SanInsKG in Kraft

Das Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes ist am 8.11.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet worden, das SanInsKG ist als Teil davon am Tag danach in Kraft getreten. Im Folgenden sollen das Gesetzgebungsverfahren und die Inhalte des Gesetzes kritisch betrachtet werden.

I. Verkappte Regierungsentwürfe

Warum wird an dieser Stelle etwas zum Thema eheliches Güterrecht berichtet? Das liegt an der Gesetzgebungskultur, die vor vielen Jahren in Deutschland Einzug gehalten hat und in der Krisenära seit Corona ihre Blütezeit erlebt. Gesetzentwürfe der Bundesregierung heißen heutzutage nur noch manchmal Gesetzentwürfe der Bundesregierung. Soll es schnell gehen, betitelt man sie „Formulierungshilfe“ und sorgt dafür, dass sie nicht – wie in der Verfassung für ordentliche Gesetzentwürfe der Bundesregierung vorgeschrieben – erst zum Bundesrat gelangen und von dort aus in den Deutschen Bundestag, sondern eine Abkürzung nehmen: Vom Bundeskabinett direkt in die Hände von Abgeordneten des Bundestags, mit deren (vermeintlicher) Autorenschaft versehen in den Rechtsausschuss, dort an einen beliebigen Gesetzentwurf angeheftet, dann in zweiter und dritter Lesung (die erste findet nur im Grundgesetz statt und gilt für den Entwurfsteil, den man mehr oder weniger zufällig im Rechtsausschuss auf einem Stapel vorfand) verabschiedet, vom Bundespräsidenten unterzeichnet (der mit dem Verfahren offensichtlich einverstanden ist, es womöglich in Zeiten der eigenen Mitgliedschaft in einer Regierung selbst genutzt hat) und amtlich verkündet. Im Fall des SanInsKG war es ein Gesetz zum Familienrecht, das im Rechtsausschuss auf Verabschiedung wartete, und so verknüpft sich das Schicksal der deutschen Wirtschaftsunternehmen mit jenem von Ehe und Familie.

Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen, oder – amtlich kürzer – Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz, so lautet der Lang- bzw. Kurztitel des Gesetzes, das mit SanInsKG auf die kürzeste Formel gebracht wird. Abmilderung, das kennt man nicht zuletzt aus der Zeit von COVID-19 (s. etwa den Buchtitel „COVID-19 Abmilderungsgesetze“, vom Verfasser dieser Zeilen im Jahre 2020 herausgegeben; 2. Auflage 2022 unter dem Titel „COVInsAG“). Es besagt so viel wie: Keine Lösung eines Problems, aber Linderung der Folgen. Und erfasst damit Phänomene, von denen der Gesetzgeber selbst schon im Titel seiner Maßnahme eingestehen muss, dass er sich zur restlosen Bewältigung außerstande sieht.

II. Gesetzesmantel neu befüllt

Das Gesetz, dessen Teil das SanInsKG bildet, nimmt ein anderes, bereits bestehendes Gesetz, ändert seinen Titel und fügt zwei Bestimmungen ein. Das andere Gesetz ist das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG). Denkt man in Kategorien des Gesellschaftsrechts, so würde man vermutlich von einem „Mantel“ sprechen: Eine Struktur, eine leere Hülle. Die Vorschriften, die dieses am 27.3.2020 verabschiedete und rückwirkend zum 1.3.2020 in Kraft getretene Gesetz zunächst mit sich brachte, später mehrfach verändert und ergänzt, entfalten fast durchweg keine Wirkung mehr. Sie waren gedacht, die Zahl von Insolvenzen zu begrenzen, indem man die Insolvenzantragspflicht – unter wechselnden Voraussetzungen – aussetzte. Hinzu kamen Regelungen der Rechtsfolgen und später Umgestaltungen des Insolvenzrechts, alles temporär.

