Erpressung

Dürfen die Medien über die Erpressung eines Prominenten berichten? Man sollte meinen: ja. Die Begehung einer Erpressung gem. §253 StGB, noch dazu gegenüber einer Person des öffentlichen Lebens, gehört zum Zeitgeschehen, das in aller Regel Gegenstand legitimer Medienberichterstattung ist. Macht sich jemand durch ein bestimmtes, in der Regel von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten erpressbar, und macht sich ein Dritter dies im Wege einer Erpressung oder auch nur eines Erpressungsversuchs zur Durchsetzung von der Rechtsordnung ebenfalls missbilligter Forderungen zunutze, dann liegen zwei unterschiedliche Handlungsstränge vor, über die die Medien werden berichten dürfen, sofern dem nicht im Einzelfall Schranken entgegenstehen, die die Rechtsprechung nach den im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelten Grundsätzen für die Verdachtsberichterstattung und die Berichterstattung über begangene Straftaten entwickelt hat. Der prominente Erpresste wird solche Berichterstattung jedenfalls als Verdachtsberichterstattung, der Erpresser wird sie als Berichterstattung über eine begangene Straftat in der Regel hinzunehmen haben. Das gilt aber nicht, wenn Gegenstand einer Erpressung Handlungen des Erpressten sind, die zwar nicht zur Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit bestimmt, die aber rechtlich nicht missbilligt und insbesondere nicht strafbar sind. Das hat der BGH (VI ZR 360/18, Urteil vom 30.4.2019) kürzlich deutlich klargestellt. Im entschiedenen Fall hatte eine bekannte Sängerin intime Bildaufnahmen von sich selbst hergestellt, die Gegenstand eines Datendiebstahls und von den Tätern unter Identifizierung der Betroffenen ins Internet hochgeladen wurden. Als Voraussetzung für die Entfernung der Fotos verlangten die unbekannten Täter die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags durch die Betroffene. Hierüber berichtete die Internetplattform Bild.de unter voller Nennung des Namens der Betroffenen und Wiedergabe der Erpresserschreiben, aber ohne Wiedergabe der infrage stehenden Aufnahmen oder auch nur einer von ihnen. Da Bild.de aber den Namen der Betroffenen veröffentlichte, waren die Bilder für interessierte Leser durch eine einfache Internetrecherche auffind- und damit einsehbar. Die von der Betroffenen angestrengte Unterlassungsklage hat im Berufungsverfahren das OLG abgewiesen, das diese Art der Berichterstattung für zulässig hielt. Der BGH hat ihr, wie mir scheint zu Recht, stattgegeben. Zwar sind die Herstellung intimer Aufnahmen durch die Betroffene selbst und die Einstellung dieser Aufnahmen in einen elektronischen Datenspeicher nichts, was die Rechtsordnung missbilligt. Das Erpressungspotential des Datendiebs ist damit vergleichsweise gering. Es handelt sich aber doch um einen Vorgang im Grenzbereich zwischen der Intim- und Privatsphäre der Betroffenen, der durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gegen die Kenntnisnahme oder Verbreitung durch Dritte und damit auch durch die Medien geschützt ist. Dieses Recht verletzt nicht nur, wer die unrechtmäßig beschafften Bilder selbst weiterverbreitet, sondern auch das Medium, das durch die Art seiner Berichterstattung eine Ursache dafür setzt, dass Dritte sie zur Kenntnis nehmen können. Dass jeder Nutzer des Internet heutzutage damit rechnen muss, dass Inhalte von Dritten gekapert und missbraucht werden, kann, wie der BGH ebenfalls zu Recht annimmt, an diesem Ergebnis nichts ändern.

Mit der hier angesprochenen Kommunikationsform der Verdachtsberichterstattung befasst sich die 6. Auflage unseres „Presserecht“ im Detail in Rz. 16.48 ff.; zur Berichterstattung über Straf- und Ermittlungsverfahren vgl. ebendort Rz. 19.69 ff, zur Intim- und Privatsphäre Rz. 19.12:ff., 19.23 ff.

