Online-Dossier: Die Reform der Grundsteuer

Die Grundsteuer zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden. Nachdem das BVerfG das System der grundsteuerlichen Bewertung für verfassungswidrig erklärt und eine Frist für eine gesetzliche Neuregelung bis zum 31.12.2019 gesetzt hatte, erließ der Bundesgesetzgeber ein aus drei Gesetzen bestehendes Paket, um die Vorgaben umzusetzen: das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts, das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung sowie das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b). Letzteres schreibt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fest, räumt den Ländern aber das Recht zum Erlass abweichender landesrechtlicher Regelungen ein  („Öffnungsklausel“). Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben davon Gebrauch gemacht. Das Saarland und Sachsen haben vom Bundesrecht abweichende Steuermesszahlen eingeführt.

Das Grundsteuer-Reformgesetz v. 26.11.2019 enthält insbesondere neue Bewertungsregeln. Eigentümerinnen und Eigentümer müssen eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts elektronisch an das Finanzamt übermitteln. Die auf Grundlage der neuen Werte errechnete Grundsteuer ist ab 1.1.2025 zu zahlen.

Aufsätze zur Reform der Grundsteuer

Grootens, Die Grundsteuerreform auf dem Prüfstand, ErbStB 2024, 72

Marquardt/Miethe, Anwendungserlasse zur neuen Grundbesitzbewertung ab dem 1.1.2023 – Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 20.3.2023 – S 3015, ErbStB 2023, 212

Steinhauer, Rechtsschutz gegen Bodenrichtwerte im Hinblick auf die Grundsteuerveranlagung, ErbStB 2023, 185

Weiß: Zweifelsfragen bei der Grundsteuerbewertung im Grundvermögen(Bundesmodell), ErbStB 2023, 111

Marquardt/Miethe: Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 198 BewG, ErbStB 2023, 90

Bruschke, Grundsteuerreform: Flächenbewertung bei Windenergieanlagen, ErbStB 2022, 347

Marquardt/Miethe, Die Verwendung der Marktdaten der Gutachterausschüsse i.R.d. Grundbesitzbewertung, ErbStB 2022, 266

Grootens: Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 – Anwendung der Bewertungsverfahren nach den AEBewGrSt – Teil I, ErbStB 2022, 176

Grootens: Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 – Anwendung der Bewertungsverfahren nach den AEBewGrSt – Teil II, ErbStB 2022, 203

Bruschke: Der neue Grundsteuerwert für die Land- und Forstwirtschaft, ErbStB 2022, 78

Urteilskommentierungen zur Grundsteuerreform

Günther, FG Rheinland-Pfalz v. 23.11.2023 – 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23: Einstweiliger Rechtsschutz bei Grundstücksbewertungen nach dem neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht (Bundesmodell), ErbStB 2024, 5

Halaczinsky, Sächs. FG v. 24.10.2023 – 2 K 574/23: Der neue Grundsteuerwert auf den 1.1.2022 (Bundesmodell), ErbStB 2024, 7

Rothenberger, FG Nürnberg v. 8.8.2023 – 8 V 300/23: Ermittlung der Grundsteuer nach dem reinen Flächenmodell des BayGrStG 2021 verfassungsgemäß, ErbStB 2023, 282

Verwaltungsanweisungen zur Grundsteuerreform

Günther: OFD Karlsruhe, Verf. v. 10.8.2023 – G 1200/54 – St 346, ErbStB 2023, 359

Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025 (FinMin. NW v. 22.6.2022 – G 1010 – 5 – V A 6), ErbStB 2022, 304

Vereinfachung der Flächenermittlung durch Schätzung in Fällen von (offensichtlich) steuerbefreitem Grundbesitz (OFD Frankfurt/M. v. 29.6.2022 – G 1194 A-001-St 71), ErbStB 2022, 304

Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021: Anwendung des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zur Bewertung des Grundbesitzes (allgemeiner Teil und Grundvermögen) für die Grundsteuer ab 1. Januar 2022 – AEBewGSt –, BStBl. I 2021, 2334

Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021: Anwendung des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zur Bewertung des Grundbesitzes (land- und forstwirtschftliches Vermögen) für die Grundsteuer ab 1. Januar 2022 – AEBewGSt –, BStBl. I 2021, 2369

Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v.22.6.2022: Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1. Januar 2025 (AEGrStG), BStBl. I 2022, 1171

Beiträge aus Stenger/Loose, Bewertungsrecht:

  • Drüen, Grundsteuer- und Verfassungsrecht, Rz. 1-50
  • Dötsch, Einf. BewG Rz. 399-443: E. Neuregelung der Bewertung des Grundbesitzes durch das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (GrStRefG)
  • Loose, Einf. GrStG Rz. 1-32

Beiträge aus Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Auflage, 2020

Veranstaltungen

Interview zur Grundsteuerreform

Prof. Dr. Matthias Loose im Interview zur Grundsteuerreform

Online-Dossier: Kryptowährung – Blockchain – Smart Contract – NFT

Distributed Ledger Technologies (DLT) sind längst kein Novum mehr. Dabei hat der globale Erfolg der Kryptowährung „Bitcoin“ der Variante der Blockchain einen erhöhten Bekanntheitsgrad verschafft. Es mangelt allerdings (noch) an flächendeckendem Einsatz derartiger Technologien – jedenfalls im Rechtsverkehr, obwohl sich diese etwa auch für die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen oder automatische Vertragsschlüsse eignen. Immerhin gibt es zur auf Blockchain basierenden Kryptowährung „Bitcoin“ schon erste Rechtsprechung.

Smart Contracts scheinen demgegenüber zwar attraktiv, können aber zivilprozessuale Errungenschaften unzulässig gefährden. Non-Fungible Tokens (NFTs) suggerieren hingegen eine digitale Einzigartigkeit, die nur in den seltensten Fällen erreicht wird. Es bleibt abzuwarten, ob und wann diesen DLT-Anwendungen angesichts diverser Rechtsunsicherheiten mehr als ein nur verhaltenes Vertrauen entgegengebracht werden wird.

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Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht

Im Verfahren geht es im Wesentlichen die Verfassungs- und Unionsrechtwidrigkeit der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 lit. b ErbStG. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kl. – ein deutscher Staatsbürger – verlegte im November 2011 seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Wenige Monate nach dem Umzug schenkte seine Mutter ihm eine Immobilie in der Schweiz unter Nießbrauchsvorbehalt. Das FA setzte für den Grundstückserwerb Schenkungsteuer fest.