Nun nimmt der Gesetzgeber also diesen Gesetzesmantel und führt ihn einem anderen Zweck zu. Handelte es sich um eine GmbH, so würde sich der Gegenstand fundamental ändern und die Gründungsvorschriften müssten im Wesentlichen noch einmal durchlaufen werden. War das Gesetz nämlich ursprünglich – wie schon der Titel zeigt – auf die Sondersituation einer bestimmten Pandemie ausgelegt, so hat sich der Gesetzgeber jetzt entschlossen, ein ganz anderes Krisenfeld zu bearbeiten: die Energiekrise. Das wird in den Vorschriften nicht explizit adressiert, ergibt sich aber aus dem Kontext und der Laufzeit. Der neue Name des Gesetzes ist ebenso neutral auf Krisen aller Art gemünzt wie der spärliche Inhalt. Immer neu befüllbar, je nach gerade akuter Krise.

III. Spärlicher Inhalt

Was bringt dieses Gesetz nun inhaltlich? Überraschend wenig. Der Kelch nochmaliger Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist dieses Mal (bislang noch?) an der deutschen Wirtschaft vorbeigegangen. Seine im Grundsatz verheerenden Folgen (insbesondere das Züchten von Zombies mit allen Konsequenzen einer sich verlangsamenden Volkswirtschaft) waren in den letzten zwei Jahren nur deswegen nicht eingetreten, weil die Regierung schuldenbasiert bis dahin kaum vorstellbare Mengen Geldes in Form von Beihilfen in Unternehmen gegeben hat. Dieses Mal hätten die Folgen einschneidender ausfallen können, auch wenn nicht verkannt werden soll, dass ein vergleichbarer Reflex des „Wegkaufens“ von Problemen mit weiterem, geliehenen Geld (und nachfolgender Inflation) zu beobachten ist.

Die Prognosezeiträume der Insolvenzordnung und des StaRUG bei der Fortführungsprognose im Tatbestand der Überschuldung, der Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanung werden jeweils auf vier Monate verkürzt. Zwölf Monate – wie bisher bei der Überschuldungsprüfung – könne schließlich in Zeiten wie diesen niemand vorhersehen, heißt es zur Begründung. Das trifft in der Tendenz zu, wäre indes durch die Beobachtung zu ergänzen, dass angesichts einer drohenden Gasmangellage und unvorhersehbarer Preisentwicklung bei der (nicht durch eine staatliche Preisfixierung abgedeckten) Energiebeschaffung auch vier Monate noch eine lange Zeit darstellen.

IV. Geringer Anwendungsbereich

Außerdem wird die Höchstfrist zur Antragstellung in der Konstellation einer Überschuldung von sechs auf acht Wochen erhöht. Der Grundsatz bleibt insoweit, dass „ohne schuldhaftes Zögern“ gehandelt werden muss. Auswirkungen hat diese Verlängerung also nur, wenn die Geschäftsleitung bis zur sechsten Woche der Überschuldung noch seriös auf eine gute Entwicklung vertrauen darf und dann zu neuer Erkenntnis gelangt.

Nimmt man bei alledem in den Blick, dass unter fünf Prozent der Insolvenzanträge in der Praxis auf Überschuldung gründen, dann zeigt sich: Nennenswerte Veränderungen bringt dieses Gesetz nicht. Für die Lage auf dem Sektor Sanierung und Insolvenz kommt es auf diese Norm praktisch nicht an, sie zeigt nur denen, die es hören möchten, dass der Gesetzgeber „irgendetwas“ getan hat.

V. Perspektiven für den Restrukturierungsbereich

Ob es aber Restrukturierungs- oder Insolvenzfälle geben wird, hängt wie schon in der Corona-Zeit maßgeblich davon ab, wie viel Geld der Staat in die Wirtschaft gibt. Und das wiederum bedingt das Einverständnis der Europäischen Kommission mit erneuten gewaltigen Beihilfen, die wegen der damit typischerweise verbundenen Marktverzerrung grundsätzlich untersagt wären. In der Corona-Krise hat sich die EU großzügig, oder sollte man besser sagen: bereit gezeigt, die längerfristigen Grundsätze einer Sicherung funktionierender Marktwirtschaft hinter eine kürzer wirkende Staatsintervention zurücktreten zu lassen.