Afghanistan-Papiere

Eine stets neue Herausforderung für die Medien ist die Auslotung der Veröffentlichungsschranken, die sich im Hinblick auf Texte Dritter aus den Bestimmungen des Urheberrechts ergeben. Ein prominenter Testfall für diese Problematik ist der Streit zwischen der Funke Mediengruppe und der Bundesregierung um die Veröffentlichung wöchentlich erscheinender Lageberichte der Bundesregierung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die zur Unterrichtung des Parlaments als Verschlusssache der niedrigsten Geheimhaltungsstufe an einzelne Abgeordnete des Bundestags sowie an Referate des Bundesverteidigungsministeriums verschickt werden. Derartige Berichte wurden der Funke Mediengruppe zugespielt und von dieser unter der Bezeichnung Afghanistan-Papiere auf einem Internetportal ohne redaktionell-inhaltliche Auseinandersetzung, jedoch versehen mit einem Einleitungstext, weiterführenden Links und mit der Einladung zur interaktiven Partizipation auszugsweise veröffentlicht. Die Bundesregierung sah hierin einen Eingriff in die von ihr wahrgenommenen Urheberrechte der Verfasser und nahm den Verlag vor den Kölner Gerichten auf Unterlassung in Anspruch, die der Klage beiden Instanzen mit der Begründung stattgaben, die Texte seien urheberrechtlich geschützt und einer der Ausnahmetatbestände des § 51 UrhG liege nicht vor. Der von Funke Medien angerufene BGH hat den Fall im Weg des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH verwiesen und diesem im Wesentlichen die Frage vorgelegt, ob die der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 c) und Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft dienenden §§ 50, 51 UrhG den deutschen Gerichten einen Umsetzungsspielraum belassen und ob und in welcher Weise die deutschen Gerichte bei der Bestimmung der Tragweite der die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber einschränkenden Bestimmungen der §§ 50, 51 UrhG die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere deren der Sicherung der Meinungs- und Medienfreiheiten dienenden Art. 11 berücksichtigen können (BGH ZUM 2017,  753). Der BGH hat dabei unterstellt, dass die Texte der Afghanistan-Papiere urheberrechtlich geschützt sind und es für die Entscheidung darauf ankommt, ob ihre Veröffentlichung durch Funke Medien bei richtlinienkonformer Auslegung durch den Ausnahmetatbestand der Berichterstattung über Tagesereignisse gem. § 50 oder durch eines der Zitierrechte des § 51 UrhG  gerechtfertigt sein kann.

Hierzu liegt nun mit Urteil v. 29.7.2019 (C-469/17) die Entscheidung des EuGH vor, mit der er, entsprechend  dem Institut der Vorabentscheidung, zwar nicht in der Sache selbst entscheidet, wohl aber für das deutsche Urheberrecht wichtige Weichenstellungen vornimmt. Entsprechend der im deutschen Urheberrecht ohnehin geltenden Auffassung ist der Katalog der Ausnahmetatbestände vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers in Art. 5 RL 2001/29/EG abschließend. Die Gerichte dürfen ihn nicht um zusätzliche, nicht im Gesetz vorgesehene Ausnahmen erweitern. Wo eine Berufung auf §§ 50, 51 UrhG nicht in Betracht kommt, können die Medien Eingriffe in Urheberrechte Dritter folglich nicht allein mit einer Berufung auf die Kommunikationsgrundrechte der Grundrechtecharta, des Art. 10 EMRK oder von Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen.

Der EuGH nimmt dennoch zwei für die vorliegende Konstellation bedeutsame Weichenstellungen vor. Zum einen ist schon bei der Auslegung der §§ 2 Abs. 1,  5 Abs. 2 UrhG der Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte angemessen Rechnung zu tragen. Hier stellt sich die Frage, ob es sich bei den von einer staatlichen Behörde ausschließlich zum Gebrauch durch Angehörige des Bundestags und andere staatliche Stellen erstellten Informationsschreiben um Sprachwerke i.S.v. § 2  UrhG handelt oder um gemeinfreie verschriftlichte Äußerungen im Anwendungsbereich von § 5 UrhG. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich auf den mangelnden Werkcharakter der Dokumente berufen, der BGH hat deren Werkeigenschaft unterstellt. Der EuGH entscheidet diese Frage nicht, da sie bei richtlinienkonformer Auslegung der urheberrechtlichen Bestimmungen nach nationalem Recht zu entscheiden ist. Er weist aber mehr als deutlich darauf hin, dass die als Afghanistan-Papiere veröffentlichten Dokumente nicht als eigene geistige Schöpfung des oder der Urheber anzusehen sein dürften. Die deutschen Gerichte werden dies unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH neu zu bedenken und abschließend zu entscheiden haben. Es liegt m. E. mehr als nahe anzunehmen, dass die Klage der Bundesrepublik Deutschland am Ende schon an diesem Wegpunkt scheitern muss.

