KG: Aussetzung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens

Einem Verfahren vor dem KG (Beschl. v. 22.7.2019 – 2 W 1/19) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin und die Streithelferin sind die einzigen Gesellschafter der Antragsgegnerin, deren wesentliches Vermögen ein Grundstück darstellt. Die Antragstellerin und die Streithelferin streiten sich in unterschiedlichen Parteirollen in zahlreichen Prozessen vor dem LG Berlin und dem KG. Im Wesentlichen geht es dabei um die Einziehung von Geschäftsanteilen und die Abberufung und Neubestellung von Geschäftsführern.

Im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren geht der Antrag der Antragstellerin dahin, die Antragsgegnerin müsse sie als Gesellschafterin mit allen Rechten und Pflichten behandeln. Außerdem beantragt sie, der Antragsgegnerin zu untersagen, eine geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen und Änderungen der Geschäftsführerschaft eintragen zu lassen.

Das LG hat das Verfahren ausgesetzt. Bei dem KG ist derzeit ein Berufungsverfahren anhängig, worin es um die Frage geht, ob am 15. Mai eine Gesellschafterversammlung stattgefunden habe. Die Beantwortung dieser Frage sei für das einstweilige Verfügungsverfahren vorgreiflich. Gegen den Aussetzungsbeschluss hat die Streithelferin sofortige Beschwerde eingelegt. Diese führt zur Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses des LG Berlin.

Abgesehen davon, dass hier schon keine Vorgreiflichkeit besteht und das LG auch kein ordnungsgemäßes Ermessen ausgeübt hat, kommt die Aussetzung hier schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht in Betracht. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht im Hinblick auf ein Hauptsacheverfahren aus demselben Sachkomplex ausgesetzt werden. Eine Aussetzung ist mit der besonderen Eilbedürftigkeit eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht vereinbar. Lediglich beim Aufhebungsverfahren nach den § 927, § 936 ZPO wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine Aussetzung statthaft sei. Ein solches Verfahren liegt jedoch hier nicht vor.

Das LG muss daher in dem einstweiligen Verfügungsverfahren entscheiden, ohne dass es die Hauptsacheentscheidung des KG abwarten darf.

OLG Koblenz: Streitwertbeschwerde des Rechtsanwalts

Der Kläger machte gegen den Beklagten verschiedene Unterlassungsansprüche geltend. Das angegangene LG stellte seine Zuständigkeit in Frage, da der Streitwert unter 5.000 € liege. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass eines Streitwertbeschlusses. Das LG setzte alsdann den Streitwert vorläufig auf bis zu 5.000 € fest. Gegen diesen Beschluss beschwerte sich der Klägervertreter aus eigenem Recht, um eine Festsetzung auf 20.000 € zu erreichen. Das LG half der Beschwerde nicht ab.

Das OLG Koblenz  (Beschl. v. 18.12.2018 – 12 W 661/18, MDR 2019, 893) hat die Beschwerde des Rechtsanwalts des Klägers als unzulässig verworfen! Zwar ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG durchaus eine Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung möglich, dies betrifft jedoch nur die endgültige Festsetzung. Gegen eine – wie hier – ersichtlich vorläufige Festsetzung ist die Beschwerde nur im Verfahren nach den §§ 67, 63 Abs. 1 Satz 2 GKG zulässig, mithin dann, wenn sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe des Vorschusses, der nach der vorläufigen Wertfestsetzung berechnet wurde, wendet. Ansonsten ist die vorläufige Wertfestsetzung nicht beschwerdefähig.

Daran ändert sich auch nichts, wenn eine solche Beschwerde von dem Rechtsanwalt des Klägers eingelegt wird. Zwar gibt § 32 Abs. 2 RVG dem Rechtsanwalt grundsätzlich ein eigenes Beschwerderecht. Diese Vorschrift eröffnet aber keine über die Regelungen des Gerichtskostengesetzes hinausgehende Beschwerdemöglichkeit. Die Beschwerdemöglichkeit des Rechtsanwalts kann damit nicht weitergehen als diejenige der Partei selbst. In diesem Sinne hatte auch schon das OLG Hamm (Beschl. v. 11.3.2005 – 2 WF 49/05, MDR 2005, 1309, s. a. OLG Koblenz (Beschl. v. 7.1.2014 – 3 W 714/13, MDR 2014, 560) entschieden.