Das FG (FG München v. 3.7.2019 – 4 K 1286/18, ErbStB 2020, 188 [Günther]) hatte die Klage genau so abgewiesen, wie der BFH in zweiter Instanz. Der BFH sieht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG. Die Vorschrift dient dazu, Steuerumgehungen durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung ins Ausland zu vermeiden. Die Ungleichbehandlung deutscher und nichtdeutscher Staatsangehöriger hält der BFH für gerechtfertigt. Diese Differenzierung kennt der Gesetzgeber etwa auch im Bundeswahlgesetz.

Mit der Beschränkung auf einen Zeitraum von fünf Jahren hat der Gesetzgeber i.R. einer zulässigen Typisierung dem mit fortschreitendem Zeitablauf allmählich verblassenden Inlandsbezug Rechnung getragen. Außerdem hat der Gesetzgeber mit der Anrechnungsmöglichkeit des § 21 ErbStG eine jedenfalls teilweise Vermeidung der Doppelbesteuerung in Auslandfällen vorgesehen.

Ein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbares strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit erkennt der BFH ebenfalls nicht. Zwar sind die Ermittlungsmöglichkeiten der deutschen Finanzverwaltung bei Auslandsschenkungen eingeschränkt. Mit der Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG, den langen Anlaufhemmungsfristen nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO und den besonderen Mitwirkungspflichten der Beteiligten in Auslandsfällen nach § 90 Abs. 2 AO hat der Gesetzgeber aber gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen.

Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) sieht der BFH ebenfalls nicht. Er beruft sich dabei auf eine Entscheidung des EuGH zum niederländischem Recht (EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131, Rz. 45 = Slg. 2006, I-1957). Darin hatte der EuGH entschieden, dass die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht dann nicht gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn die ausländische Steuer weitgehend auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Da eine mögliche Schweizer Schenkungsteuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 BewG auf die deutsche Steuer anzurechnen wäre, sieht der BFH keinen Verstoß gegen EU-Recht.

Wer die erweiterte beschränkte Steuerpflicht vermeiden möchte, wird mit Schenkungen fünf Jahre (zehn Jahre bei Wegzug in die USA gem. Art. 3 des Zustimmungsgesetzes v. 15.9.2000 zum Ergänzungsprotokoll DBA USA-Deutschland) warten müssen.

Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht führt zu einer Besteuerung i.R.d. unbeschränkten Steuerpflicht mit den dafür geltenden Steuersätzen und persönlichen Freibeträgen. Davon zu unterscheiden ist

  • zum einen die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, nach der bestimmtes Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG von im Ausland ansässigen Beteiligten übertragen wird. Für die beschränkte Steuerpflicht gilt ein besonderer Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG;

zum anderen kennt das Gesetz die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 4 i.V.m. § 2 AStG, wenn der Erblasser oder Schenker in den letzten zehn Jahren vor seinem Wegzug als deutscher Staatsbürger mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, in einem Niedrigsteuerland i.S.d. § 2 Abs. 2 AStG oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S.d. § 2 Abs. 3 AStG im Inland hat. Im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden über das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG hinaus alle Vermögensgegenstände erfasst, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c EStG wären.

BFH v. 12.10.2022 – II R 5/20, ErbStB 2023, 65

Erklärung zur optionalen Vollverschonung

Die Klägerin (Kl.) erhielt von ihrer Mutter in einer einheitlichen Schenkung vier KG-Beteiligungen (KG 1–4) übertragen. Die Verwaltungsvermögensquote betrug für die Beteiligung KG 2 13,74 %. Für alle vier Beteiligungen betrug sie insgesamt unstreitig weniger als 10 %.

Die Kl. erklärte unwiderruflich, dass sie für den gesamten Erwerb die Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. in Anspruch nehme.

Das FA gewährte die Vollverschonung nur für die Beteiligungen K 1, K 3 und K 4. Für die Beteiligung K 2 gewährte sie keinen Bewertungsabschlag, also auch nicht die Regelverschonung von 85 %, weil die Verwaltungsvermögensquote von 10 % für diese Beteiligung überschritten war. Das FG (FG Münster v. 10.9.2020 – 3 K 2317/19 Erb, ErbStB 2020, 345 [Kirschstein]) bestätigte die Auffassung des FA.

Die Revision war ebenfalls erfolglos. Der BFH hat die Auffassung des FA bestätigt. Er stellt zunächst fest, dass die Verwaltungsvermögensquote für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert und nicht für alle Einheiten insgesamt zu ermitteln ist.

Danach stellt er fest, dass die Optionsverschonung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert erklärt werden kann. Im Besprechungsurteil ergab die Auslegung der abgegebenen Willenserklärung der Kl. zur Optionsverschonung, dass die Vollverschonung auf alle Beteiligungen insgesamt angewendet werden sollte. Da diese Erklärung unwiderruflich war, konnte er hinsichtlich der Beteiligung K 2 nicht auf die Begünstigung der Regelverschonung zurückfallen, denn die Gewährung der Regelverschonung für einzelne Wirtschaftseinheiten setzt voraus, dass der Erwerber für diese Einheit keine Erklärung zur Vollverschonung abgegeben hat.

Die Kl. hätte die optimale Vergünstigung in Form von dreimal Vollverschonung und einmal Regelverschonung erhalten, wenn sie den Antrag auf Vollverschonung auf die Beteiligungen KG 1 und KG 3 und 4 beschränkt hätte. Bezüglich der Beteiligung KG 2 hätte sie gar keine Erklärung abgeben dürfen.

Das Urteil ist zwar zur bis zum 30.6.2016 geltenden Rechtslage ergangen. Die Grundsätze zur gesonderten Erklärung der optionalen Vollverschonung und zur Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote je wirtschaftlicher Einheit in § 13a Abs. 10 ErbStG dürften aber auch für das Erbschaftsteuerrecht in seiner aktuellen Fassung gelten.

