Anwaltsblog 19/2024: Zur Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses beim Kauf eines 40 Jahre alten Gebrauchtwagens

Der BGH hatte zu entscheiden, ob sich der Verkäufer eines fast 40 Jahre alten Fahrzeugs auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen kann, wenn er die einwandfrei funktionierende Klimaanlage in seiner Verkaufsanzeige hervorgehoben hatte, und der Käufer nunmehr Mängelrechte wegen eines Defekts der Klimaanlage geltend macht (BGH, Urt. v. 10.4.2024 – VIII ZR 161/23, MDR 2024, 706):

 

Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten zu einem Kaufpreis von 25.000 € einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km. In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es: „Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“. Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage durch eine Erneuerung des Klimakompressors instandsetzen und verlangt den Ersatz von Reparaturkosten von rund 1.750 €.

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Dieser erstrecke sich auch auf einen etwaigen Mangel an der Klimaanlage. Zwar sei eine gleichzeitige Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit der Kaufsache einerseits und eines umfassenden Ausschlusses der Gewährleistung andererseits regelmäßig dahin auszulegen, dass der Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten solle (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, MDR 2007, 642). Jedoch müsse bei einem rund 40 Jahre alten Fahrzeug auch im Falle einer – hier hinsichtlich der Klimaanlage getroffenen – Beschaffenheitsvereinbarung angesichts der unvermeidlichen und teils gebrauchsunabhängigen Alterung einzelner Bauteile selbst dann, wenn es sich um einen hochwertigen und gepflegten Pkw handele, stets mit dem Auftreten von Instandsetzungsbedarf gerechnet werden. Demgemäß habe der Kläger in Anbetracht des Gewährleistungsausschlusses nicht erwarten dürfen, dass die schon lange Zeit über ihre technische Lebensdauer hinaus betriebene Klimaanlage auch weiterhin funktionieren werde.

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist in den Fällen einer (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbarten Beschaffenheit iSv. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für sonstige Mängel, nämlich solche im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, gelten soll. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Beklagte nicht erst im schriftlichen Kaufvertrag, sondern bereits in seiner Internetanzeige – unmittelbar im Anschluss an die Angabe „Klimaanlage funktioniert einwandfrei“ – erklärt hat, dass der Verkauf „unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“ erfolge, erlaubt es nicht, den vereinbarten Gewährleistungsausschluss dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung über die (einwandfreie) Funktionsfähigkeit der Klimaanlage erstreckt. Denn gerade das – aus Sicht eines verständigen Käufers – gleichrangige Nebeneinanderstehen einer Beschaffenheitsvereinbarung einerseits und eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung andererseits gebietet es, den Gewährleistungsausschluss als beschränkt auf etwaige, hier nicht in Rede stehende Sachmängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF aufzufassen, da die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer andernfalls ohne Sinn und Wert wäre.

Insbesondere aber rechtfertigen in einem Fall, in dem – wie hier – die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet, weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils, noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Diese Umstände (Alter des Fahrzeugs, Verschleißanfälligkeit eines Bauteils) können zwar für die übliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens von Bedeutung sein. Sie spielen jedoch weder für die Frage einer konkret vereinbarten Beschaffenheit noch für die hier maßgebliche Frage eine Rolle, welche Reichweite ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss im Fall einer vereinbarten Beschaffenheit hat. Vielmehr findet der Grundsatz, dass ein vertraglich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss die Haftung des Verkäufers für einen auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruhenden Sachmangel unberührt lässt, auch dann uneingeschränkt Anwendung, wenn der Verkäufer die Funktionsfähigkeit eines Verschleißteils eines Gebrauchtwagens zugesagt hat.