Der Anwalt muss somit bedenken, dass das Verfahren nach den §§ 67, 63 GKG die einzige Möglichkeit ist, am Anfang des Verfahrens eine obergerichtliche Entscheidung zur richtigen Streitwerthöhe zu erlangen und damit Einfluss auf die erstinstanzliche gerichtliche Zuständigkeit zu nehmen. Anderenfalls bleibt nur folgender Weg: Es wird kein Verweisungsantrag gestellt und eine Klageabweisung als unzulässig provoziert. Dagegen kann dann Berufung eingelegt werden und das Berufungsgericht wird sich regelmäßig zur Höhe des Streitwertes verbindlich äußern müssen. Da in solchen Fällen aber – wenn die Berufung nicht zurückgewiesen wird – eine Aufhebung und Zurückverweisung erfolgt, verzögert diese Vorgehensweise den Prozess jedoch erheblich und wird daher in aller Regel nicht sachgerecht sein.

 

 

KG: Räumungsverfügung für gewerblich genutzte Räume

In einem Verfahren vor dem KG Berlin (Beschl. v. 9.5.2019 – 8 W 28/19) hatte die Antragstellerin an eine GmbH Gewerberäume vermietet. Die GmbH war rechtskräftig zur Herausgabe der Räume an die Antragstellerin verurteilt worden. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil stellte es sich heraus, dass die beiden Antragsgegner aufgrund eines Untermietvertrages mit der GmbH einen Teil der Räume nutzten. Daraufhin beantragte die Antragstellerin gegen die beiden Antragsgegner den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung der von ihnen in Besitz gehaltenen Räume.

Das LG Berlin wies den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurück, da § 940a ZPO auf Gewerberaummietverhältnisse schon seinem Wortlaut nach nicht direkt und auch nicht analog anzuwenden sei. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Die Frage, ob diese Sicht der Dinge zutreffend ist oder nicht, ist in der Rechtsprechung umstritten. Zuletzt hatten das OLG München (Beschl. v. 12.12.2017 – 32 W 1939/17, MDR 2018, 427) und das OLG Dresden (Urt. v. 29.11.2017 – 5 U 1337/17, MDR 2018, 204; diese Entscheidung wurde bereits im Blog besprochen!) die Frage bejaht. Das KG war bisher anderer Auffassung. Die Einzelrichterin hat die Sache gemäß § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO auf den Senat übertragen, der die bisherige Rechtsprechung des KG ändert und sich nunmehr der Sichtweise des OLG München und OLG Dresden anschließt!

Das KG folgt der Auffassung, dass § 940a ZPO auf Gewerbemietverhältnisse weder direkt noch analog anzuwenden ist, da eine planwidrige Regelungslücke insoweit nicht besteht. Allerdings kann die Wertung, die § 940a ZPO enthält, auch im Rahmen des § 940 ZPO berücksichtigt werden. Damit wird auf diesem Umweg das zweifelsohne sachgerechte Ergebnis erzielt, das auch aus praktischen Gründen erforderlich ist.

Daher kann festgehalten werden: Eine Räumungsverfügung ist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung der Vorschriften der § 940, § 940a ZPO auch für gewerblich genutzte Räume zulässig.

Fazit: Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass auch und erst recht im Bereich des gewerblichen Mietrechts versucht wird, eine Räumung mit allen Mitteln zu verhindern. Nachdem nunmehr auch das KG „eingeknickt“ ist, dürfte spätestens diese Entscheidung nunmehr für die Zukunft eine herrschende Meinung begründet haben.

 

OLG Frankfurt: Erstattung von Reisekosten eines Anwaltes, der am Sitz der Partei ansässig ist

Die Beklagte beauftragte einen Rechtsanwalt, dessen Kanzlei sich nicht im Gerichtsbezirk, sondern am Sitz der Partei befand (sog. „Distanzanwalt“). Demgemäß musste der Rechtsanwalt zu zwei Terminen zum Prozessgericht anreisen. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren machte die Beklagte entsprechende Reise- und Übernachtungskosten ihres Rechtsanwaltes geltend, worüber das OLG in der erst jetzt näher bekannt gewordenen Entscheidung (Beschl. v. 7.5.2018 – 6 W 37/18) zu befinden hatte.

