Reputation der Mediation – Steigerung durch Regulierung?

Prof. Dr. Fritz Jost  Prof. Dr. Fritz Jost
Universität Bielefeld

Jedenfalls einige Professionen genießen hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und werden in einem Umfang nachgefragt, welcher die Berufsträgerinnen und -träger auskömmlich leben lässt. In bestimmten persönlichen Krisen ist es unabweisbar, ihren Rat und Beistand einzuholen, wenn man etwa an die Ärzte- und die Rechtsanwaltschaft denkt. Als Berufsstand weisen sie das besondere Merkmal des (Zwangs-)Zusammenschlusses in einer Körperschaft (Kammer) aus, welche repräsentiert, aber auch Regulierungs- und Kontrollfunktionen wahrnimmt. Es besteht also eine berufliche Selbstverwaltung unterhalb der Staatsebene mit festen Strukturen und Aufgaben. Denkt man über die Förderung der Mediation (und damit der berufsmäßigen Mediatorinnen und Mediatoren) nach, kann man schon auf den Gedanken kommen, dass eine Teilhabe an diesem Nimbus hilfreich sein könnte. So schlägt denn auch die Deutsche Stiftung Mediation die Verkammerung der Mediatorenschaft vor. Die in der Bundesrechtsanwaltsordnung detailliert geregelte Rechtsanwaltskammer dient als Blaupause (Positionspapier von Bauckmann). Ein Diskussionsanstoß ist immer gut, und er ist zielgerichteter als manches, was jedenfalls den Chat bei der vom BMJV am 28.5.2021 veranstalteten Video-Konferenz „Stärkung der Mediation: Qualitäts- und Reputations­steigerung durch mehr staatliche Regulierung?“ durchlief. Eine Abstimmung dort ließ den Vorschlag jedoch durchfallen (56 : 29 % bei 15 % Unentschiedenen), fand aber sozusagen ohne Aussprache statt. Argumente sind also noch gefragt, und die ZKM hat wichtigen Themen der Konferenz ein eigenes Heft (ZKM 4/2021) gewidmet, auf welches hier Bezug genommen wird.

Allerdings scheint mir die von der Stiftung ebenfalls veröffentlichte gutachterliche Stellung­nahme von Kluth den Kern des Problems eines solchen Vorgehens zu treffen. Die Verkam­merung ist auf die „umfassende Inklusion des Berufsstandes“ gerichtet. Das setzt eine „Iden­tifikation der potentiellen Pflichtmitglieder“ im Wege zwingender „berufsspezifischer Anpas­sungen“ voraus. Möglicherweise entsteht hier ein Nadelöhr durch das nicht alle passen, etwa diejenigen nicht, welche zwar eine Mediationsausbildung absolviert haben, aber nur gelegentlich Mediation betreiben, sich jedoch beim gegenwärtigen liberalen gesetzlichen Rahmen zur Mediatorenschaft zählen können. Dies würde wohl viele Rechtsanwältinnen und -anwälte betreffen, eine wichtige Berufsgruppe, von der die Weichen für die Konflikt­bearbeitung gestellt werden und die ohnehin verkammert ist. Soll man bzw. wie soll man die sehr unterschiedlich aufgestellte und ausgerichtete Mediatorenschaft „sortieren“? Und ist ihr eine derartige Veranstaltlichung angemessen oder steckt man sie damit ins Prokrustes­bett?

Über Anpassungen des berufsrechtlichen Rahmens nachzudenken lenkt den Blick jedenfalls auf näherliegende und diskussions­bedürftige Fragen, welche die Ausbildung (gerade im Hinblick auf praktische Anforderungen) und damit letztlich die bereits so genannte, aber vom Wortsinn her höchst fragwürdige Zertifizierung betreffen (§§ 5 ff. MediationsG). „Selbstzertifizierung“, ein Begriff, welcher hier zur Kennzeichnung des Ist-Zustands dient, deutet auf einen Widerspruch in sich hin. Zu den genannten grundlegenden Fragen gibt es nach wie vor kontroverse Überlegungen (siehe die Beiträge von v.Schlieffen, Plassmann und Lenz, sämtlich in ZKM 4/2021), weshalb weiter an einem konsensfähigen Modell zu arbeiten wäre. Sicherlich wird man bei dem damit zu liefernden Kompetenznachweis auch den „Verbraucher“ bzw. potentiellen Nachfrager nach Mediation im Auge haben müssen.

Die Nöte der konsensualen Streitbeilegung erfordern andere Remedien als eine Ver­kammerung der Mediation (ausführlich Jost ZKM 2021, 132 ff.). Bekannt ist sie inzwischen schon, wie man etwa im Roland-Rechtsreport nachlesen kann, aber vielfach wohl nur in schlagwortartiger Hinsicht. Auch wer sie kennt, scheint sich aus verschiedenen Gründen gehindert zu sehen, von ihr im Konfliktfall Gebrauch zu machen. Dazu gehören „strukturelle“ Gründe, wie etwa das „Umwegsproblem“ gegenüber einer eingespielten Arbeitsteilung zwischen Anwaltschaft und Gericht. Wenn Anspruchsschreiben nicht weiterhelfen, wird eben die Klage „schlüssig gemacht“: Das Gericht wird’s schon richten. Ein Prozess hat (fast) immer ein Ergebnis, wie dies auch aussehen mag; bei der Mediation scheint dies ungewiss, und bei einem vergeblichen Versuch drohen unproduktiver Aufwand und Kosten. Um alter­native Streitbeilegung zu fördern wäre eine noch stärkere Integration in bzw. Verzahnung mit dem Justizsystem wünschenswert, was die Sichtbarkeit von Verfahrensoptionen und ihre Wahl verbessern könnte (Greger ZKM 2021, 147 ff.; Steffek ZKM 2021, 142 ff.). Es sind also verschiedene Stellschrauben, die man auffinden und justieren muss.

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