So könnte es im Ergebnis dabei bleiben, dass der Staat in Zeiten größter Krise – wie schon bei Auftreten von Corona – alles dafür tut, die praktische Anwendung seines dafür eigentlich geschaffenen Systems von Insolvenzregeln und Sanierungsinstrumenten zu vermeiden und stattdessen auf flächendeckende Beihilfen zu setzen. Das SanInsKG ist, soweit man ihm überhaupt eine Wirkung beimisst, ein kleiner Teil dieser größeren Strategie.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht geht in die nächste Runde

Mit Gesetz vom 15.2.2021 (BGBl. I 2021, 237) hat der Gesetzgeber des § 1 Abs. 3 COVInsAG die ursprünglich nur bis zum 30.9.2020, zuletzt bis zum 31.1.2021 (partiell!) verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein weiteres Mal bis zum 30.4.2021 verlängert. Die angepasste Vorschrift des § 1 Abs. 3 COVInsAG tritt rückwirkend zum 1.2.2021 in Kraft, hilft aber wiederum nur bestimmten Unternehmen, die auf staatliche Hilfeleistungen warten. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 COVInsAG die Insolvenzantragspflicht sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung nur bis zum 30.9.2020 ausgesetzt und u.a. mit der großzügigen Vermutung des § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG abgesichert (dazu Thole, ZIP 2020, 650). Der Gesetzgeber legte dann mit der „1. Verlängerung“ im Herbst 2020 noch einmal nach. Nunmehr wurde allerdings die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit wieder scharfgestellt. Ausgesetzt blieb für den Zeitraum vom 1.10.2020 bis 31.12.2020 nur die Antragspflicht wegen Überschuldung. Allerdings gab es im politischen Raum und in der Tagespresse ein – man muss es so nennen – „Kommunikationsdesaster“. Allerorten war zu lesen, der Gesetzgeber habe die Antragspflicht weiter ausgesetzt, obwohl er doch die Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit gerade wieder scharfgestellt hatte. Es steht zu befürchten, dass eine Reihe von Geschäftsleitern zahlungsunfähiger Schuldner daher im Herbst 2020 die Insolvenz verschleppt und sich Haftungsrisiken aufgeladen hat, ob nun in blindem Vertrauen auf die Pressemeldungen, aus Ignoranz oder Unkenntnis oder aus einer Mischung von Gründen. Die dann zum 1.1.2021 mit dem SanInsFoG eingeführte „2. Verlängerung“ in Gestalt des § 1 Abs. 3 COVInsAG konnte die Antragspflicht allenfalls ex nunc, aber nicht ex tunc entfallen lassen. Es gilt die allgemeine Regel, dass für Haftungstatbestände der Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung maßgeblich ist, bei § 64 GmbHG (a.F.) mithin die relevante Zahlung (richtig auch Bitter ZIP 2021, 323, 332).

Mit der 2. Verlängerung wollte der Gesetzgeber dem Chaos bei der Bewältigung der sog. November- und Dezemberhilfen Rechnung tragen. Diese Verlängerung erfasste zunächst den Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 31.1.2021 und sah vor, dass die Antragspflicht für diesen Zeitraum ausgesetzt ist, wenn der Schuldner im Zeitraum vom 1.11.2020 bis 31.12.2020 (nicht im Oktober 2020) einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme gestellt hatte und nunmehr auf die Auszahlung wartete. Auf eine Beantragung der Hilfeleistungen kam es nur dann nicht an, wenn die Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht innerhalb des genannten Zeitraums möglich war.