Das OLG betont zunächst, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes am Sitz der Partei im Hinblick auf das hier gebotene persönliche Beratungsgespräch zwischen der Partei und ihrem Anwalt auch im Zeitalter der modernen Kommunikationstechniken anzuerkennen ist. Mithin dient die Beauftragung eines Distanzanwalts regelmäßig der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Diese Reisekosten des Rechtsanwaltes sind daher berechtigt und bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen. Zwar war hier dem Prozess ein Eilverfahren vorausgegangen, dies rechtfertigt aber keine andere Bewertung, zumal gerade nach dem Abschluss eines Eilverfahrens eine persönliche Besprechung erforderlich erscheint.

Bei den Übernachtungskosten kommt es darauf an. Gemäß § 758a Abs. 4 ZPO gilt die Zeit zwischen 21.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens als Nachtzeit. Ein Antritt der Reise (z. B. durch das Verlassen der Kanzlei) vor 6.00 Uhr morgens ist daher nicht zumutbar. Darüber hinaus muss bei einer Reise zu einem Gerichtstermin ein Sicherheitspuffer eingebaut werden. Bei einer normalen Reisedauer von knapp vier Stunden ist ein solcher Sicherheitspuffer von 1 ¼ Stunden ausreichend, aber auch notwendig. An Hand der aufgrund dieser Kriterien durchzuführenden Prüfung waren im konkreten Fall die Übernachtungskosten für einen von zwei Terminen erforderlich.

Interessant ist, dass das OLG Frankfurt in dem Beschluss keine einzige Fundstelle zitiert. Die Entscheidung dürfte gleichwohl der herrschenden Auffassung entsprechen (vgl. auch OLG Naumburg, Beschl. v. 8.6.2016 – 12 W 36/16 (KfB), MDR 2016, 1475). Interessant ist noch die Dauer des Sicherheitspuffers. Als Leitlinie wird man vielleicht die These aufstellen dürfen, dass ein Sicherheitspuffer von ungefähr ¼ der Reisezeit angemessen, aber auch ausreichend ist.

KG: Bindungswirkung einer Verweisung an eine Kammer mit spezieller funktioneller Zuständigkeit

In einer Streitigkeit aus einem Bauvertrag gemäß § 72 S. 1 Nr. 2 GVG war ein Mahnbescheid im Februar 2017 ergangen. Nach dem Widerspruch wurde die Sache im Juni 2017 an das LG abgegeben. Am 28.12.2018 ging die Anspruchsbegründung ein. Im Januar 2019 erklärt sich die Zivilkammer für unzuständig und gab die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an die „Baukammer“ ab. Die Baukammer erklärt sich gleichfalls für unzuständig und legte den Rechtsstreit dem KG vor.

Das KG (Beschl. v. 14.3.2019 – 2 AR 6/19) hält sich für zuständig, diesen Konflikt zu entscheiden, zumal beide Entscheidungen des LG den Parteien bekannt gemacht wurden. Gemäß § 40a EGGVG sind § 72a GVG (und auch die „parallele“ Vorschrift des § 119a GVG!) allerdings nicht auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 1.1.2018 anhängig geworden sind. Dabei ist „anhängig“ hier tatsächlich im engen rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Alle schon eingegangenen Verfahren sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, um ein Umtragen derselben und den damit eintretenden Aufwand zu verhindern. Selbst wenn man aber darüber hinaus die Rechtshängigkeit eines Verfahrens fordern würde, wäre diese vorliegend gegeben: Bei einem vorausgegangenen Mahnverfahren tritt nämlich die Rechtshängigkeit mit dem Eingang der Akten bei dem Streitgericht ein! Dies war hier bereits im Jahre 2017.

Freilich könnte man nunmehr die Auffassung vertreten, dass aufgrund eines erlassenen Verweisungsbeschlusses die Baukammer gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO an diesen gebunden sei. Dies ist aber deswegen nicht der Fall, weil es vorliegend um die funktionale Zuständigkeit geht und nach ständiger Rechtsprechung § 281 ZPO auf Abgaben oder Verweisungen unter Abteilungen, Kammern oder Senaten desselben Gerichts generell nicht anzuwenden ist. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da aus dem Fehlen einer dem § 102 GVG entsprechenden Vorschrift (Zivilkammer/Kammer für Handelssachen) zu schließen ist, dass eine Bindungswirkung insoweit vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Letztlich hat dieser Rechtsstreit daher an der Zivilkammer zu verbleiben und ist dort seiner Entscheidung zuzuführen.