Wichtiger aber ist die zweite Weichenstellung im Urteil des EuGH. Selbst wenn man vom Werkcharakter der Dokumente auszugehen hätte, wären die Einschränkungen des Ausschließlichkeitsrechts des oder der Verfasser in §§ 50, 51 UrhG im Lichte der Kommunikationsgrundrechte des veröffentlichenden Verlags ihrerseits einschränkend zu interpretieren. Das Instrument der Abwägung zwischen den Kommunikationsgrundrechten und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines von Medienberichterstattung Betroffenen, das das deutsche Äußerungsrecht seit langem prägt, hält mit dieser Entscheidung des EuGH Einzug nun auch ins Urheberrecht. Den Grundrechten der Meinungs- und Medienfreiheiten ist bei der Auslegung der Tatbestände der §§ 50, 51 UrhG angemessen Rechnung zu tragen, und der EuGH deutet, bezogen auf den Ausgangsfall, mit Recht an, dass es sich bei der Veröffentlichung der Afghanistan-Papiere in der vorliegenden Form um eine nach § 50 UrhG zulässige Nutzung im Rahmen einer Berichterstattung über Tagesereignisse handeln wird. Man darf gespannt sein, auf welcher Ebene der BGH den Ball aufnehmen wird, den ihm der EuGH in dieser wegweisenden Entscheidung zugespielt hat.

Journalistische Zwecke im Mediendatenschutz

Das Thema der Auswirkungen der im Mai letzten Jahres in Kraft getretenen DSGVO auf die unterschiedlichsten Aspekte des Presse- und Medienrechts hat neben anderen kürzlich den Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit auf seiner Mainzer Tagung am 5.7.2019 beschäftigt (Referate und Tagungsbericht demnächst im Heft). An dieser Stelle ist es nicht möglich, die dort erörterte Vielzahl der Fragen auch nur anzureißen, die sich auf der Basis der DSGVO in der Schnittstelle zwischen Datenschutz- und Medienrecht ergeben. In einem Punkt hat der EuGH (Urteil vom 14.2.2019; GRUR 2019, 760 – Buivids/Datu valsts inspekcija) freilich bereits Klarheit geschaffen: Der Fall betrifft einen Video-Film, den der lettische Staatsbürger Buivids von seiner polizeilichen Vernehmung im Rahmen eines gegen ihn selbst eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf der Dienststelle der Ermittlungsbehörde gefertigt und anschließend über die Website www.youtube.com einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Die lettische Datenschutzbehörde sah in dieser Veröffentlichung eine Verletzung einer persönlichkeitsschützenden Bestimmung des dortigen Datenschutzgesetzes und ordnete die Löschung des Videos auf YouTube und anderen Websites an. Rechtsbehelfe von Buivids blieben vor den lettischen Instanzgerichten ohne Erfolg, bis der Oberste Gerichtshof Lettlands den Fall im Wege eines Vorlagebeschlusses dem EuGH vorgelegt hat. Der Vorfall ereignete sich und die Entscheidungen der lettischen Gerichte ergingen noch vor Inkrafttreten der DSGVO und damit im Geltungsbereich des nationalen lettischen Datenschutzgesetzes und der Richtlinie 95/46 EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verwendung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr – beides Normwerke, die mit dem Inkrafttreten der DSGVO ihre Geltung verloren haben, die allerdings auch der EuGH seinem nach Inkrafttreten der DSGVO ergangenen Urteil noch zugrundezulegen hatte. Dennoch ist dieses Urteil für einen spezifischen Teilbereich des Konflikts zwischen Datenschutz und Medienfreiheiten im Rahmen der DSGVO prägend. Wie die Ermächtigungsnorm des Art. 85 Abs. 2 DSGVO zur Schaffung von Bereichsausnahmen für u.a. die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken durch die nationalen Normsetzer enthielt schon Art. 9 RL 95/46 EG eine Privilegierung der Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn sie allein zu journalistischen Zwecken erfolgteIn seinem noch zum alten Recht, aber nach Inkrafttreten der DSGVO ergangenen Buivids-Urteil bestätigt nun der EuGH die im deutschen Recht ohnehin herrschende Auffassung, dass der Begriff zu journalistischen Zwecken im weitest möglichen Sinn zu verstehen ist. Dass Buivids kein Berufsjournalist ist, ist nach Auffassung des EuGH ebenso irrelevant wie die Tatsache, dass er das Video der Öffentlichkeit nicht auf einem spezifisch journalistischen Verbreitungsweg zugänglich gemacht hat, da YouTube nicht als klassisches, dem Journalismus dienendes Medienunternehmen gelten kann. Ausreichend für die Feststellung eines journalistischen Zwecks ist nach Auffassung des EuGH allein die Frage, ob es der alleinige Zweck des Videos ist, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Der EuGH verweist den Fall wegen dieser Frage an das vorlegende lettische Gericht zurück. Es gehört aber nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass sie bei einem Video, das sich mit einem Verhör staatlicher Ermittlungsbehörden und den darin angewandten Methoden befasst, zu bejahen ist. Festzuhalten ist damit auch für den heute maßgeblichen Anwendungsbereich der DSGVO: Wo es um Kommunikationsformen jedweder Art geht, die der Information der Öffentlichkeit über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse dienen, greift die Bereichsausnahme des Art. 85 ABS. 2 DGVO. Hier ist nicht das Datenschutz-, sondern das nationale Medien- und Äußerungsrecht gefragt.