Mit dem Gesetz vom 15.2.2021 hat der Gesetzgeber diese Regelung nochmals bis Ende April 2021 verlängert („3. Verlängerung“). Angeknüpft wird nun tatbestandlich an einen Hilfeantrag, der in der Zeit vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt wurde oder ausnahmsweise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war. Allerdings gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht weiterhin nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist. Der zu erwartende Hilfebetrag muss also die jeweilige Liquiditätslücke auf einen Schlag decken. Wer nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms schon nicht in den Kreis der Hilfeberechtigten fällt, kann sich auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht berufen. Nicht geklärt ist, ob es aus insolvenzrechtlichen Wertungsgründen sogar möglich ist, einem Geschäftsleiter die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG zu versagen, wenn schon zuvor eine Insolvenzverschleppung vorlag. Die Förderbedingungen der staatlichen Hilfen schließen eine Hilfeleistung trotz vorhergehender Insolvenzverschleppung nicht unbedingt aus, da Hilfen nur dann ausgeschlossen sind, wenn das Insolvenzverfahren bereits beantragt ist oder der Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt ist. Das setzt allerdings mittelbar einen Anreiz zur weiteren Insolvenzverschleppung. Derjenige Schuldner, dessen Geschäftsleiter den Insolvenzantrag (rechtzeitig) gestellt hat, hat demgegenüber keinen Anspruch auf staatliche Hilfe mehr (was vermutlich auch beihilferechtliche Hintergründe hat, aber wiederum zeigt, dass der Gesetzgeber den politisch stets betonten Sanierungsgedanken selbst nur halbherzig umsetzt). Besteht Aussicht auf ausreichende staatliche Hilfe, wirkt die Außerkraftsetzung der Antragspflicht unter § 1 Abs. 3 COVInsAG nur für den jeweiligen Zeitraum. Das war zunächst der Zeitraum bis Januar 2021 und ist nunmehr der Zeitraum bis Ende April.

Es bleiben weitere Fragen offen. So kann nach den Förderbedingungen von verbundenen Unternehmen in der Regel nur ein einheitlicher Antrag gestellt werden. Für die Aussetzung der Antragspflicht müsste es aber eigentlich auf die zu erwartende Liquiditätszufuhr für die konkrete Schuldnerin ankommen. Nicht sachgerecht erschiene es, wenn ein gestellter Hilfeantrag mehrfach für die einzelnen verbundenen Unternehmen in voller Höhe angesetzt würde. Wenn für den gesamten Konzern 1 Mio. Euro an staatlicher Hilfe zu erwarten sind, kann dann für die jeweiligen Gesellschaften nur der jeweils anteilige Teilbetrag angesetzt werden.

War der Hilfeantrag bereits im Oktober 2020 gestellt, so scheidet die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG tatbestandlich aus, es sei denn, man erkennt in dem Hilfeantrag einen Dauerzustand. Wurde trotz Zahlungsunfähigkeit der Hilfeantrag erst Anfang Januar 2021 gestellt, so scheidet die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG für den Januar 2021 wohl ebenfalls aus, denn zu diesem Zeitpunkt galt noch, dass der Hilfeantrag in der Zeit von November bis Dezember 2020 gestellt worden sein muss.

Die weitere Verlängerung des COVInsAG wirft also eine Reihe von Fragen auf. Die Unsicherheiten für die Geschäftsleiter sind nicht geringer geworden; die weitere Verlängerung zaubert bereits verwirkte Haftungstatbestände nicht rückwirkend, sondern allenfalls für die Zukunft weg. Geschäftsleiter von insolvenzgefährdeten Unternehmen tun daher gut daran, sich beraten zu lassen, denn die Komplexität des COVInsAG ist weiter gestiegen und pauschale Antworten sind kaum zu haben.

Weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG, aber nur für die Überschuldung – Ein politischer Kompromiss mit enormen Fallstricken

Die Insolvenzantragspflicht für haftungsbeschränkte Gesellschaften aus § 15a InsO ist derzeit in vielen Fällen gemäß § 1 COVInsAG bis zum 30.9.2020 ausgesetzt (dazu ausführlich Bitter, GmbHR 2020, 797 ff. und GmbHR 2020, 861 ff.). Lange war spekuliert und auch diskutiert worden, ob wohl das Ministerium von der in § 4 COVInsAG enthaltenen Möglichkeit, den Aussetzungszeitraum per Rechtsverordnung bis zum 31.3.2021 zu verlängern, Gebrauch machen würde.

Mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses vom 25.8.2020 zeichnet sich nun eine ganz andere Lösung ab: Die Verlängerung der Aussetzung soll per Gesetz erfolgen, allerdings zeitlich bis zum 31.12.2020 befristet und sachlich auf den Insolvenzgrund der Überschuldung beschränkt. Wörtlich heißt es in den Beschlüssen: „Die Regelung über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung wird bis zum 31.12.2020 weiterhin ausgesetzt.“ Eine weitere Option zur Verlängerung per Rechtsverordnung ist offenbar nicht geplant.

Mit der sachlichen Beschränkung auf den Tatbestand der Überschuldung werden Ideen aufgegriffen, die auf dem 16. Mannheimer Insolvenzrechtstag am 23.6.2020 von Seiten der Praxis entwickelt wurden (vgl. den Veranstaltungsbericht im INDat-Report 06_2020, S. 60 ff.). Doch die Verkürzung auf das Jahresende ist sehr bedauerlich, weil damit der von der Praxis geforderte nahtlose Übergang zu den neuen Sanierungsinstrumenten, die in Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie geschaffen werden, nicht gesichert ist. Es ist also zu befürchten, dass nun die Insolvenzwelle spätestens zum 1.1.2021 kommt.

Die Geschäftsführungen haftungsbeschränkter Gesellschaften (insbesondere der GmbH) müssen sich jedenfalls auf die neue Sachlage einstellen: Wer zum 1.10.2020 zahlungsunfähig i.S.v. § 17 InsO ist, profitiert nicht weiter von der Aussetzung der Antragspflicht. Zudem ergibt sich aus der Vermutungsregelung des § 1 COVInsAG eine Vorwirkung, die schon jetzt zum Antrag zwingen kann: Die Antragspflicht ist nach jener Vorschrift nicht voraussetzungslos ausgesetzt, sondern die Aussetzung entfällt nach Satz 2, wenn keine Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (dazu Bitter, GmbHR 2020, 797, 799 ff.). Die zeitliche Dimension dieser „Aussichten“ beschränkt sich nach h.M. auf den Aussetzungszeitraum, bis zu dessen Ende die Liquiditätslücke geschlossen werden muss (Thole, ZIP 2020, 650, 653; Born, NZG 2020, 521, 523). Eine weitere Ausdehnung auf die Zeit nach Ablauf des Aussetzungszeitraums macht nämlich wenig Sinn, weil dann wieder die Antragspflicht eingreift (vgl. Bitter, ZIP 2020, 685, 690; im Ergebnis auch Bornemann, jurisPR-InsR 9/2020 Anm. 1 unter Ziff. III 3 b bb).

Genau hier wirkt sich nun der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 25.8.2020 aus. Während vor diesem Beschluss oft darauf hingewiesen wurde, an die Stelle des 30.9.2020 trete bei einer Verlängerung der 31.3.2021 und je wahrscheinlicher eine Verlängerung bis zum 31.3.2021 werde, umso eher gehe es um „Aussichten“ bis zu jenem Datum (Bitter, GmbHR 2020, 797, 802, Rz. 21 m.w.N.), hat sich diese Einschätzung nun erledigt. Der Verlängerungszeitraum ist verkürzt und gilt zudem nur für die Überschuldung i.S.v. § 19 InsO. Damit muss eine Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.9.2020 beseitigt sein, weshalb sich nun auch die „Aussichten“ i.S.v. § 1 Satz 2 Alt. 2 COVInsAG auf diesen Endpunkt beschränken. Daraus folgt: Wer jetzt schon nicht mehr die Aussichten hat, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit bis Ende September beseitigen zu können, darf nicht bis zum 1.10.2020 mit dem Insolvenzantrag warten. Er verliert vielmehr sofort die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 Satz 2 Alt. 2 COVInsAG und muss folglich jetzt Insolvenzantrag stellen.

Selbst wenn aber nach dem großzügigen Maßstab jener Regelung (dazu Bitter, GmbHR 2020, 797, 801 f., Rz. 16 ff.) derzeit noch von entsprechenden Aussichten auszugehen ist, greift jedenfalls ab dem 1.10.2020 die Regelung des § 17 InsO wieder mit voller Schärfe der außerhalb der Corona-Krise anerkannten Grundsätze ein (dazu ausführlich Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, Vor § 64 Rz. 6 ff.).