OLG Frankfurt: Spezialzuständigkeit der „Ärztekammer“ beim LG

Gemäß § 72a S. 1 Nr. 3. GVG werden bei den Landgerichten  für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen „Spezialkammern“gebildet. Eine entsprechende Regelung enthält die Geschäftsverteilung des LG D. Dort ging eine Klage gegen einen Tierarzt wegen angeblicher Falschbehandlung eines Hundes ein, die bei einer allgemeinen Zivilkammer eingetragen wurde. Der Vorsitzende vertrat die Auffassung, es handele sich um eine Streitigkeit für die Spezialkammer und verfügte entsprechend. Der Vorsitzende der Spezialkammer sah dies anders und legte die Akte dem Präsidium vor. Das Präsidium sah den Eingang als allgemeine Zivilsache. Der Vorsitzende der allgemeinen Zivilkammer erklärte sich daraufhin für unzuständig und legte die Sache dem OLG zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.4.2018 – 13 SV 6/18) lehnte die Bestimmung der Zuständigkeit allerdings ab. Zwar ist § 36 Nr. 6 ZPO auf diese Fallgestaltung grundsätzlich anwendbar. Die bloße Anhängigkeit eines Rechtsstreites reicht dafür aber noch nicht aus. Darüber hinaus fehlt es an einer rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung, da bisher die entsprechenden Verfügungen keiner Partei bekannt gemacht wurden.

Interessant sind jedoch die weiteren Ausführungen des OLG, die vorsorglich erfolgten: Danach betrifft § 72a S. 1 Nr. 3 GVG ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich Ansprüche aus Heilbehandlungen von Ärzten, Zahnärzten, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten. Dies sind ausschließlich Berufsbilder der Humanmedizin. Veterinärmedizinische Behandlungsverträge werden auch von den §§ 630a ff. BGB nicht erfasst. Entscheidender Unterschied zwischen Veterinär- und Humanmedizin ist, dass in der ersteren das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine entscheidende Rolle spielt. Letztlich sind Human- und Veterinärmedizin damit nicht ohne weiteres vergleichbar. Eine erweiternde Auslegung oder gar analoge Anwendung der erwähnten Zuständigkeitsregel auf die Veterinärmedizin kommt damit nicht in Betracht.

Der Rechtsstreit ist daher als allgemeine Zivilsache zu behandeln und zu entscheiden. Tierärzte sind keine Mediziner im Sinne des § 72 S. 1 Nr. 3. GVG.

OLG Brandenburg: Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Antragsteller war in einer Familiensache ein rechtskräftig gewordener Versäumnisbeschluss ergangen. Alsdann wurden gegen ihn aufgrund der in dem Beschluss enthaltenen Kostenentscheidung Kosten festgesetzt. Dagegen wendete sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, der das AG nicht abhalf. Er machte geltend, die Kostenentscheidung sei falsch, die Entscheidung inhaltlich zu hinterfragen und er könne ohnehin keine Kosten bezahlen.

Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19) weist ihn unzweideutig darauf hin, dass diese Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren alle nicht relevant sind. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann die Kostengrundentscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden. Auch kann gegen die Entscheidung, die die Kostengrundentscheidung enthält, nicht mehr vorgegangen werden, wenn diese rechtskräftig ist. Und schließlich ist auch die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden könnte.

Selbst weitergehende materiell-rechtliche Einwände können im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden, mit einer wichtigen Ausnahme: Sie sind unstreitig. Dies wird freilich nur selten der Fall sein, vorliegend ist dafür nichts ersichtlich. Das Kostenfestsetzungsverfahren muss von derartigen Einwänden entlastet werden. Gibt es einmal tatsächlich solche Einwände, so bleibt der betroffenen Partei die Möglichkeit, eine Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu erheben.

Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt: Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, auf der Grundlage eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, und hierzu hat der Rechtspfleger lediglich die Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren zu prüfen. Die Kostengrundentscheidung ist über die gegebenenfalls zulässige und gebotene Auslegung hinaus im Festsetzungsverfahren unkorrigierbar bindend. Entsprechend seiner Zwecksetzung sind im Kostenfestsetzungsverfahren auch materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig.

