Unterschrift auf Gerichtskostenrechnung?

Bei schriftlichen Urteilen und Beschlüssen muss die Urschrift von den erlassenden Richtern unterzeichnet sein. Die Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften müssen erkennen lassen, dass die Urschrift unterzeichnet wurde.

Anders liegt es aber bei der Gerichtskostenrechnung, so der VGH München (Beschluss vom 28.12.2016 – 13 M 6.2464) zur Rechtslage im Bundesland Bayern. Bei der Kostenrechnung handele es sich um einen Kostenansatz nach § 19 GKG, der seiner Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt sei. Nach Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 und 37 Abs. 5 BayVwVfg können Unterschrift und Namenswiedergabe des Kostenbeamten fehlen. Die erlassende Behörde muss aber erkennbar sein.

 

BGH hat Gründe zur Entscheidung des Mitwirkungsverbots einer Richterin im Mutterschutz veröffentlicht

Eine sich im nachgeburtlichen Mutterschutz befindende Richterin hat an Hauptverhandlung der Strafkammer mitgewirkt. Die Verfahrensrüge der Verteidiger griff beim BGH durch. In den jetzt veröffentlichten Entscheidungsgründen vertritt der BGH die Auffassung, dass der nachgeburtliche Mutterschutz einer Richterin zu einem Dienstleistungsverbot führe, das ihrer Mitwirkung in der Hauptverhandlung entgegenstehe. Deren Fortsetzung ohne Beachtung der Mutterschutzfrist führe zu einer gesetzeswidrigen Besetzung des Gericht. Das absolute Dienstleistungsverbot sei für eine Richterin nicht disponibel, nicht verzichtbar. Durch Art. 97 GG werde allein die sachliche Unabhängigkeit im Fall der Begründung seiner Entscheidungszuständigkeit geschützt, nicht aber eine Unabhängigkeit dahin, über die Entscheidungszuständigkeit selbst zu disponieren.

(BGH v. 07.11.2016 – 2 StR 9/15)

Kein § 9 ZPO bei Streit über Krankentagegeld

Der BGH hat sich mit dem Wert von Feststellungsanträgen im Zusammenhang mit einem Krankenversicherungsvertragsverhältnis über ein Krankentagegeld befasst (Beschluss v. 14.12.2016 – IV ZR 477/15).

Bei einem Feststellungsantrag über die fortdauernde, zeitlich nicht feststehende Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung von Krankentagegeld sei der Streitwert regelmäßig das vereinbarte Krankentagegeld auf der Basis einer halbjährigen Bezugsdauer abzüglich eines Feststellungsabschlags (20 %) zugrundezulegen. § 9 ZPO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um ein Recht, das seiner Natur nach und erfahrungsgemäß von der in § 9 ZPO genannten Dauer (3,5 Jahre). Die regelmäßige Dauer für den Bezug von Krankentagegeld liege deutlich unter 3,5 Jahren. Angemessen sei, auf eine Bezugsdauer von einem halben Jahr abzustellen.

Wird darüber hinaus die Feststellung der Fortdauer des Vertragsverhältnisses beantragt, sei dieser Anrag aufgrund der wirtschaftlichen Teilidentität lediglich mit 20 % des vereinbarten Krankentagegeldes für eine halbjährige Bezugsdauer zu berücksichtigen.

Europäische Kontenpfändung ab 18.01.2017

Die Verordnung (EU) Nr. 655/2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuKoPfVO) tritt am 18.01.2017 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften in Kraft (EuKoPfVODG).

Das in der EuKoPfVO geregelte Verfahren ist strukturell vergleichbar mit dem Arrestverfahren gemäß den §§ 916 ff. ZPO in Verbindung mit einem Kontenpfändungsbeschluss nach § 829 ZPO. Das Konto wird lediglich vorläufig gepfändet („eingefroren“). Da die Kontenpfändung nur der Sicherung der Zwangsvollstreckung und nicht der Befriedigung des Gläubigers dient, wird der gegenüber der Bank bestehende Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens dem Gläubiger nicht zur Einziehung oder an Zahlungs statt überwiesen. Die EuKoPfVO sieht den Erlass eines einheitlichen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung vor, der gemäß den Art. 23 ff. EuKoPfVO von der Bank umzusetzen ist.

Das deutsche Recht sieht hingegen im Grundsatz zwei gerichtliche Entscheidungen vor: Es unterscheidet zwischen dem Verfahren auf Anordnung des Arrests (§§ 916 ff. ZPO) und der Vollziehung des Beschlusses (§§ 928 bis 930 ZPO in Verbindung mit den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung). Hat der Antragsteller in einem ersten Schritt einen Arrestbeschluss bzw. ein Arresturteil erwirkt, muss er in einem zweiten Schritt einen Beschluss des zuständigen Gerichtes zur Pfändung des Kontos gemäß § 930 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit den §§ 829 ff. ZPO erwirken. Für die Pfändung einer Arrestforderung ist das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht zuständig, § 930 Abs. 1 S. 3 ZPO. Ein gleichzeitiger Erlass von Arrest und Pfändung in einem Beschluss ist möglich.

Das EuKoPfVODG beinhaltet nationale Durchführungsvorschriften, insbesondere zur Klarstellung, welche Gerichte, Behörden und Personen im Inland für den Erlass und die Durchführung des Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, für die Veranlassung und die Durchführung von Zustellungen sowie für die Entscheidung über etwaige Rechtsbehelfe zuständig sind. Aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit dem Zwangsvollstreckungsrecht und dem Arrestverfahren werden die Regelungen zum Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Buch 8 der ZPO im Anschluss an den Abschnitt 5 (Arrest und zur einstweilige Verfügung) eingefügt. Zudem werden Änderungen im Rechtspflegergesetz und im Kostenrecht vorgenommen.