Der BFH hatte im Besprechungsurteil einen Schenkungsfall zu entscheiden. In diesen Fällen kann der Antrag auf Optionsverschonung nach Aussage des Gerichts für jede Einheit gesondert erklärt werden. Ob die Auffassung der Finanzverwaltung in R E 13a.21 Abs. 1 ErbStR 2019 zutrifft, dass der Antrag auf Optionsverschonung im Erbfall nur insgesamt einheitlich gestellt werden kann, war nicht Gegenstand der Entscheidung. Er hält jedoch die einheitlich auszuübende Erklärung zur optionalen Vollverschonung für systemwidrig, weil sie gegen den Grundsatz der betriebsbezogenen Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote verstößt (vgl. Rz. 21 der Entscheidungsgründe). Aus dieser Aussage kann möglicherweise gefolgert werden, dass die Einzeloptionsverschonung auch im Erbfall gelten muss.

BFH v. 26.7.2022 – II R 25/20

Begriff der wirtschaftlichen Einheit – Maßgeblichkeit der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise

Am 20.9.2016 gingen insg. zehn Eigentumswohnungen (ETW) durch Schenkung auf die Steuerpflichtige (Stpfl.) über. Die Wohnungen befinden sich in zwei aneinan­dergebauten Wohnanlagen (Haus A und B) mit jeweils sechs Wohneinheiten. Zwei Wohnungen im Haus B wurden bereits nach Fertigstellung im Jahr 1995/1996 an Dritte verkauft. Die Stpfl. ist somit Eigentümerin sämtlicher ETW des Hauses A und von vier ETW des Hauses B. Für jede der Wohnungen ist ein eigenes Wohnungsgrundbuchblatt angelegt.

Das FA bewertete die im Besprechungsfall streitgegenständliche einzelne ETW als selbständiges Objekt und zog hierfür den Immobilienpreiskalkulator der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Niedersachsen heran. Neben dem Geltungsjahr und der Lage des Grundstücks legte es hierbei die Objektart (ETW), das Baujahr 1995 und die Wohnfläche (91 qm) zugrunde. Den sich hieraus ergebenden Wert i.H.v. 125.000 € stellte das FA auf den Stichtag 20.9.2016 als Grundbesitzwert für das Objekt fest.

Im Einspruchsverfahren legte die Stpfl. das Immobilien-Wertgutachten eines Bausachverständigen vor, wonach es sich bei dem Wertermittlungsobjekt um ein Mehrfamilienhaus handele und der Verkehrswert 880.000 € betrage. Hiergegen wendete das FA ein, ein Verkehrswertgutachten für die Grundstücksart Wohnungs- und Teileigentum sei nicht erbracht worden.

Nach Aufforderung durch das FA teilte der zuständige Gutachterausschuss im März 2019 als Durchschnittswert der Vergleichspreise für das streitige Objekt einen Wert von 133.036 € mit. Nach entspr. Hinweis erhöhte das FA den Grundstückswert für die streitige ETW auf 133.036 €.

Mit ihrer Klage machte die Stpfl. geltend, der Begriff Wohnungseigentum werde durch das FA falsch ausgelegt. Eine Teilungserklärung, wodurch Wohnungseigentum entstehe, ziele immer auf eine einzelne Wohnung ab. Die Stpfl. habe im vorliegenden Fall jedoch nichts anderes als Mietwohngrundstücke übertragen bekommen. Maßgebend könne also nur der Gesamtwert dieses Immobilienvermögens am Stichtag 20.9.2016 sein. Aus der Sicht der Beschenkten handele es sich um ein einziges Mietobjekt mit zehn Wohneinheiten. Ohne das Vorliegen einer Teilungserklärung würde der Immobilienwert unstreitig sowohl nach dem BewG als auch nach der ImmWertV nach dem Ertragswertverfahren in seiner Gesamtheit bewertet und entspr. besteuert werden.

Unabhängig davon könne hier der durch das FA angesetzte, aus Vergleichspreisen des Gutachterausschusses abgeleitete Grundbesitzwert nicht sachgerecht sein. Im vorliegenden Fall seien zehn Wohnungen in einem einzigen Vorgang übertragen worden. Ein gedanklicher Käufer würde kaum den Preis für zehn einzelne ETW zahlen. Im Übrigen habe der Gutachterausschuss bei seiner Wertfindung keinen Abgleich mit den tatsächlichen Eigenschaften des Wertermittlungsobjekts vorgenommen. Es sei keine Besichtigung erfolgt und es habe auch kein Abgleich der wertbeeinflussenden oder besonderen objektspezifischen Merkmale stattgefunden.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Das FA hat zu Recht einen Grundstückswert für die einzelne ETW i.H.v. 133.036 € festgestellt und, dass das vorliegende Objekt als Wohnungseigentum nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG im Vergleichswertverfahren zu bewerten ist. Eine Bewertung als Mehrfamilienhaus im Ertragswertverfahren nach § 184 BewG scheidet entgegen der Auffassung der Stpfl. aus. Nach der einschlägigen BFH-Rspr. bildet grundsätzlich jedes Wohnungseigentum eine wirtschaftliche Einheit, die mit Eintragung in das Grundbuch entsteht (BFH v. 24.7.1991 – II R 132/88, BFHE 165, 294 = BStBl. II 1993, 87; s.a. Mannek in Stenger/Loose, BewG, § 93 Rz. 6.2).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit der insg. auf die Stpfl. übertragenen zehn Wohnungen nicht erfüllt, da für jede der übertragenen ETW jeweils ein gesonderter Miteigentumsanteil vorliegt und keine räumliche Verbindung zwischen den Wohnungen besteht (BFH v. 1.8.1990 – II R 46/88, BFHE 161, 172 = BStBl. II 1990, 1016).

Grundlage des Vergleichswertverfahrens sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG). Der Gesetzgeber hat die Ermittlung von Vergleichspreisen und –faktoren ausdrücklich den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz zukommt. Eine fachliche Prüfung durch – mit geringerer Sachkunde ausgestattete – Gerichte würde dem widersprechen.

Mit diesem Rechtsgedanken hat der BFH (vgl. BFH v. 11.5.2005 – II R 21/02, BFHE 210, 48 = BStBl. II 2005, 686; BFH v. 26.4.2006 – II R 58/04, BStBl. II 2006, 793 = ErbStB 2006, 248 [Halaczinsky] und BFH v. 16.12.2009 – II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085) auch entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den FA mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind (vgl. Nds. FG v. 7.12.2017 – 1 K 219/15, EFG 2018, 619 = ErbStB 2018, 138 [Grootens]). Die gerichtliche Überprüfung von Mitteilungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte ist auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt (Nds. FG v. 17.9.2015 – 1 K 147/12, EFG 2016, 185 = ErbStB 2016, 76 [Günther]; FG Köln v. 11.4.2019 – 4 V 405/19, EFG 2019, 1261 = ErbStB 2019, 258 [Günther]; Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 183 Rz. 6; Vorbeck, DStR 2020, 322).