Manchmal schadet es nicht, auch einmal Basiswissen in Leitsätze zu gießen, um an die Grundsätze zu erinnern, die im Laufe der Jahre durchaus einmal vergessen werden können. Dies getreu der alten Devise: Manche halten das für gängige Praxis, was sie 30 Jahre lang falsch gemacht haben.

 

 

BGH: … einmal wieder zur Wiedereinsetzung

Dem Anwalt der Antragstellerin war in einer Familiensache ein Beschluss am 25.7. zugestellt worden, das Empfangsbekenntnis wurde versehentlich auf den 25.6. datiert. Er legte am 27.7. sofortige Beschwerde ein. Das OLG wies zunächst darauf hin, dass die Beschwerde verspätet sei und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In einem von einem Kanzleiangestellten mit „i. A.“ unterzeichneten Schriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss erst am 25.7. zugestellt wurde, was sich auch aus dem Verfahrensablauf ergab. Gleichzeitig wurde beantragt, die Stellungnahmefrist um drei Wochen, mithin bis zum 20.9. zu verlängern. Das OLG bestätigte daraufhin, dass die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden sei und verlängerte die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß. Die Beschwerdebegründung ging am 13.10. ein. Die Antragstellerin beantragte Wiedereinsetzung und begründete dies wie folgt: Sie habe den Kanzleiangestellten angewiesen (was leider unerledigt geblieben sei), einen weiteren Verlängerungsantrag zu stellen und anschließend auch noch von der Geschäftsstelle des OLG die Auskunft erhalten, die Frist liefe bis zum 16.10.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und das Rechtsmittel verworfen. Der BGH (Beschl. v. 19.12.2018 – XII ZB 53/18, MDR 2019, 302) billigt dies. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdebegründungsfrist ohnehin bis zum 25.9. lief. Die vom Gericht ausgesprochene Verlängerung bis zum 20.9. ging damit in jedem Fall ins Leere. Abgesehen davon bezog sich der Verlängerungsbeschluss, da eine antragsgemäße Verlängerung erfolgte, nur auf den von der Antragstellerin gestellten Verlängerungsantrag. Dieser Verlängerungsantrag war jedoch kein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist, sondern lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem Beschluss.

Eine Wiedereinsetzung scheidet vorliegend aus, da die Frist schuldhaft versäumt wurde. Dem Kanzleiangestellten hätte der Anwalt nicht die Fristverlängerung überlassen dürfen, denn dieser konnte eine solche gar nicht wirksam beantragen. Dieser Antrag unterliegt nämlich nach § 114 Abs. 1 FamFG dem Anwaltszwang. Das hätte der Anwalt wissen müssen. Die angeblich falsche Auskunft der Geschäftsstelle vermag den Anwalt schließlich auch nicht zu entlasten. Nachdem der gestellte Antrag selbst bei großzügigster Auslegung sich lediglich auf den 20.9. bezogen hatte, durfte der Anwalt sich keinesfalls auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen, sondern hätte selbst den Lauf der Frist gewissenhaft prüfen müssen.

Zwei Dinge sind hier einer Erinnerung wert: Zum einen darf nicht vergessen werden, dass auch der Fristverlängerungsantrag regelmäßig dem Anwaltszwang unterliegt. Zum anderen ist für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung grundsätzlich der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich. Da hier aber die Mitteilung des Gerichts sich auf den Antrag bezog, wird dieser sozusagen einbezogen und damit zum Maßstab der ausgesprochenen Fristverlängerung. In diesem Fall wäre mithin mehr anwaltliche Sorgfalt angezeigt gewesen. Im Übrigen kann nicht oft genug vor der Unsitte gewarnt werden, anwaltliche Schriftsätze mit „i. A.“ von Kanzleiangestellten unterzeichnen zu lassen.

 

 

BGH: Notwendige Angaben für einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Rahmen der Zwangsvollstreckung

Im Zwangsvollstreckungsverfahren entstehen regelmäßig zahlreiche Anwaltsgebühren und Auslagen, die oftmals für sich gesehen nicht sehr hoch sind. Um diese insgesamt erfolgreich zu vollstrecken, sind sie immer vollständig bei einem Vollstreckungsauftrag anzugeben. Dies ist mitunter recht mühsam und erfordert umständliche Rechen- und Zeitarbeit. In derartigen Fällen empfiehlt es sich, gelegentlich über alle bisher entstandenen Gebühren einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss zu beantragen (§ 788 ZPO). Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese Positionen dann – sozusagen – festgeschrieben werden.