Mit den bisher erkennbaren Auswirkungen der DSGVO auf das Presse- und Medienrecht befasst sich die 6. Auflage unseres “Presserecht”  summarisch in Rz 1.25 ff.

 

Augenmaß beim Unterlassungsanspruch

Die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG hatte kürzlich für den Bereich des Grundrechts der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG über eine Konstellation zu entscheiden, die auch im Rahmen der Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art 10 EMRK nicht selten zu Kontroversen führt (BVerfG 1 BvR 1738/16, GRUR 2019, 757 – Märchenbilder). Eine Künstlerin hatte mit Einwilligung der damals noch minderjährigen Betroffenen und ihrer gesetzlichen Vertreter ein Porträt der Betroffenen angefertigt und es später, ohne erneute Einwilligung, neben anderen Porträts in einer Ausstellung gezeigt, die den Themen Missbrauch, GewaltVerlassenheit und Sehnsucht gewidmet war. Die im Wege der Unterlassungsklage angerufenen Zivilgerichte sahen es wohl mit Recht als einen Eingriff in die durch Art. 1 GG geschützte Würde der Betroffenen an, dass durch die Zurschaustellung des Porträts in der den genannten Themen gewidmeten Ausstellung der Eindruck erweckt wurde, sie sei persönlich Opfer eines Missbrauchs oder einer anderen Gewalttat geworden. Entsprechend dem Antrag der Betroffenen untersagten sie es der Künstlerin, das Porträt künftig in jeglicher Form Dritten gegenüber öffentlich zu machen oder zu  verbreiten. Die Künstlerin wird durch dieses Verbot mithin daran gehindert, das von ihr geschaffene Werk in einem anderen, unverfänglichen Kontext zur Schau zu stellen. Durch dieses umfassende Verbot ist die auch für das Recht am eigenen Bild relevante Frage nach dem zulässigen Umfang des Veröffentlichungsverbots aufgerufen. Denn die Dinge liegen im Konfliktfeld zwischen der Menschenwürde des Einzelnen und der Kunstfreiheit nicht anders als im Rahmen des Konflikts zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Verletzten und insbesondere seinem Recht am eigenen Bild einerseits und den genannten Medienfreiheiten andererseits. Hier wie dort geht es um die bedeutsame Frage, ob Verletzte und Gerichte der einer konkreten Situation zuzuordnenden Verletzung ihrer Rechte durch den Künstler oder etwa einen Zeitschriftenverlag mit einem sogenannten Gesamtverbot begegnen können, mithin einem vorbehalt- und ausnahmslosen Verbot der künftigen Verbreitung des in Rede stehenden Bildes. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH ist diese Frage zu verneinen. Insbesondere das OLG Hamburg erlässt demgegenüber ein Gesamtverbot und rechtfertigt es mit der Erwägung, es unterliege im Hinblick auf die Grundrechte des Verletzers aus Art. 5 Abs. 1 oder auch Abs. 3 einer immanenten Schranke und greife nicht, wenn der Veröffentlichung im Hinblick auf die konkrete Situation keine höherwertigen Belange des Abgebildeten entgegenstehen. Mit dieser Auffassung mutet das OLG Hamburg den Medien mithin das Risiko zu, mit einer neuerlichen Vereöffentlichung des Bildes in einem anderen Kontext gegen ein gerichtliches Verbot zu verstoßen. Dieser Kontroverse dürfte der „Märchenbilder“- Beschluss des BVerfG nun ein Ende setzen. Das Gericht sieht in dem gerichtlichen Verbot mit Recht insoweit einen verfassungswidrigen Eingriff in die Grundrechtsposition der Künstlerin, als es sich nicht auf die Zurschaustellung des Bildes in der in Rede stehenden konkreten Situation beschränkt. Wie in allen anderen Bereichen auch ist damit der gegen eine Bildnisveröffentlichung gerichtete Unterlassungsanspruch auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken. Ein Verletzter, der in einem gerichtlichen Verfahren künftig noch ein Gesamtverbot beantragt, wird damit keinen Erfolg mehr haben können und obendrein die durch den Verbotsexzess entstehenden Verfahrenskosten zu tragen haben.

