Die Krise als echte Chance …gerade in der Vermögens – und Unternehmensnachfolge…!

Dr. Ralf Deutlmoser LL.M. (Alabama)  Dr. Ralf Deutlmoser LL.M. (Alabama)
Rechtsanwalt, attorney at law (NY), Mediator (CVM), München

Warum sind Erbfälle ebenso wie die Vermögensübertragung von warmer Hand häufig so konfliktbelastet? Zum einen ist soeben ein naher Angehöriger verstorben, und zum anderen gibt es regelmäßig konkrete Erwartungen der Nachfahren im Hinblick auf die Teilhabe am Nachlass, die zueinander in Konkurrenz stehen. Manchmal bietet ein Erbfall auch schlicht eine Gelegenheit, Konflikte auszutragen, die zuvor durch die bloße Anwesenheit der Patriarchin oder des Patriarchen – manchmal jahrzehntelang – unter der Decke gehalten wurden. Das britische Königshaus kann ein Lied davon singen. Mit dem Tod brauen sich dann emotionale Ausnahmesituation und bestehende Konflikte zu einem toxischen Gemisch zusammen. Das Bonmot, „Haben Sie schon geerbt oder reden Sie noch miteinander?“, entspringt daher nicht nur der Lebenserfahrung vieler Betroffener, sondern auch dem beruflichen Alltag der involvierten Berater.

Kommt es durch den Erbfall zusätzlich zu einer Unternehmensnachfolge, steigt die Komplexität der Auseinandersetzung noch einmal deutlich an. Konflikte betreffen hier die miteinander verbundenen und sich überlagernden Bereiche Gesellschafter, Geschäftsführung und Gesamtvermögen (sog. Drei-Kreise-Modell). Die Erfahrung durchgeführter Mediationen zeigt, dass viele destruktive Unternehmensnachfolgekonflikte ihren Ausgangspunkt in der Vermischung dieser Bereiche und im Durchschlagen nicht gelöster Konflikte von einem auf einen anderen Bereich finden.

Neben dem gefährdeten Familienfrieden werden hier oft hohe Vermögenswerte vernichtet und bisweilen sogar gesunde Unternehmen in den Abgrund gestoßen. Emotional wie wirtschaftlich ressourcenintensive Gerichtsverfahren legen Unternehmen lahm und verstellen den Blick auf intelligentes, kooperatives Konfliktmanagement und interessengerechte Lösungen. Nicht nur aus individueller Sicht der Unternehmer, sondern auch aus Sicht der betroffenen weiteren Stakeholder – Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten etc. – ist der Zerfall von Unternehmen aufgrund gescheiterter Übergabe an die nachfolgende Generation natürlich außerordentlich bedauerlich.

Die Betroffenen wie deren Berater sind der drohenden Krise in Form eskalierender destruktiver Konflikte jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Denn im Grunde ist – mit den Worten von Claus Hipp – das Problem nicht der Konflikt an sich, sondern die fehlende Konfliktfähigkeit.

In unserem neu erschienenen Buch „Mediation im Erbrecht“ zeigen Martin Fries und ich praxisnah auf, wie sich Erbstreitigkeiten unter Zuhilfenahme der Methoden der Mediation sehr befriedigend beilegen oder im Idealfall sogar von vornherein vermeiden lassen. Im Hinblick auf Familienunternehmen stellen wir konkrete Werkzeuge vor, mit denen sich die Überlebenschance eines Unternehmens in einer Nachfolgesituation deutlich steigern lässt. Auch in Nachfolgekrisen sind tragfähige und dauerhafte Nachfolgelösungen möglich, welche die universellen Bedürfnisse nach Gerechtigkeit und Fairness befriedigen. Die Krise wird dann zur echten Chance für Familie und Unternehmen. Das Aufstellen einer Nachfolgecharta kann ein erster Schritt auf dem Königsweg der gemeinsamen Nachfolgeplanung sein.

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Hinweis der Redaktion: Siehe hierzu auch Fries, Mediation im Erbstreit, ZKM 1/2023, 10 ff.

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