Vorliegend ist die Mitteilung des Gutachterausschusses nicht offensichtlich unrichtig. Das in der Mitteilung gem. § 183 Abs. 1 BewG bezeichnete Bewertungsobjekt (die streitgegenständliche ETW) stimmt mit dem im Antragsschreiben des FA an den Gutachterausschuss genannten Objekt überein. Die Mitteilung ist auch zu dem vom FA angefragten Bewertungszeitpunkt (20.9.2016) ergangen.

Der Einwand der Stpfl., die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise ließen keine Rückschlüsse auf wertbeeinflussende Umstände zu, die sich aus der Lage und dem Zustand der Wohnung ergeben, vermag keine offensichtliche Unrichtigkeit zu begründen.

Der Stpfl. ist der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts nicht gelungen (§ 198 BewG). Das von ihr eingereichte Sachverständigengutachten ist für das „Objekt […] als Mehrfamilienhaus“ erstellt worden. Die streitgegenständliche ETW ist jedoch als eine selbständige wirtschaftliche Einheit anzusehen, eine Zusammenfassung der mehreren auf die Stpfl. übertragenen Wohnungen zu einer wirtschaftlichen Einheit scheidet aus.

Da die tatsächlichen Verhältnisse von Wohnungseigentum und das Marktgeschehen andere sind als die für ein Mehrfamilienhaus ist das eingereichte Gutachten nicht geeignet, einen geringeren Wert nachzuweisen. Auch eine Anpassung des Gutachtens zwecks Wertfindung ist nicht möglich. Insofern müsste das FG einen weiteren Sachverständigen bestellen, was jedoch wegen der Maßgeblichkeit der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichswerte ausgeschlossen ist.

Gegen die vorläufig nicht rechtskräftige Besprechungsentscheidung ist unter dem Az. II R 17/22 das Revisionsverfahren anhängig. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Halten Sie vergleichbare Steuerfestsetzungen verfahrensrechtlich offen.

Nds. FG v. 24.3.2022 – 1 K 267/19 (Rev. II R 17/22), ErbStB 2022, 297

Erbschaftsteuerliche Bewertung einer Stiftung & Co. KG

Die Kläger (Kl.) sind die Komplementärin sowie die Kommanditisten einer Stiftung & Co. KG, deren Gegenstand die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens ist. Die alleinige Komplementärin ist eine Familienstiftung. Mit dem Tod des Erblassers gingen dessen Kommanditanteile durch Sondererbfolge auf die klagenden Kommanditisten über. Die Komplementärin gab bei dem für die Erbschaftsteuer zuständigen FA eine Feststellungserklärung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ab. Das FA forderte anschließend bei dem beklagten Feststellungs-FA auf den Todeszeitpunkt des Erblassers eine gesonderte Feststellung für den Wert des Anteils am Betriebsvermögen nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG einschl. der Angaben zu §§ 13a, 13b ErbStG an. Die Komplementärin kam der Aufforderung des Feststellungs-FA, eine Erklärung gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG einzureichen mit der Begründung nicht nach, dass dafür die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG nicht vorlägen.

Das Feststellungs-FA nahm gleichwohl eine Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG vor und teilte dem Erbschaftsteuer-FA mit, es sei kein begünstigungsfähiger Anteil an einem Betriebsvermögen übergegangen. Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid blieb erfolglos. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Münster v. 27.2.2020 – 3 K 3593/16 F, EFG 2020, 831 = ErbStB 2020, 188 [Günther]).

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. § 12 ErbStG sehe für die Bewertung bestimmter zum Erwerb gehörender Vermögensgegenstände gesonderte Feststellungen vor. Über deren Erfordernis dem Grunde nach entscheide das Erbschaftsteuer-FA, über die Qualifikation des Feststellungsgegenstands nach den Kategorien des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 BewG das Feststellungs-FA. Die Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG sei materiell-rechtlich zutreffend, da die die Stiftung & Co. KG insb. keine gewerblich geprägte Personengesellschaft darstelle, die eine Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG gerechtfertigt hätte. Das FA sei nicht daran gebunden gewesen, dass das Erbschaftsteuer-FA eine Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG angefordert habe, sondern hatte selbst zu entscheiden, ob die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 BewG vorzunehmen ist.

Maßgeblichkeit des Wertfeststellungsbescheids: Ob ein Vermögenswert Betriebsvermögen i.S.v. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG darstellt oder ob es sich vielmehr um einen Anteil am Wert von anderen Vermögensgegenständen i.S.v. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG handelt, ist Tatbestandsvoraussetzung und damit Feststellungsgrundlage des Wertfeststellungsbescheids nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 BewG. Diese Feststellungsgrundlage bildet nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 157 Abs. 2 AO einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Wertfeststellungsbescheids, soweit sie ihrerseits nicht gesondert festgestellt wird. Sie ist als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung im jeweiligen Rechtsbehelfsverfahren sowie im Klageverfahren gegen den jeweiligen Wertfeststellungsbescheid vollständig zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO und § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Steuerrechtliche Beurteilung der Stiftung & Co. KG: Für eine vermögensverwaltende Stiftung & Co. KG, bei der ausschließlich eine Stiftung persönlich haftende Gesellschafterin ist, ist ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG festzustellen. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist nicht anwendbar. Die vermögensverwaltende Stiftung & Co. KG ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Der Kapitalgesellschaftsbegriff des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG kann nicht durch normspezifische Auslegung auf Stiftungen erweitert werden. Für eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG oder des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG i.V.m. §§ 95, 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG fehlt es nicht nur an einer gesetzlichen Lücke, sondern auch an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt lässt vermuten, dass die Erbfolge von Todes wegen zu Lebzeiten des Erblassers keiner vorherigen intensiven fachkundigen Analyse der erbschaftsteuerlichen Konsequenzen der Gesellschaftsstruktur unterzogen worden ist. Aus den Entscheidungsgründen geht hervor, dass sich die Beteiligten auf die unzutreffende Einordnung der Stiftung & Co. KG anlässlich der Festsetzung für die laufende Ertragsbesteuerung berufen haben. Soweit die Gesellschaft bisher seitens der Finanzverwaltung ertragsteuerrechtlich als Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG behandelt worden sein sollte, erzeugt dies jedoch keine Bindung für die Besteuerung zu Erbschaftsteuerzwecken.

Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers gegeben, bei der Stiftung & Co. KG steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen für erbschaftsteuerliche bzw. schenkungsteuerliche Zwecke zu schaffen. Dazu gehören neben der Ausübung eigener gewerblicher Tätigkeiten der Stiftung & Co. KG insb. aber auch deren Infizierung durch eine gewerbliche Beteiligung. Im Bereich der Vermögensverwaltung bietet sich dafür ein geschlossener Fonds (z.B. gewerblicher Private Equity-Fonds) an.

BFH v. 27.4.2022 – II R 9/20, ErbStB 2022, 253

Kein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG aufgrund Erbverzichts

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) beerbte seinen Großvater (Erblasser) gem. testamentarischer Verfügung zu 1/4. Weitere Erben neben dem Stpfl. waren seine Schwester sowie sein Onkel nebst dessen beiden Töchtern. Der Vater des Stpfl. hatte mit dem Erblasser unter Ausschluss des § 2349 BGB einen Erbverzichtsvertrag geschlossen. Aufgrund der durch diesen Vertrag ausgelösten Vorversterbensfiktion begehrte der Stpfl. mit der Erbschaftsteuererklärung, als Kind eines vorverstorbenen Kindes gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 ErbStG in die Erbschaftsteuerklasse I Nr. 2 mit einem Freibetrag von 400.000 € eingeordnet zu werden.

Dagegen behandelte das FA den Stpfl. als Kindeskind der Steuerklasse I Nr. 3 des § 15 Abs. 1 ErbStG, da sein Vater tatsächlich nicht vorverstorben war.

Das Niedersächsische FG hat die Klage abgewiesen.

Gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB können Verwandte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Er hat auch kein Pflichtteilsrecht.

Die zivilrechtlich in § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Gesetzgeber normierte Vorversterbensfiktion schlägt nicht auf eine entspr. Anwendung im ErbSt-Recht durch. Gegen die Gleichsetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmales „verstorbener Kinder“ in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit „als verstorben geltenden Kindern“ aufgrund der Vorversterbensfiktion des§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB spricht v.a. der Umstand, dass der nach § 2346 BGB Verzichtende nur auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet und somit weiterhin aufgrund gewillkürter Erbfolge zum Erben berufen werden kann. Für diesen Fall würde dann ebenso wie für den Fall von Schenkungen der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gelten. Damit ist denkbar, dass der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG doppelt in Anspruch genommen werden könnte, falls er auch der nachfolgenden Generation wegen der Vorversterbensfiktion gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB zugestanden werden würde. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber eine solche Doppelbegünstigung beabsichtigt hat.

16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist auch nicht i.S. einer Berücksichtigung des begehrten Freibetrags auszulegen. Nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steht der Freibetrag i.H.v. 400.000 € Kindern vorverstorbener Kinder zu. Der Wortlaut beinhaltet nicht den Zusatz, dass auch Kinder als vorverstorben geltender Kinder zu berücksichtigen seien. Er beschränkt sich damit nur auf tatsächlich vorverstorbene Kinder eines Erblassers.

Gegen eine anderweitige Auslegung des Wortlautes von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sprechen Sinn und Zweck der Regelung. Mit der gesetzlichen Regelung des Freibetrages i.H.v. 400.000 € hat der Gesetzgeber eine Vorgabe des BVerfG (BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, BVerfGE 93, 165) umgesetzt. Der Gesetzgeber war nämlich von Verfassung wegen gehalten, für einen Erhalt des Familienvermögens zu sorgen. Diesem Umstand begegnete der Gesetzgeber mit der Einführung des hier in Rede stehenden Freibetrages durch das JStG 1997 (BGBl. I 1996, 2049) i.H.v. zunächst 400.000 DM (später umgerechnet in Euro) und ab 1.1.2009 erhöht auf aktuell 400.000 €. Diesen Betrag qualifizierte der Gesetzgeber als wesentlichen Teil etwaigen Familienvermögens und stellte ihn durch die Einführung dieses Freibetrages im Fall der Übertragung auf die nächste Generation erbschaftsteuerrechtlich frei. Weder ist dem Beschluss des BVerfG noch einer Äußerung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine solche Freistellung auch für den Fall erbrechtlicher Gestaltungen beabsichtigt ist. In einem solchen Fall bestünde nämlich die Gefahr einer Überbegünstigung von Erben (vgl. oben).

Die vom Stpfl. begehrte Auslegung von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ergibt sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Die behauptete Verletzung des Art. 3 GG ist nicht gegeben. Es fehlt bereits an einer Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Der Kläger vergleicht in seiner Argumentation den Fall der Ausübung eines Gestaltungsrechts – eines Erbverzichts nach § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB – mit dem erbrechtlichen Regelfall tatsächlichen Vorversterbens und damit ungleiche Sachverhalte miteinander. Der Erwerb von Kindern tatsächlich vorverstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG führt immer zur Anwendung eines Freibetrags i.H.v. 400.000 €. In Fällen der lediglich aus einem Gestaltungsrecht resultierenden Vorversterbensfiktion gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dies generell nicht der Fall. Dies ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Stpfl. vorträgt, der Familienstamm nach seinem Onkel werde mit geringerer Erbschaftsteuer belastet als jener nach seinem Vater, so ist hierfür ursächlich, dass in dem einen Fall drei Erben, in dem anderen nur zwei Erben vorhanden sind. Die Erbschaft­steuer in Deutschland ist als Erbanfallsteuer konzipiert, die an den Erwerb des jeweiligen Erben anknüpft und nicht den Nachlass als solchen besteuert. Dies führt dazu, dass in Familienstämmen mit einer höheren Zahl von Erben auch insg. höhere Freibeträge gewährt werden.

Gegen die vorläufig nicht rechtskräftige Besprechungsentscheidung ist unter dem Az. II R 13/22 das Revisionsverfahren anhängig. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten.

Halten Sie vergleichbare Steuerfestsetzungen verfahrensrechtlich offen.