Mit der hier insbesondere angesprochenen Frage des Umfangs äußerungsrechtlicher Unterlassungsgebote befasst sich die 6. Auflage unseres “Presserecht“  in Rz. 30.55 ff.

„Klickköder“

Das deutsche Äußerungsrecht kennt eine neue Rechtsfigur: den dem englischen „click baiting“ entlehnten „Klickköder“. Das OLG Köln hatte in einer Entscheidung vom 28.5.2019 (15 U 160/18) einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem eine Zeitschrift Porträtfotos von vier Prominenten als Aufmacher einer Online-Meldung darüber nutzte, dass einer der Abgebildeten an Krebs erkrankt sei und sich deswegen aus der Öffentlichkeit zurückziehen müsse, ohne zu offenbaren, auf welchen der Abgebildeten das zutreffe. Der hier klagende Prominente, dem das OLG einen überragendem Markt- und Werbewert attestiert, war unstreitig nicht erkrankt und wurde im Text der Meldung auch nicht erwähnt. Die Veröffentlichung seines Fotos konnte daher nur den Zweck haben, Besucher des betreffenden Online-Portals dazu zu animieren, die dahinter liegende Meldung anzuklicken, um herauszufinden, auf welchen der Abgebildeten sie sich bezog. Das OLG hat dem Kläger eine als Lizenzgebühr qualifizierte Entschädigung von 20.000 Euro zugesprochen und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen. Dass die Veröffentlichung des Fotos u. a. des hier klagenden Prominenten eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild aus §§ 22, 23 KUG darstellt, kann unter Berücksichtigung des bekannt gewordenen Sachverhalts nicht zweifelhaft sein. Auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens müssen eine einwilligungslose Verbreitung ihres Bildnisses nur tolerieren, wenn ein jedenfalls entfernter funktionaler Zusammenhang mit einem weit verstandenen zeitgeschichtlichen Ereignis und der Funktion besteht, die dem Betroffenen dabei zukommt. Fragen können sich daher erst auf der Ebene der Rechtsfolgen ergeben. Das OLG hat dem betroffenen Prominenten ausdrücklich nicht die bei einer schwerwiegenden Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seines Rechts am eigenen Bild in erster Linie in Betracht kommende Geldentschädigung zuerkannt; was nahe gelegen hätte, stellt doch die durch nichts gerechtfertigte Behauptung, ein Prominenter mit einem überragenden Werbewert müsse sich wegen einer Krebserkrankung zurückziehen, ohne Frage eine schwerwiegende Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Das OLG Köln spricht dem Betroffenen stattdessen eine Lizenzgebühr zu und rückt den Vorgang in die Nähe einer Veröffentlichung zu Werbezwecken. Hier aber regen sich Zweifel. Denn der Einsatz eines Bildes als Hinweis auf einen im selben Zusammenhang veröffentlichten eigenen redaktionellen Beitrag kann nach der bisher unangefochtenen Auffassung des BGH nicht als Werbung qualifiziert werden. Das OLG aber scheint das Tor öffnen zu wollen, das unter dem rechtlichen Aspekt der Lizenzgebühr dem zu Unrecht Abgebildeten dann verschlossen ist, wenn die Abbildung zu – möglicherweise auch zu missbilligenden – redaktionellen Zwecken erfolgt. Dass es mit dieser Entscheidung die etablierte Abgrenzung zwischen den Rechtsfolgen rechtswidriger redaktioneller Berichterstattung und unerlaubter Ausnutzung vermögenswerter Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild aufhebt, dürfte es, wie die Zulassung der Revision zu belegen scheint, selbst gesehen haben. Man darf gespannt sein, ob der BGH diesen Weg mitgehen oder dem hier verletzten Betroffenen eine persönlichkeitsrechtlich fundierte Geldentschädigung zusprechen wird.

