bis zum Abschluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu beantragen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft.

Feststellung der Vaterschaft nach Adoption des Kindes
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – XII ZB 358/22

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen der Verfahren nach § 169 und § 167a FamFG.

Die Beteilige zu 2 brachte im April 2015 ein Kind zur Welt. Zwei Monate später willigte sie in die Adoption durch die Beteiligten zu 4 ein. Im Juni 2016 wurde die Adoption ausgesprochen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters wurde als entbehrlich angesehen, weil er und sein Aufenthalt dauernd unbekannt seien. Der Beteiligte zu 1, der nach seinem Vorbringen Ende 2018 von der Geburt erfahren hat, begehrt die Feststellung, dass er der leibliche Vater des Kindes ist.

Das AG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die erstmals im Beschwerdeverfahren hinzugezogenen Beteiligten zu 4 verweigern die Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes an einer Abstammungsuntersuchung. Das OLG hat durch Zwischenbeschluss festgestellt, dass die Weigerung nicht rechtmäßig sei.

Der BGH erklärt die Weigerung für rechtmäßig.

Die in § 178 Abs. 1 FamFG normierte Pflicht zur Duldung von Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung gilt nur in Abstammungssachen im Sinne von § 169 FamFG. Dazu gehören nach § 169 Nr. 1 FamFG Verfahren auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600d Abs. 1 BGB. Der im Streitfall zu beurteilende Antrag fällt nicht unter diese Vorschrift. Er ist entgegen der Auffassung des OLG nur auf Feststellung der leiblichen Vaterschaft gerichtet.

Unabhängig davon ist ein Antrag auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft nach einer Adoption nur zulässig, soweit der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Ein solches kann vorliegen, wenn der Antragsteller Rechte aus seiner Vaterschaft bis zum Zeitpunkt der (ex nunc wirkenden) Adoption geltend machen will. Darum geht es im Streitfall nicht. An einer Feststellung der Vaterschaft „auf Vorrat“, d.h. für den Fall, dass die Adoption später aufgehoben wird, besteht kein rechtliches Interesse.

Zu den Abstammungssachen gehören nach § 169 Nr. 2 FamFG auch Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Anordnung der Duldung einer Probenentnahme. Diesbezügliche Ansprüche stehen nach § 1598a BGB nur den rechtlichen Eltern und dem Kind zu. Diese Regelung ist abschließend. Deshalb ist der Beteiligte zu 1 nicht befugt, solche Ansprüche geltend zu machen.

§ 167a FamFG normiert eine Pflicht zur Duldung von Untersuchungen in Verfahren, in denen ein leiblicher Vater Umgangs- oder Auskunftsrechte nach § 1686a BGB geltend macht. Um solche Ansprüche geht es im Streitfall nicht.

Dass keine Möglichkeit besteht, eine gerichtliche Feststellung der leiblichen Vaterschaft unabhängig von der Geltendmachung von daraus resultierenden Ansprüchen zu beantragen, sieht der BGH nicht als verfassungswidrig an.

Praxistipp: Zwischenentscheidungen über die Pflicht zur Mitwirkung bei einer Beweiserhebung sind nach § 167a Abs. 3 und § 178 Abs. 2 FamG sowie § 387 Abs. 3 ZPO isoliert anfechtbar. Eine Rechtsbeschwerde bedarf aber gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Zulassung durch das Beschwerdegericht.