Niedersächsisches FG v. 28.2.2022 – 3 K 176/21 (Rev. II R 13/22), ErbStB 2022, 194

Welcher Freibetrag gilt für Urenkel*innen?

Das ErbStG (§§ 15, 16 ErbStG) enthält keine ausdrücklichen Regelungen für Urenkel*innen. Erwerbe von Urenkel*innen sind nach Steuerklasse I zu besteuern (Abkömmlinge der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Kinder und Stiefkinder). Unter § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallen Urenkel sowie die Eltern und Voreltern. Unter § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG fallen Enkel, soweit deren Eltern noch leben (Enkelfreibetrag 200.000 €), und unter § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Kinderfreibetrag 400 000 €), soweit die Eltern vorverstorben sind.

Der Freibetrag beträgt nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG grundsätzlich 100.000 € (übrige Personen der Steuerklasse I); ebenso BFH v. 27.7.2020 – II B 39/20 (AdV), BStBl. II 2021, 28 = EStB 2020, 477.

Die Besonderheit des Falles bestand hier darin, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Urenkelin (hier Stief-Urenkelin; insoweit stehen Stiefkinder, Stiefenkel usw. den Kinder gleich; siehe § 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG) von Uroma der Vater der Urenkelin (also der Enkel der Erblasserin) sowie auch dessen Mutter (also die Tochter der Erblasserin) schon verstorben waren. Die Klägerin begehrte in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG den höheren (Enkel-)Freibetrag über 200.000 €.

Das Niedersächsische FG hat entscheiden, dass Urenkel*innen auch bei Vorversterben beider vorangegangener Generationen keinen Anspruch auf einen höheren als den in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgesehenen Freibetrag haben. Der Enkelfreibetrag gilt nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gilt nur für Kinder der Kinder i.S.d. Steuerklasse nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Urenkel zählen nicht zu den dort genannten Kindern. Nach ausführlicher Urteilsbegründung sei es ausgeschlossen, dass die Erfassung aller Abkömmlinge in Stkl. I (§ 15 Abs. 1 Nr. 2-4 ErbStG) auch – in einer erweiterten Auslegung – zu einer Gleichstellung von Urenkeln mit Kindern in § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG führen müsse.

Es ist davon auszugehen, dass bis auf weiteres Urenkel*innen nur ein Freibetrag von 100.000 € gewährt wird. Im Zuge des allgemeinen Anstiegs der Lebenserwartung dürften auch häufiger Erwerbe von Urenkel*innen vorkommen. Der Freibetrag wird gewöhnlich von Amts wegen gewährt. Ohne Gesetzesänderung dürfte die gerichtliche Durchsetzung eines höheren Freibetrags statt des Freibetrages von 100.000 € bei Schenkungen/Erbanfällen der Urgroßeltern kaum aussichtsreich sein.

Allerdings hat das Gericht für den hier vorliegende Sonderfall, in dem die Eltern und Großeltern zum Zeitpunkt des Erbanfalls bereits verstorben waren/sind, die Revision zur Klärung der Frage, ob Urenkeln ein höherer als der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausgewiesene Freibetrag nach erweiterter Auslegung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG zusteht, zugelassen. Vergleichbare Fälle könnte offengehalten werden.

Zu Lebzeiten der Großeltern könnte eine „Verbesserung“ ggf. durch sog. Kettenschenkungen erreicht werden.

Nds. FG v. 28.2.2022 – 3 K 210/21 (rkr.), ErbStB 2022, 195

Abzug eines vor dem Tod des Erblassers fällig gewordenen Zugewinnausgleichsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit

Die Klägerin (Kl.) und der Erblasser waren zu beider Lebzeiten zunächst im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Im Jahr 2012 vereinbarten sie eine Gütertrennung einschl. einer in diesem Zusammenhang durch den Erblasser an die Kl. zu leistenden Zugewinnausgleichszahlung. In einem zeitgleich errichteten gemeinschaftlichen Testament setzten sich beide gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Der Zugewinnausgleichsanspruch sollte der Kl. für den Erbfall einen Anspruch auf Liquidität verschaffen, über den sie unabhängig von ihrer Stellung als Vorerbin alleine verfügen können sollte. Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2020 machte die Kl. in ihrer Erbschaftsteuererklärung die Zugewinnausgleichszahlung i.H.d. vereinbarten Nennbetrages als abzuziehende Verbindlichkeit geltend.

Das beklagte FA hielt diese Verbindlichkeit aus der Beendigung des Zugewinns als Nachlassverbindlichkeit nicht für abzugsfähig. Der Vertrag über die Beendigung des Zugewinns sei bereits im Jahr 2012 geschlossen worden. Bis zum Tod des Erblassers seien darauf keine Zahlungen erfolgt, so dass der Erblasser nicht mehr mit einer Inanspruchnahme seitens der Kl. habe rechnen müssen. Im Ergebnis sei der Erblasser mit der Forderung nicht wirtschaftlich belastet gewesen. Dagegen erhob die Kl. Klage beim FG.

Das FG hat der Klage der Kl. stattgegeben und entschieden, dass ein vor dem Tod des Erblassers fällig gewordener Zugewinnausgleichsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, sofern im Einzelfall die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Belastung i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gegeben sind.

Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten i.R.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setze als teleologisch begründetes Korrektiv voraus, dass sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Zu diesem Zeitpunkt sei im Fall des Erblassers die wirtschaftliche Belastung durch den Zugewinnausgleichsanspruch als gegeben anzusehen. Bei objektiver Würdigung der Verhältnisse war damit zu rechnen, dass die Kl. diesen Anspruch geltend machen werde. Der Anspruch sollte die Kl. beim Tod des Ehemannes absichern und sei daher nicht zu dessen Lebzeiten geltend gemacht worden. Zudem sei der Anspruch im Todeszeitpunkt zivilrechtlich auch noch nicht verjährt gewesen, da die Verjährung bis zum Zeitpunkt des Erbfalls gehemmt sei. Auch habe es an einem durch die berechtigte Ehefrau gesetzten Vertrauenstatbestand gefehlt, aufgrund dessen der Erblasser davon hätte ausgehen dürfen, dass die Kl. den Zugewinnausgleichsanspruch nicht mehr geltend machen würde, so dass auch eine zivilrechtliche Verwirkung gem. § 242 BGB ausscheide.