So wollte auch der Gläubiger im hier zu besprechenden Fall (BGH v. 13.9.2018 – I ZB 16/18, MDR 2019, 127) verfahren. Er legte eine – nicht unterzeichnete – Aufstellung über die bisher entstandenen Vollstreckungskosten vor (Datum, Stichwort, Betrag) und fügte verschiedene Belege dafür bei. Den der gesamten Vollstreckung zugrundeliegenden Titel nannte er allerdings nicht. Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Der begehrte Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), der in formeller und materieller Rechtskraft erwächst. Es muss sich daher aus dem Beschluss und damit auch schon aus dem Antrag ergeben, welche Positionen im Einzelnen Gegenstand desselben sind und aufgrund welchen Titels der Beschluss ergehen soll. Maßgeblich für die Bezeichnung ist § 10 Abs. 2 RVG. Diese Vorschrift lautet: „In der Berechnung sind die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Nummern des Vergütungsverzeichnisses und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Bei Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Angabe des Gesamtbetrags.“ Die in dieser Vorschrift enthaltenen Angaben müssen vorliegen. Auch muss die Berechnung aus sich heraus verständlich sein. Es ist nicht ausreichend, dass sich die Angaben aus den beiliegenden Vollstreckungsunterlagen ergeben. Einer solchen Möglichkeit stehen die § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG entgegen. Darüber hinaus muss der Titel bezeichnet werden, der die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss sein soll.

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen der § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG auch für Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten. Auch hier muss der Gläubiger also ein Mindestmaß an Arbeit investieren, um zu seinem Ziel zu gelangen. Im alltäglichen Massengeschäft der Zwangsvollstreckung müssen gewisse Mindestformalien eingehalten werden. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen. Wer sich an die gängigen Formulare und Musterempfehlungen hält, wird in aller keine Schwierigkeiten haben, einen schlüssigen Antrag zu stellen.

BGH: Kostenerstattung im Befangenheitsverfahren

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit erstattete ein Sachverständiger ein Gutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Kläger lehnten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagten nahmen Stellung. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück und legte den Klägern die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens auf.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens bezüglich des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens stellte sich jetzt die Frage, ob die Beklagten von den Klägern die ihnen im sofortigen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen können. Dies ist nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 7.11.2018 – IV ZB 13/18, MDR 2019, 189) der Fall.

Das Ablehnungsverfahren bezüglich Richter und Sachverständige gehört für den Rechtsanwalt gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zur Instanz. Im sofortigen Beschwerdeverfahren entsteht jedoch eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Dies ist noch klar. Es wird allerdings darüber diskutiert, ob diese Gebühr zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreites zählt (§ 97, § 91 ZPO). Teilweise wird dies nur bejaht, wenn sich die Gegenpartei am sofortigen Beschwerdeverfahren auch tatsächlich beteiligt hatte. Der BGH geht hingegen – mit der h. M. – davon aus, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch besteht. Für die Richterablehnung wurde dies bereits in einer Grundsatzentscheidung bejaht (Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016). Diese Entscheidung ist auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das Befangenheitsverfahen berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden Partei. Vielmehr kann auch der Gegner ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Feststellungen des Sachverständigen bestehen bleiben.

Der Umstand, dass bei einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde umgekehrt kein Kostenerstattungsanspruch besteht, ändert daran nichts. Ob ein Rechtsanwalt die von ihm vertretene Partei darauf hinweisen muss, dass bei einer Vertretung im Rechtbeschwerdeverfahren gesonderte Gebühren entstehen (was wohl eher zu verneinen ist), ist eine Frage, die im hiesigen Zusammenhang der Kostenerstattung nicht relevant ist.

Der Anfall der Gebühr setzt im Übrigen lediglich eine Beauftragung für die Beschwerdeinstanz voraus. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Rechtsanwalt die Partei auch im Ausgangsverfahren vertritt. Die Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist dabei ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt auch Stellung nimmt. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt nach der Entgegennahme der Beschwerdeschrift prüft, ob nunmehr etwas veranlasst werden muss, insbesondere ob eine Stellungnahme abgegeben werden muss oder nicht.

Für die Praxis ist diese Rechtsfrage nunmehr verbindlich entschieden: Die außergerichtlichen Kosten der Gegenpartei des erfolglosen Beschwerdeführers im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 406 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.