Mit der hier insbesondere angesprochenen Abgrenzung von redaktioneller Arbeit und Werbung befasst sich die 6. Auflage von „Presserecht – Recherche, Darstellung und Haftung im Recht der Presse, des Rundfunks und der neuen Medien“ im Detail in § 24; zu den vermögensrechtlichen Aspekten des Rechts am eigenen Bild dort § 13 Rz. 20 ff.

Das Ende von Babycaust?

Kaum eine veröffentlichte Überzeugung hat die Gerichte in den letzten Jahren so intensiv beschäftigt wie die u.a. auf der Anti-Abtreibungs-Website Babycaust veröffentlichten Angriffe eines Einzelnen gegen Ärzte, die im Rahmen der Rechtsordnung auf Wunsch der Mütter Abtreibungen vornehmen. In einer Entscheidung vom 26.11.2015 hatte der EGMR Entscheidungen deutscher Gerichte als Verletzung des Rechts des damaligen Beschwerdeführers auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 Abs. 1 EMRK bezeichnet, mit denen diesem die Verbreitung von Flugblättern untersagt wurde, auf denen namentlich genannten Ärzten vorgeworfen wurde, mit der Tötung ungeborenen Lebens Morde zu begehen, und auf denen legale Abtreibungshandlungen mit den Morden in Auschwitz gleichgesetzt wurden. Der Verfasser hatte in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Vorwürfen klargestellt, dass der Gesetzgeber die Abtreibungen unter den Voraussetzungen des § 218a StGB erlaubt und nicht unter Strafe stellt. Im Hinblick auf diese Klarstellung qualifizierte der EGMR die gegen die Ärzte erhobenen Vorwürfe noch als durch das Recht der freien Meinungsäußung aus Art. 10 EMRK gerechtfertigt. Diese Entscheidung löste seinerzeit durchaus Unbehagen aus; denn der Vorwurf des Mordes wiegt extrem schwer und kann nur gerechtfertigt sein, wenn ihm Tatsachen zugrunde liegen, die der Gesetzgeber als Mord qualifiziert. In einer Reihe kürzlich bekannt gewordener Entscheidungen vom 20.9.2018 (NJW 2019, 1127) hat der EGMR nun eine Art Kehrtwende vorgenommen. Auch in den dort entschiedenen Fällen ging es um die Gleichsetzung legaler ärztlicher Abtreibungshandlungen mit dem Tatbestand des Mordes im Allgemeinen und den Auschwitz-Morden im Besonderen. Auch hier hat der Verfasser darauf hingewiesen, dass die Abtreibung unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen in Deutschland straflos bleibt. Der EGMR hat diesem Hinweis aber nun nur noch eine Alibi-Funktion zuerkannt und in dem Mord-Vorwurf eine gravierende Verletzung des Rechts der betroffenen Ärzte auf Achtung ihres Privatlebens und des damit gewährten Schutzes ihres guten Rufs aus Art. 8 EMRK gesehen, die eine Einschränkung des Rechts der freien Meinungsäußerung durch die deutschen Gerichte rechtfertigt. Dieser Richtungswechsel des EGMR ist zu begrüßen. Dem Kritiker rechtmäßiger, aber weltanschaulich umstrittener Maßnahmen bleiben im Schutzbereich von Art. 10 EMRK und 5 Abs. 1 GG hinreichend Möglichkeiten, seiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, ohne den anders Denkenden mit dem Stempel des Mörders zu brandmarken.