 

Fazit: Haben die Parteien die „einwandfreie“ Funktionsfähigkeit eines typischerweise dem Verschleiß unterliegenden Fahrzeugbauteils vereinbart, liegt ein Sachmangel vor, wenn sich dieses Bauteil bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs in einem Zustand befindet, der seine einwandfreie Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Das gilt unabhängig davon, ob insoweit ein „normaler“, das heißt ein insbesondere nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnlicher, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender Verschleiß vorliegt – der einen Sachmangel nicht begründet – und/oder ob bei objektiver Betrachtung jederzeit mit dem Eintreten einer Funktionsbeeinträchtigung dieses Bauteils zu rechnen war.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im ersten Blog des Jahres 2022 geht es um Anwendbarkeit und Inhalt der Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf

Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 10. November 2021 – VIII ZR 187/20

Mit den Voraussetzungen des § 477 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist als Immobilienmakler in der Rechtsform des Einzelkaufmanns tätig und sammelt privat ältere Fahrzeuge. Im Juni 2012 kaufte er von der Beklagten einen damals zwanzig Jahre alten Mercedes 600 SEL mit einer Laufleistung von 117.500 km für 9.350 Euro. Wegen des Zustands des Fahrzeugs verweist der Kaufvertrag auf einen zuvor eingeholten Dekra-Siegel-Bericht. Dieser führt deutliche Gebrauchsspuren an, etwa Korrosionsansätze an den Kotflügeln und eine gebrochene Fahrwerksfeder. Kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger einzelne Mängel. Knapp sechs Monate nach Übergabe erhob er Klage auf Schadensersatz in Höhe von rund 9.500 Euro wegen insgesamt sechs Mängeln (Rost an den Kotflügeln, Durchrostung des hinteren Teils des Auspuffs, Defekte an Klimaanlage, Drosselklappe, Antenne und Abgaskatalysator). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision des Klägers hat zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH billigt die vom OLG vorgenommene Vertragsauslegung, wonach das Fahrzeug keine Durchrostungen und keine sonstigen größeren Mängel aufweisen darf, wohl aber alters- und nutzungsbedingte Verschleißschäden. Auf dieser Grundlage hat das OLG die vom Kläger geltend gemachten Rostschäden an den Kotflügeln zu Recht nicht als Sachmangel angesehen. Hinsichtlich der weiteren Schäden kann zugunsten des Klägers hingegen die Vermutungswirkung des § 477 BGB (für den Streitfall: § 476 BGB aF) greifen.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf sind im Streitfall anwendbar. Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass sich nicht vollständig aufklären lässt, ob der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder zu privaten Zwecken gekauft hat. Entgegen der Auffassung des OLG greift in dieser Konstellation nicht die in § 344 HGB normierte Regel, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörend anzusehen sind. Maßgeblich ist vielmehr die Regel des § 13 BGB, wonach Rechtsgeschäfte einer natürlichen Person, die nicht überwiegend einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, als Geschäfte eines Verbrauchers anzusehen sind.

Die danach maßgebliche Regelung in § 477 BGB, wonach vermutet wird, dass die Kaufsache schon bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten ein Sachmangel zeigt, gilt für Verschleißschäden jedenfalls dann, wenn sich innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand einstellt, der nach dem Vertrag einen Mangel darstellt.

Das OLG wird deshalb klären müssen, ob das hintere Auspuffteil bereits innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe durchrostet war, denn eine Durchrostung stellt nach der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel dar.

Hinsichtlich der Rostschäden an den Kotflügeln scheiden Gewährleistungsansprüche hingegen aus, weil es sich insoweit nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts um Verschleißschäden handelt und eine Durchrostung nicht geltend gemacht ist.

Hinsichtlich der Defekte an Drosselklappe, Klimaanlage, Abgaskatalysator und Antenne muss das OLG klären, ob innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand aufgetreten ist, für den als Ursache nicht nur der übliche Verschleiß in Betracht kommt, sondern auch ein dem Verkäufer zuzurechnender Umstand. Falls die Vermutungswirkung des § 477 BGB danach zugunsten des Klägers greift, muss dieser zusätzlich beweisen, dass der während der Sechsmonatsfrist eingetretene Zustand bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Gewährleistungsrechte und bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. einer berechtigten Selbstvornahme fortbestanden hat. Eine weitergehende Beweisführung ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist alle Voraussetzungen für die Entstehung des Gewährleistungsanspruchs geschaffen hat. Dieses Erfordernis ist im Streitfall erfüllt.

Praxistipp: Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche – insbesondere eine erforderliche Fristsetzung – sollten möglichst innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 477 BGB geschaffen werden.