Unklar ist dabei, ob mit dem Ende des Aussetzungszeitraums und dem grundsätzlichen Wiedereinsetzen der Insolvenzantragspflicht die Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 InsO erneut zu laufen beginnt oder nicht (dazu Bitter, GmbHR 2020, 797, 803, Rz. 24). Nach der bisherigen Fassung des COVInsAG wäre es im Regelfall nicht auf diesen Streitpunkt angekommen, weil die Drei-Wochen-Frist ohnehin keine Antragsfrist, sondern eine Höchstfrist für letzte Sanierungsbemühungen ist. Ist es während des Aussetzungszeitraums nicht gelungen, das Unternehmen finanziell zu stabilisieren, so dürften in aller Regel auch die weiteren drei Wochen dazu nicht ausreichen, sodass der Antrag direkt zum Ende des Aussetzungszeitraums zu stellen ist (Schülke, DStR 2020, 929, 933; Born, NZG 2020, 521, 522).

Wird nun der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 25.8.2020 wie geplant umgesetzt, könnte der Streitpunkt doch relevanter werden als bisher gedacht, weil dann zum 1.10.2020 nur die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) wieder in Kraft tritt, nicht aber jene wegen Überschuldung (§ 19 InsO). Deshalb müsste nur die kurzfristige Zahlungsfähigkeit innerhalb der (ggf. zusätzlichen) drei Wochen wiederhergestellt werden, nicht aber die längerfristige, auf die es im Rahmen der Fortführungsprognose i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO ankommt (vgl. zu den deutlich unterschiedlichen zeitlichen Horizonten der Betrachtung bei § 17 und § 19 InsO Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, Vor § 64 Rz. 25 einerseits, Rz. 57 f. andererseits). Diese kurzfristige Zahlungsfähigkeit lässt sich in der Praxis wohl einfacher darstellen als die längerfristige, weshalb insoweit die Drei-Wochen-Frist eher ausreichen könnte.

Doch sollte man sich auf zusätzliche drei Wochen nicht verlassen. Bislang ist nämlich nicht einmal geklärt, ob die vom BGH bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu Grunde gelegte Drei-Wochen-Frist zur Frist des § 15a Abs. 1 InsO hinzukommt oder sie mit dieser identisch ist (vgl. die Nachweise bei Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, Vor § 64 Rz. 25). Schon angesichts dieser Unsicherheiten sollte man sich als Geschäftsführer im Zweifel auf die strengere Sichtweise einstellen, will man sich nicht der Strafbarkeit und der Haftung wegen Insolvenzverschleppung aussetzen (dazu in Kürze eingehend die Kommentierung des § 64 GmbHG von Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020). Das bedeutet im Ergebnis: Die Zahlungsfähigkeit ist auf den 1.10.2020 zu bestimmen. Fehlt sie nach den Maßstäben von BGHZ 163, 134 an diesem Tag, ist spätestens dann Insolvenzantrag zu stellen!

Weiterhin ist das zeitnahe Auslaufen der kompletten Aussetzung zum Jahresende 2020 schon jetzt in den Blick zu nehmen. Da der Überschuldungstatbestand des § 19 InsO ab dem 1.1.2021 nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist und insoweit oft die Fortführungsprognose entscheidet (dazu Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, Vor § 64 Rz. 51 ff.), ist mit deren Erstellung schon rechtzeitig vor dem Jahresende zu beginnen. Auf die insolvenzberatenden Kanzleien und Wirtschaftsprüfer kommt also in den kommenden Monaten viel Arbeit zu. Dass dieser Aufwand zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist, mag man bezweifeln, zumal viele Prognosen immer noch auf wackligen Füßen stehen werden. Doch die Koalition hat so entschieden – ein politischer Kompromiss, kein sachlich berechtigter.

 

Hinweis des Verlags:

Mit Erscheinen von Band I ist der Scholz 2018 in die 12. Auflage gestartet. Band II und III werden noch in 2020 erscheinen. Schon jetzt bietet der Scholz seinen Fans aber ein ganz besonderes Plus: Bereits vor Erscheinen der Bände II und III können zahlreiche Kommentierungen online genutzt werden. Alle Kommentierungen wurden grundlegend überarbeitet und warten mit zahlreichen spannenden Neuerungen auf. Darunter auch die Kommentierungen von Prof. Dr. Georg Bitter zu den Gesellschafterdarlehen (Anh. § 64) und zum Insolvenzrecht der GmbH und GmbH & Co. KG (Vor § 64).

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