Mit dem hier angesprochenen Komplex befasst sich die 6. Auflage unseres  „Presserecht“ im Detail in §§ 14 und 20.

Mehr zum Whistleblowing

Kürzlich habe ich an dieser Stelle aktuelle Neuerungen zum Whistleblowing vorgestellt. Dazu passt eine jetzt bekannt gewordene Eilentscheidung des LG Berlin vom 23.5.2019 (27 O 299/19) in einem Verfahren eines der mutmaßlichen Urheber des Ibiza-Videos über das Treffen des damaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache mit einer angeblichen Angehörigen eines russischen Oligarchen, das zum Sturz zunächst von Strache und dann der gesamten österreichischen Bundesregierung führte. Das Gericht hat die nicht anonymisierte Verbreitung seines Lichtbilds durch ein österreichisches Online-Portal untersagt und dies laut Presseveröffentlichungen mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen begründet; er sehe sich als angeblicher Urheber der politischen Krise möglicherweise Repressalien seitens interessierter Beteiligter ausgesetzt. Sedes materiae war hier wohl das Recht des Betroffenen am eigenen Bild, in dessen Rahmen der Betroffene allenfalls als Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit gelten kann und der Verbreitung seines Bilds berechtigte Interessen im Sinn von § 23 Abs. 2 KUG entgegenstehen dürften, zumal nicht festzustehen scheint, ob er wirklich an der Herstellung des Strache-Videos und seiner Preisgabe an die Medien beteiligt war. In die nach § 23 Abs. 2 KUG vorzunehmende Güterabwägung war vermutlich der laut Medienberichten vom LG Berlin betonte Aspekt der persönlichen Sicherheit des Betroffenen einzustellen, der die getroffene Entscheidung schon für sich rechtfertigen dürfte. Künftig aber wird im Rahmen dieser Wertung vornehmlich das besondere Anonymitätsinteresse des Betroffenen zu berücksichtigen sein, das als Kernstück der neuen europäischen Whistleblowing-Richtlinie gelten kann.

Mit dem redaktionellen Umgang der Medien mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen  befasst sich die 6. Auflage von „Presserecht – Recherche, Darstellung und Haftung im Recht der Presse, des Rundfunks und der neuen Medien“ unter Rz. 7.37 ff; zum Komplex der Verbreitung rechtswidrig zustande gekommener Informationen durch die Medien s. dort Rz. 12.104 ff.

Rechtliche Neuerungen für Whistleblowing

Begriff und Tatbestand des „Whistleblowing“ sind ein gewichtiger Baustein im Gebäude des Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft. Ohne den Verrat von Amts-, Dienst- oder Geschäftsgeheimnissen durch Angehörige der betroffenen Dienststellen oder Unternehmen wären gravierende Rechtsverletzungen durch staatliche Stellen oder privatrechtlich verfasste Unternehmen niemals an die Öffentlichkeit gelangt. Der Fall Strache/Ibiza ist nur der jüngste Beleg hierfür. Fälle wie Watergate, Panama- oder Afghanistan Papers, Neue Heimat, die Parteispendenfälle in den 80iger Jahren des 20. Jahrhunderts und die Abgasmanipulationen in Dieselfahrzeugen durch Großkonzerne der Automobilindustrie in der Gegenwart sind jedem geläufig.

