Bei der Tour de France markiert schon seit dem Jahr 1906 die flamme rouge den Beginn des letzten Etappenkilometers für das Peloton. Ein Fahrer, der nach der Überwindung von Bergen der hors catégorie diesen aufgeblasenen Bogen vor sich flimmern sieht, hat es geschafft, sofern er auch auf den letzten Metern unnötige Kollisionen vermeidet. Das MoPeG hat, nachdem die vom federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags in seiner 161. Sitzung am 22.6.2021 unter der Leitung des CDU-Abgeordneten Prof. Dr. Heribert Hirte einstimmig angenommene Beschlussempfehlung vorliegt (BT-Drucks. 19/30942; vgl. dazu den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/31105), gemeinsam mit einer größeren Phalanx anderer Gesetzesvorlagen die flamme rouge der letzten parlamentarischen Sitzungswoche durchfahren und Platz 29 auf der Tagesordnung der am 24.6.2021 um 9.00 Uhr beginnenden 236. Sitzung des Deutschen Bundestages erzielt. Mit der für Freitag (25.6.2021) um 05:00 Uhr vorgesehenen abschließenden Beratung in Form der 2. und 3. Lesung (Live-Übertragung via https://www.bundestag.de/mediathek), die mit einer Rede der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht eröffnet wird, ist das MoPeG zwar zeitlich nicht tête de la course, aber zumindest das gesellschaftsrechtliche Highlight, wenn nach kurzer Nacht über der Spree gerade die Sonne aufgeht.
Die vom Rechtsausschuss für die Verabschiedung im Bundestag empfohlene Fassung des MoPeG weicht nur marginal vom Inhalt des für die 1. Lesung in den Bundestag eingebrachten MoPeG-RegE ab, der im Wesentlichen auf dem Mauracher Entwurf (vgl. Mauracher Entwurf zum MoPeG, 4/2020) beruht. Die größte Abweichung ist darin zu sehen, dass nach Art. 137 MoPeG das Inkrafttreten ganz überwiegend nicht – wie ursprünglich vorgesehen – zum 1.1.2023, sondern erst zum 1.1.2024 erfolgen soll. Dadurch erhalten die Länder zusätzlich Zeit für die technisch-organisatorische Umsetzung des neuen Gesellschaftsregisters für die GbR (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 169; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 11).
Hervorzuheben ist in Bezug auf Änderungen zudem die Einfügung eines Satzes 2 in § 728 Abs. 1 des BGB-RegE sowie jeweils § 176 Abs. 1 und Abs. 2 HGB-E. Die Regelung des § 728 Abs. 1 Satz 2 BGB-E stellt jetzt klar, dass sich die Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht auf Schadensersatzansprüche erstreckt, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche erst nach dem Ausscheiden erfolgen. Der aus einer Anwaltssozietät ausgeschiedene Gesellschafter haftet also nicht, wenn der Beratungsvertrag zwar vor seinem Ausscheiden abgeschlossen, der Beratungsfehler aber erst danach von einem verbliebenen Sozius begangen wurde. Zu § 176 Abs. 1 HGB nimmt der Rechtsausschuss die im RegE enthaltene Verschärfung zurück, das heißt, die unbeschränkte Kommanditistenhaftung ist nach wie vor ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger die Beteiligung als Kommanditist bekannt war. Die Neufassung des § 176 Abs. 2 HGB-E stellt mit der Formulierung „weiterer Gesellschafter“ klar, dass der klassische Gesellschafterwechsel kein haftungsbegründender Eintritt im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 113; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 10).