Zugewinnausgleichsanspruch und wirtschaftliche Belastung: Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten setzt nach st. Rspr. des BFH voraus, dass sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Daran fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse in diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden konnte, dass der Gläubiger seine Forderung geltend machen werde. Das Merkmal der wirtschaftlichen Belastung ist ein teleologisch begründetes Korrektiv. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verlangt seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich danach. Bei objektiver Würdigung der Verhältnisse muss zum Zeitpunkt des Todes des Ehepartners damit zu rechnen sein, dass dieser Anspruch geltend gemacht wird.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine wirtschaftliche Belastung liegt insb. dann vor, wenn damit dem Erben unter Liquiditätsaspekten finanzielle Mittel für die Zeit nach dem Erbfall zur Verfügung gestellt werden sollen. Alleine aus dem Umstand, dass der berechtigte Erbe zu Lebzeiten sich hinsichtlich der Geltendmachung von einzelnen Teilforderungen nicht an die vereinbarten Fälligkeitstermine gehalten hat, folgt jedenfalls nicht der Ausschluss der Annahme der wirtschaftlichen Belastung. Es besteht kein Erfordernis dahingehend, dass der Gläubiger des Zugewinnausgleichsanspruchs die Leistung bei einer zeitlich hinausgeschobenen Fälligkeit unmittelbar bei Eintritt der Fälligkeit verlangt.

Die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist gem. § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB von Anfang an gehemmt, solange die Ehe besteht, d.h. bis zum Tod des Ehepartners (vgl. § 1482 BGB). Dementsprechend beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gem. § 187 Abs. 1 BGB an dem auf den Todestag folgenden Tag, und endete drei Jahre später nach § 188 Abs. 2 BGB.

Der durch das FG Münster behandelte Sachverhalt zeigt, dass der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch bei Beendigung der ehelichen Zugewinngemeinschaft zu Lebzeiten ein interessantes Gestaltungsmodell für die steuerliche Beratungspraxis ist. Grund dafür ist neben der steuerfreien Zuwendung des Ausgleichsanspruchs an den Ehepartner die in Abhängigkeit vom Einzelfall zusätzlich bestehende Möglichkeit diesen Anspruch als Belastung des Nachlasses zum erbschaftsteuerlichen Abzug zu bringen.

Die Entscheidung des FG verdeutlicht die Notwendigkeit in der Gestaltung darauf zu achten, dass sich die Verbindlichkeit aus Sicht des Erblassers tatsächlich auch als eine wirtschaftliche Belastung für dessen Nachlass darstellen muss. Es dürfte nicht überraschen, wenn die Finanzverwaltung i.R. eines Jahressteuergesetzes dafür sorgen sollte, diese Gestaltungsmöglichkeit zukünftig auszuschließen.

FG Münster v. 24.2.2021 – 3 K 1298/21 Erb (rkr.), ErbStB 2022, 167

Sonderausgabenabzug von Versorgungsleistungen – Erbfall nach Höfe-Ordnung

Der Vater (V) der Klägerin (Kl.) war Inhaber eines in die Höferolle eingetragenen landwirtschaftlichen Betriebs. V setzte die Kl. durch Testament als alleinige Erbin des Hofes ein. Hinsichtlich des übrigen Vermögens erfolgten keine Bestimmungen. Nach dem Tod des V wurden seine Erben M zu ½ und die Kl. sowie ihre 3 Geschwister zu je 1/8. Der Hof ging im Wege der Sondererbfolge (§§ 14 ff. HO-RhPf) allein auf die Kl. über. Fünf Monate nach dem Tod des V übertrug M der Kl. unentgeltlich ein ursprünglich zum Hof gehörendes Grundstück, da sie zuvor zu Lebzeiten des V von diesem unentgeltlich erhalten hatte. Gleichzeitig schlossen die Erbinnen einen Vertrag über die Abfindung von Pflichtteilsansprüchen und legten diese unter Zugrundelegung des Ertragswerts des Hofes betragsmäßig fest. Weiterhin verpflichtete sich die Kl., ihrer Mutter ab Juli 2012 einen wertgesicherten Betrag monatlich als dauernde Last zu zahlen, sie bei Krankheit etc. im zumutbaren Rahmen (bis Pflegestufe 1) zu pflegen und ihr ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an einer bestimmten Wohnung einzuräumen.

Die Kl. machte die in den Jahren 2012 bis 2014 an M gezahlten Barleistungen als Sonderausgaben geltend, da sich aus § 23 Abs. 2 HO-RhPf eine gesetzliche Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen bereits mit dem Erbfall ergebe und lediglich der Höhe nach nachträglich konkretisiert worden sei. Dies lehnte das FA ab, weil die Versorgungsleistungen nicht gleichzeitig mit der Regelung der Hofübergabe im Testament des V angeordnet worden seien. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH hat der Revision der Kl. stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Versorgungsleistungen als Sonderausgaben: Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind Versorgungsleistungen unter den dort genannten Voraussetzungen als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen behält sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen Erträge seines Vermögens vor, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Sind die zugesagten Leistungen nicht als vorbehaltene Nettoerträge des Vermögens darstellbar, sind sie als Unterhaltsleistungen nicht abziehbar.

Die steuerliche Anerkennung dieser regelmäßig zwischen nahen Angehörigen abgeschlossenen Verträge erfordert, dass der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung klar und eindeutig vereinbart werden, und zwar zu Beginn des Rechtsverhältnisses oder bei dessen Änderung für die Zukunft. Die Versorgungsleistungen müssen also grundsätzlich im Übergabevertrag selbst vereinbart werden.

Keine testamentarische Anordnung der Versorgungsleistungen im Streitfall: § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist aber auch dann anwendbar, wenn die Versorgungsleistungen nicht vertraglich vereinbart werden, sondern dem Vermögensübernehmer in dem Testament, das den Übergang des ertragbringenden Vermögens anordnet, auferlegt werden. Dann erhält der Versorgungsempfänger statt seines gesetzlichen Erbteils zur Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem an sich ihm zustehenden Vermögen. Bei den Zahlungen darf es sich aber nicht um eine Verrentung des Erbteils handeln.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht erfüllt, weil das Testament des V der Kl. keine Versorgungsleistungen auferlegt. Diese hat die Kl. erst aufgrund einer nachträglichen Vereinbarung mit M gezahlt, die aber wiederum nicht die erforderliche Vermögensübergabe auf die Kl. enthielt.