Hinweis: Eine Erstkommentierung der §§ 946 ff. ZPO (Stand 1.12.2016) von Prof. Reinhold Geimer als Nachtrag  zur 31. Auflage 2016 des Zöller (Kommentar zur Zivilprozessordnung) finden Sie hier.

2017: Pflicht des Rechtsanwalts zur Einreichung von Schutzschriften beim elektronischen Schutzschriftenregister

Zum 01.01.2017 tritt § 49c BRAO in Kraft. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsanwälte verpflichtet, Schutzschriften ausschließlich zum Schutzschriftenregister nach § 945a ZPO einzureichen.

Wird gegen diese Vorschrift von dem Rechtsanwalt verstoßen und eine Schutzschrift bei Gericht eingereicht, bleibt die eingereichte Schutzschrift verfahrensrechtlich wirksam und muss vom Gericht beachtet werden. Jedoch muss der Rechtsanwalt den Verstoß berufsrechtlich verantworten.

BMJV schlägt Regelungen zu Anspruch auf Hinterbliebenengeld vor

Das BMJV hat einen Referentenentwurf vom 23.12.2016 für ein Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld veröffentlicht. Hinterbliebene sollen künftig im Sinne einer Anerkennung ihres seelischen Leids wegen der fremdverursachten Tötung eines ihnen besonders nahestehenden Menschen von dem hierfür Verantwortlichen eine Entschädigung verlangen können.

 

In einem neuen Absatz 3 § 844 BGB soll etwa heißen:

„Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“

 

 

BAG: Unzulässigkeit der Anhörungsrüge gegen verkündete, aber noch nicht zugestellte Entscheidung

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BAG haben Beteiligte gegen eine Entscheidung, die verkündet, aber in schriftlicher Abfassung noch nicht zugestellt war, Anhörungsrüge erhoben. Dies ist unzulässig, meint das BAG (Beschluss v. 29.11.2016 – 10 BABR 68/16 (F)).

Ein Beteiligter könne eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung nur darlegen, wenn er die Gründe der beanstandeten Entscheidung kenne. Einer Anhörungsrüge, die vor Bekanntgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung erhoben sei, fehle zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit. Allein die schriftliche, von allen Senatsmitgliedern unterschriebene Entscheidungsfassung sei maßgebend. Demgegenüber hätten die mündlich mitgeteilten Gründe nur die Bedeutung einer vorläufigen Information. Welche Erwägungen für die Entscheidung tatsächlich tragend seien, könne den mündlich mitgeteilten Gründen verbindlich ebenso wenig entnommen werden, wie einer Presseerklärung.

Verzinsung eines Gerichtskostenvorschusses vor Stellung eines Kostenfestsetzungsantrags

Das OLG München (v. 30.11.2016 – 7 U 2038/16) meint, dass es für einen Anspruch auf Verzinsung eines eingezahlten Gerichtskostenvorschusses für den Zeitraum vor Stellung eines Kostenfestsetzungsantrags (vgl. zu diesem Zeitpunkt § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO) keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage gebe. Weder § 256 noch § 288 BGB seien eine geeignete Grundlage. Die Frage ist in der Rechtsprechung umstritten, genauso wie die Frage, ob für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs die Feststellungsklage oder die Leistungsklage nach § 258 ZPO zu erheben wäre (vgl. hierzu auch BGH v. 18.02.2015 – XII ZR 199/13).

Angemessenheit einer vereinbarten Vergütung im zivilrechtlichen Mandat

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 10.11.2016 (IX ZR 119/14) seine für die vereinbarte Vergütung von Strafverteidigern entwickelte Vergütungsgrenze auf die vereinbarte Vergütung für Rechtsanwälte in zivilrechtlichen Streitigkeiten erweitert.

Nach § 3a Abs. 2 S.1 RVG ist eine vereinbarte Vergütung, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist, auf die angemessene Höhe herabzusetzen. Auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten spreche nun nach Auffassung des BGH eine tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung, wenn sie die gesetzliche Vergütung um mehr als das 5-fache übersteigt. Die Vermutung führe dazu, dass der Rechtsanwalt darzulegen und zu beweisen habe, dass und in welchemUmfang das vereinbarte Hohorar für das konkrete Mandat angemessen sei.

Beschwerdewert der Nichtzulassungsbeschwerde bleibt auch über 2016 hinaus bei EUR 20.000

Der Bundestag hat am 01.12.2016 beschlossen, dass die Befristung für den Wert des Beschwerdegegenstandes bei der Nichtzulassungsbeschwerde von mehr als EUR 20.000 bis zum 30.06.2018 verlängert wird (vgl. BT-Drucksache 18/10470). Der BT-Rechtsausschuss hat hierzu ausgeführt, dass es ohne die Wertgrenze bereits vor geraumer Zeit zu einer nicht mehr tragbaren Belastung des Bundesgerichtshofs gekommen wäre. Im Hinblick auf die gestiegenen Eingangszahlen bei den Nichtzulassungsbeschwerden, die insbesondere auf das am 27.10.2011 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des § 522 ZPO zurückzuführen seien, sei die Entwicklung über einen weiteren Zeitraum von 18 Monaten zu beobachten.

Die Verlängerung der Befristung führt gleichzeitig zum Fortbestehen der Entlastung der Berufungsgerichte (Landgerichte, Oberlandesgerichte). Denn in den Fällen, in denen ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben ist (also wenn der eine Nichtzulassungsbeschwerde den Beschwerdewert voraussichtlich nicht erreichen würde) muss die Berufungsentscheidung keinen Tatbestand enthalten (§§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO).