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Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von nicht vertretbaren Handlungen gegen einen prozessunfähigen Schuldner

Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer Handlungen gegen Prozessunfähige
Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 20/21

Mit den Voraussetzungen des § 888 ZPO befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Gläubigerinnen betreiben aus einem erstinstanzlichen Urteil die Zwangsvollstreckung wegen der Erteilung von Auskunft über den Bestand eines Nachlasses. Die Schuldnerin ist an Demenz erkrankt und deshalb nicht in der Lage, die Auskunft selbst zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter und einem Dritten eine Generalvollmacht erteilt. Während des Vollstreckungsverfahrens hat das OLG änderte die Verurteilung in einzelnen Details zugunsten der Schuldnerin abgeändert. Das LG wies den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels ab. Das OLG setzte gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro fest.

Die Rechtbeschwerde der Schuldnerin hat aus formalen Gründen Erfolg und führt zur Zurückverweisung an das OLG.

Der Zwangsvollstreckungsantrag ist allerdings zulässig. Die Schuldnerin ist zwar prozessunfähig. Sie wird aber aufgrund der erteilten Generalvollmacht gemäß § 51 Abs. 3 ZPO wirksam von den beiden Bevollmächtigten vertreten.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch schon deshalb begründet, weil die Zwangsvollstreckung nicht mehr auf der Grundlage des erstinstanzlichen Urteils erfolgen darf, sondern nur noch auf der Grundlage des (in einzelnen Details weniger weit reichenden) zweitinstanzlichen Titels.

Auf der Grundlage des zweitinstanzlichen Urteils kommt (nur) die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen die Schuldnerin in Betracht. Hierüber wird das OLG nach der Zurückverweisung entscheiden müssen.

Ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO ist auch bei Prozessunfähigkeit des Schuldners stets gegen diesen festzusetzen, nicht gegen seinen Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter. Dass der Schuldner persönlich nicht in der Lage ist, die Verpflichtung zu erfüllen, macht die Erfüllung nicht unmöglich, wenn die zu erwirkende Handlung durch Hilfspersonen vorgenommen werden kann. Eine Auskunft, die ein Geschäftsunfähiger zu erteilen hat, kann von dessen Bevollmächtigten erteilt werden. Nur wenn dies nicht in Betracht kommt, muss ein Betreuer bestellt werden. Sowohl bei Vertretung als auch bei Betreuung kann ein Zwangsgeld gegen den Schuldner festgesetzt werden. Dieser kann die Hilfsperson gegebenenfalls in Regress nehmen. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen einen Bevollmächtigten oder Betreuer ist nicht zulässig.

Ersatzzwangshaft und Zwangshaft können demgegenüber jedenfalls dann nicht gegen den Schuldner festgesetzt werden, wenn dieser nicht hinreichend einsichtig und steuerungsfähig ist, um die geschuldete Handlung vorzunehmen. Unter diesen Voraussetzungen kann Ersatzzwangshaft und Zwangshaft zwar gegen einen gesetzlichen Vertreter festgesetzt werden, nicht aber gegen einen Bevollmächtigten. Anders als die Bestellung zum Betreuer begründet eine Vollmacht grundsätzlich keine Pflicht, zugunsten des Vertretenen tätig zu werden.

Praxistipp: Sollte die Festsetzung von Zwangsgeld in der in Rede stehenden Konstellation nicht zum Erfolg führen, dürfte ein Betreuer zu bestellen sein, um die Möglichkeit zur Festsetzung weiterer Zwangsmittel zu schaffen und um eventuelle Regressansprüche gegen die Bevollmächtigten geltend zu machen.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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