Die neu errichteten tragenden Säulen des MoPeG wurden vom Rechtsausschuss nach Prüfung ohne Vorbehalt abgenommen: So erhält die GbR neben dem Gesellschaftsregister einschließlich Reglement, das auch den komplexen Statuswechsel umfasst, insbesondere Vorschriften über die Vertretung und persönliche Haftung sowie – in Anlehnung an §§ 145 ff. HGB – ein eigenes Kapitel über die Liquidation, das u.a. die gerichtliche Berufung und Abberufung von Liquidatoren einführt. Das neue Beschlussmängelrecht der OHG/KG implementiert – in Übereinstimmung mit dem Recht der AG/GmbH – die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (§§ 110 ff. HGB-E), wobei allerdings die Nichtigkeitsgründe präziser und moderner formuliert sind. Bei der GbR gilt dieses Beschlussanfechtungsmodell zwar nicht ex lege, der Gesellschaftsvertrag kann hierfür aber im Rahmen der Vertragsfreiheit optieren. Die Neuregelung des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-E öffnet die Rechtsform der OHG/KG und damit auch der GmbH & Co. KG für die gemeinsame Ausübung Freier Berufe, „soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt“. Die nicht unerheblichen Schönheitsfehler der PartG mbB – persönliche Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten aus Miet- und Arbeitsverhältnissen sowie die mit der einkommensteuerrechtlichen Abfärbung bei gewerblichen Einkünften durch Einsatz von Angestellten und Subunternehmern verbundenen Risiken (vgl. dazu Wertenbruch, ZIP 2021, 1094 ff.) – werden durch die Wahl der GmbH & Co. KG abgehängt. Durch die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB-E, der die dispositive Stimmrechtsausübung durch die Kommanditisten der Einheits-Kapitalgesellschaft & Co. KG in der Komplementär-Kapitalgesellschaft regelt, deren einzige Gesellschafterin die KG selbst ist, gelangt die Einheits-GmbH & Co. KG auf sicheres Terrain und wird dort weiter Furore machen, weil im Falle eines Gesellschafterwechsels nur die Kommanditanteile abgetreten werden müssen, wofür eben keine notarielle Beurkundung erforderlich ist.
Prolog für das MoPeG-Verfahren war die auf Grundlage des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung im Sommer 2018 vorgenommene Einsetzung der von Ministerialrat Dr. Eberhard Schollmeyer LL.M. geleiteten Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts durch die damalige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley. Die erste Sitzung der Kommission fand wenig später im Justizministerium unter Mitwirkung der Staatssekretärin a.D. Christiane Wirtz statt. Im April 2020 wurde Bundesministerin Christine Lambrecht der von dieser Kommission erarbeitete Mauracher Entwurf vorgelegt, benannt nach Schloss Maurach am Bodensee, wo im März 2020 die abschließende mehrtägige Revisions- und Redaktionskonferenz durchgeführt wurde (Pressemitteilung des BMJV v. 20.4.2020). Es folgte am 19.11.2020 der Referentenentwurf (RefE MoPeG v. 19.11.2020) und am 20.1.2021 der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Am 17.3.2021 erreichte dieser Regierungsentwurf den Bundestag als Etappenziel (Gesetzentwurf Bundesregierung vom 17.3.2021, BT-Drucksache 19/27635).
Beim anschließenden letzten großen Anstieg hat das MoPeG zwar durch das nach der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am 21.4.2021 (vgl. dazu Wortprotokoll der 144. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz) notwendig gewordene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Frage des Fortbestands der verfassungsrechtlichen Legitimität der unterschiedlichen Behandlung von Kapital- und Personengesellschaft bei der Ertragssteuer (vgl. dazu Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages v. 11.5.2021) prima vista den in den letzten drei Jahren herausgefahrenen Vorsprung eingebüßt. À la longue könnte sich aber das Plazet des Wissenschaftlichen Dienstes als gewichtiger Ertrag auf dem Habenkonto des MoPeG erweisen, sofern behauptet wird, allein durch die Aufgabe des Gesamthandsbegriffs seien die sich auch im Steuerrecht auswirkenden Strukturunterschiede zwischen Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft gesetzlich eingeebnet worden (vgl. zu dieser Thematik auch Fleischer, DStR 2021, 430 ff.; Bachmann, NZG 2020, 612 ff.; Wertenbruch, GmbHR 2021, 1 ff.). Gleichwohl mussten nach Eintreffen der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes sämtliche Protagonisten und Domestiken des MoPeG permanent mit maximaler Übersetzung fahren, um den Anschluss an das Gesetzespeloton der letzten Session der 19. Legislaturperiode zu erreichen.