Pflicht zu Versorgungsleistungen nach § 23 HO-RhPf erfüllt den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1a: Mangels anderer Bestimmung hat der überlebende Ehegatte nach Übergang des Hofes auf den Hoferben gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 HO-RhPf Anspruch auf eine angemessene Versorgung („Wohnung, Unterhalt“) auf dem Hofe, deren Höhe die soziale Unabhängigkeit des Altenteilers gewährleisten soll, aber die Leistungsfähigkeit des Hofes nicht überschreiten darf. Damit begründet diese Norm einen Anspruch des überlebenden Ehegatten gegen den Hofübernehmer auf Versorgungsleistungen aus dem Hof und damit den in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG genannten „besonderen Verpflichtungsgrund“.

Der bei vertraglichen Vereinbarungen erforderliche Rechtsbindungswille der Parteien wird hier durch eine gesetzliche und damit von vornherein bindende und unausweichliche Verpflichtung zur Erbringung entspr. Versorgungsleistungen ersetzt. V hat in seinem Testament die Anwendung dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht gem. § 22 HO-Rhpf. ausgeschlossen.

Der o.g. gesetzliche Anspruch beinhaltet keinen Unterhaltsanspruch, auch wenn im Klammerzusatz des § 23 Abs. 2 Satz 1 HO-RhPf der Begriff „Unterhalt“ erwähnt wird; zugleich wird dort aber mehrfach der Begriff „Altenteil“ bzw. „Altenteiler“ verwendet, so dass es sich um einen klassischen Altenteils- und Versorgungsanspruch handelt, weil dem überlebenden Ehegatten kraft Gesetzes Erträge des auf den Nachfolger übergegangenen Hofes vorbehalten werden. Dies folgt auch aus der ausdrücklichen Begrenzung der Ansprüche auf die „Leistungsfähigkeit des Hofes“.

Die Höhe der Altenteilsleistungen wird durch § 23 Abs. 2 und 3 HO-RhPf geregelt („Angemessenheit“, „der örtliche Brauch“, „Gewährleistung der sozialen Unabhängigkeit des Altenteilers“, „Leistungsfähigkeit des Hofes“). Diese Regelung ist hinreichend bestimmt, so dass sie auch der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Ähnliche unbestimmte Rechtsbegriffe finden sich z.B. in § 23 Abs. 4 Satz1 HO-RhPf, in § 1610 Abs. 1, § 1603 BGB oder § 323 ZPO. Die Altenteilsleistungen können daher nicht in beliebiger Höhe vereinbart werden. Vielmehr setzt der Abzug der Leistungen als Sonderausgaben voraus, dass diese den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO-RhPf entsprechen. Ist dies nicht der Fall, müssen davon abweichend vereinbarte höhere Leistungen für die steuerliche Anerkennung bereits im Übergabevertrag oder im Testament geregelt werden.

Bei Anwendung der HO-RhPf ist für die Erlangung des Sonderausgabenabzugs ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche nicht erforderlich. Vielmehr hat auch der überlebende Ehegatte gegen den Hoferben den erbteilersetzenden Geldanspruch nach § 21 HO-RhPf, der seiner Art nach ein besonderer Pflichtteilsanspruch ist. Der in § 23 HO-RhPf geregelte Altenteilsanspruch wird ausdrücklich als „Weiterer Anspruch des überlebenden Ehegatten“ bezeichnet, tritt also zu dem pflichtteilsähnlichen Geldanspruch, der sich am Ertragswert des Hofes orientiert, hinzu. Vorhandenes ursprüngliches oder geerbtes Vermögen des überlebenden Ehegatten wirken sich insoweit auf die Höhe der Altenteilsleistungen aus, als „die soziale Unabhängigkeit des Altenteilers“ im Einzelfall bereits hierdurch ganz oder teilweise gewährleistet sein kann, so dass Altenteilsleistungen entspr. zu mindern sind.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nach dem Tod des V getroffene Vereinbarung lediglich der für den jeweiligen Einzelfall erforderlichen Konkretisierung der bereits in § 23 Abs. 3 HO-RhPf enthaltenen gesetzlichen Regelung über die Höhe des Versorgungsanspruchs dienen sollte. Sie nimmt ausdrücklich Bezug auf den übergegangenen Hof, indem dessen Ertragswert ermittelt wird. Die Hoferbfolge ist zudem vertraglich erwähnt. Es wurden Leistungen als typische Altenteilsleistungen (Wohnung, Barzahlung, Pflegeleistungen) vereinbart. Der zwischen dem Erbfall und der Vereinbarung liegende Zeitraum von fünf Monaten ist hier unschädlich, da zwischenzeitlich Wertgutachten eingeholt werden mussten. Das FG wird im zweiten Rechtszug ausdrücklich feststellen müssen, ob die vereinbarten Leistungen den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO-RhPf entsprechen und ob diese aus den Nettoerträgen des übergebenen Vermögens erbracht werden können. Ferner ist zu prüfen, ob die Leistungen in vollem Umfang den gesetzlichen Altenteilsanspruch der M konkretisieren oder ob sie anteilig auch auf der zeitgleich vorgenommenen Übertragung des Grundstücks beruhen und daher insoweit nicht abziehbar wären.

Das Urteil ist für alle Fälle bedeutsam, in denen bei Hoferbfolge die Höfe-Ordnung des jeweiligen Bundeslandes gesetzliche Altenteilsansprüche regelt. Auch nachträgliche Vereinbarungen, die diese Ansprüche konkretisieren, führen zu abzugsfähigen Versorgungsleistungen, soweit diese den Vorgaben der Höfe-Ordnung entsprechen.

Gehört zum Nachlass ein landwirtschaftlicher Hof, dessen Erbnachfolge durch eine Höfe-Ordnung geregelt wird, müssen sich Vereinbarungen des Hoferben mit den anderen Erben über die Höhe der Abfindungen und evtl. Versorgungsleistungen nach den gesetzlichen Vorgaben richten. Diese Vereinbarung muss nicht rückwirkend ab dem Erbfall gelten, da den Erben ein zeitlicher Spielraum für deren Abschluss zusteht. Dies kann auch in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Erbfall erfolgen. Höhere Leistungen müssen entweder bereits im Übergabevertrag oder testamentarisch geregelt sein.

BFH v. 16.6.2021 – X R 4/20, ErbStB 2022, 128