MDR-Blog

Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um eine wohl des Öfteren auftretende Frage aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung.

Herausgabe zurückgezahlter Gerichtskosten an den Rechtsschutzversicherer
Beschluss vom 10. Juni 2021 – IX ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen Anwalt, Mandant und Rechtsschutzversicherer bei Erstattung unverbrauchter Gerichtskosten befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Beklagten, eine Rechtsanwaltssozietät und ein für diese tätiger Anwalt, hatten ein bei der Klägerin rechtsschutzversichertes Ehepaar bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Bank gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Klägerin hatte eine Deckungszusage zunächst abgelehnt und später nur für das Klageverfahren in erster Instanz erteilt, nicht aber für die außergerichtliche Vertretung. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Das Gericht überwies unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von rund 2.800 Euro an die Sozietät. Von der Bank erhielt sie die Hälfte der den Mandanten entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Anwaltskosten. Darin enthalten war eine hälftige Verfahrensgebühr in Höhe von rund 900 Euro. Von dem Gesamtbetrag von rund 3.700 Euro zogen die Beklagten die nach dem Vergleich von den Mandanten zu tragende zweite Hälfte der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten für die Einholung der Deckungszusage – insgesamt rund 2.100 Euro – ab. Insoweit erklärten sie namens der Mandanten die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Die auf Zahlung des Abzugsbetrags gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten auf die Berufung der Klägerin antragsgemäß.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagten waren gemäß § 667 BGB verpflichtet, die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge an die Mandanten herauszugeben. Dieser Anspruch ist gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen. Die Pflicht zur Zahlung der Gerichtsgebühren und der Anwaltsvergütung für die gerichtliche Tätigkeit war ein versicherter Schaden, dessen Ausgleich die Leistung der Klägerin diente. Die Mandanten dürfen die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge nicht aufgrund eines Quotenvorrechts dafür einsetzen, um die von der Klägerin nicht übernommenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Einholung der Deckungszusage abzudecken. Dieser Schaden ist nicht kongruent mit dem versicherten Risiko. Die namens der Mandanten erklärte Aufrechnung ist schon deshalb unwirksam, weil diese nicht Schuldner der geltend gemachten Forderung sind.

Praxistipp: Eine Aufrechnung mit offenen Vergütungsforderungen gegen die Mandanten ist in der in Rede stehenden Konstellation nach Maßgabe von § 406 und § 407 BGB möglich. Im Streitfall schied diese Möglichkeit aus, weil die Mandanten die gesamte Vergütung bereits bezahlt hatten.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.