MDR-Blog

Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die wirksame Eintragung eines Rechts zum Verweilen auf einem Grundstück

Grunddienstbarkeit für Verweilrecht
Urteil vom 14. Januar 2022 – V ZR 245/20

Mit den Anforderungen aus § 873 Abs. 1 und den Grenzen des § 874 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks, das zu einer im Rechteck angeordneten Wohnsiedlung gehört. Der Beklagten gehört das in der Mitte der Anlage gelegene Grundstück, das mit einem Blockheizkraftwerk bebaut ist und im Übrigen als Grünfläche genutzt wird. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer der umliegenden Grundstücke ist im Grundbuch ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht eingetragen. In der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ist vorgesehen, dass die Berechtigten das belastete Grundstück zum Verweilen, zum Gehen und Befahren mit Zweirädern und Handkarren und zum Verlegen, Haben und Unterhalten von Ver- und Entsorgungsleitungen mitbenutzen dürfen. Die Beklagte beabsichtigt, das belastete Grundstück mit vier Reihenhäusern zu bebauen. Dagegen wenden sich die Kläger im Wege der Unterlassungsklage.

Die Klage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das Recht zum Verweilen, d.h. zum Aufenthalt und zum beliebigen Hin- und Hergehen auf dem dienenden Grundstück kann gemäß § 1018 BGB zulässiger Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein. Der Inhalt eines solchen Rechts bleibt hinter dem Inhalt eines Nießbrauchs zurück, weil es keine umfassende Nutzung erlaubt.

Damit das Recht wirksam entsteht, muss die Berechtigung zum Verweilen gemäß § 873 Abs. 1 BGB aus der Eintragung im Grundbuch hervorgehen. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 Satz 1 BGB reicht nur aus, soweit es um nähere Einzelheiten geht. Der wesentliche Inhalt des Benutzungsrechts muss hingegen zumindest schlagwortartig aus dem Grundbuch selbst hervorgehen.

Im Streitfall reichen die im Grundbuch eingetragenen Schlagwörter (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht) zur Charakterisierung als Verweilrecht nicht aus. Ein Geh- und Fahrrecht begründet lediglich die Berechtigung, das Grundstück zu überqueren, nicht aber, darauf zu verweilen oder beliebig hin- und herzugehen. Ein Verweilrecht ist deshalb nicht wirksam entstanden.

Das OLG muss nach der Zurückverweisung prüfen, ob die geplante Bebauung die Grunddienstbarkeit in ihrem wirksam gewordenen Umfang beeinträchtigt.

Praxistipp: Wenn sich die Eintragung als unzureichend erweist, ist derjenige, der sich vertraglich zur Einräumung der Grunddienstbarkeit verpflichtet hat, grundsätzlich zur Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Eintragung verpflichtet. Ein späterer Erwerber des belasteten Grundstücks ist an eine solche Vereinbarung grundsätzlich nicht gebunden.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.