Für die Medien hat der deutsche Gesetzgeber im Anschluss an das Cicero-Urteil des BVerfG (BVerfG v. 27.2.2017 – 1 BvR 538/06, 1 BvR 2045/06 ) mit erheblicher Verzögerung in einer Reihe von Ergänzungen der bundesrechtlichen Verfahrensordnungen anerkannt, dass die redaktionelle Verwendung durch Whistleblowing generierten Materials nicht strafbar ist und insb. nicht unter dem Aspekt der von Instanzgerichten und Strafverfolgungsbehörden über längere Zeit bemühten sog. sukzessiven Beihilfe strafrechtlich geahndet werden kann. Für die Whistleblower selbst ist das nach eingeführter Rechtspraxis hingegen anders. Sie werden als Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen wegen des Verrats von Amts- oder Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB), als Mitarbeiter privater Unternehmen wegen der Verletzung arbeitsrechtlicher Verschwiegenheits- und Treupflichten und nach bisherigem Recht u. U. wegen Verletzung von §§ 17-19 UWG a. F.  zur Rechenschaft zu ziehen sein. Noch in einem Urteil vom 27.2. 2018 hat sich der EGMR (NJW 2019, 1273) mit einem Fall des Whistleblowing durch einen Angehörigen des öffentlichen Diensts der Republik Moldau befasst. In Übereinstimmung mit der alten Pätsch-Entscheidung des BVerfG (NJW 1970, 1498) sieht der Gerichtshof das Whistleblowing nur in extremen Ausnahmefällen als rechtmäßig an. Nur wenn es sich um gravierende Missstände mit entsprechenden Auswirkungen auf das Gemeinwohl handelt und der Whistleblower mit seiner Aufdeckung der entsprechenden Informationen behördenintern den Instanzenweg bis zur Ministerebene durchlaufen hat und mit Abhilfevorschlägen gescheitert ist, kann seine Verurteilung wegen Verletzung der entsprechenden Geheimnisschutzvorschriften u. U. als Eingriff in seine Kommunikationsgrundrechte aus Art. 10 EMRK, 5 GG rechtswidrig sein. Für den privaten Bereich konnte im Ergebnis nichts anderes gelten.

Das hat sich, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, mit Inkrafttreten des der Umsetzung der Richtlinie (EU)2016/943 dienenden Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) v. 19.4.2019 und der gleichzeitigen Aufhebung von §§ 17-19 UWG jetzt jedenfalls graduell geändert. Nach § 5 Nr. 2  GeschGehG ist die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit, abweichend vom Grundtatbestand des § 4 GeschGehG, nicht verboten. Ob sie im Einzelfall zulässig ist, ist zwar weiterhin im Wege der Abwägung des Interesses des Berechtigten an der Geheimhaltung gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu ermitteln. Da aber der Gesetzgeber die Rechtmäßigkeit des Whistleblowing jetzt erstmals ausdrücklich anerkennt, werden die Hürden für eine straf- oder zivilrechtliche Sanktionierung dieses Verhaltens künftig höher hängen als noch in der Entscheidung des EGMR v. 27.2.2018 angenommen.

Damit ist die Entwicklung dieses Komplexes aber nicht abgeschlossen. Mit Inkrafttreten der am 16.4.2019 vom europäischen Parlament verabschiedeten sog. Whistleblowing-Richtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht werden Whistleblower künftig effektiv und umfassend u. a. in ihrer gewollten Anonymität und insb. gegen jede Art von Vergeltungsmaßnahmen geschützt. Für Medienunternehmen, die über im Weg des Whistleblowing bekannt werdende Missstände berichten, ändert sich nach neuem und künftigen Recht nichts. Die Wirtschaft insgesamt und die Träger der öffentlichen Verwaltung aber werden sich darauf einrichten müssen, dass der Wind für sie im Umgang mit denjenigen, die insb. Journalisten über rechtswidrige oder aus anderen Gründen zu beanstandende Interna mit Relevanz für die Öffentlichkeit unterrichten, deutlich rauer werden wird.

Mit dem redaktionellen Umgang der Medien mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen befasst sich die 6. Auflage von „Presserecht – Recherche, Darstellung und Haftung im Recht der Presse, des Rundfunks und der neuen Medien“ unter Rz. 7.37 ff.