Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Auskunftspflicht eines Rechtsanwalts und Notars als Ehegatte im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Zugewinnausgleich.

Auskunftserteilung und Belegvorlage in Zugewinnausgleichsverfahren
BGH, Beschluss vom 25. September 2024 – XII ZB 508/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite der Verpflichtung aus § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Beteiligten sind seit 2010 verheiratet und streben die Scheidung der Ehe an. Im Verbundverfahren machen sie im Wege von Stufenanträgen wechselseitig Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend. Maßgeblicher Stichtag ist der 1.9.2018. Der Ehemann ist selbständiger Rechtsanwalt. Seit 2014 ist er zusätzlich als Notar tätig. Die Ehefrau begehrt umfangreiche Auskünfte zum Gewinn und zu den Vermögensverhältnissen seiner Kanzlei.

Das AG hat den Ehemann unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bezüglich seiner Kanzlei für das Jahr 2018 vorzulegen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG den Ehemann darüber hinaus verpflichtet, Auskunft über die offenen Forderungen, die am 1.9.2018 zu seinen Gunsten in der Kanzlei bestanden, und über den Sachwert des Notariats durch Angabe der wertbildenden Faktoren einschließlich der am 1.9.2018 offenen Forderungen des Notariats zu erteilen sowie die Auskünfte stichtagsbezogen durch Vorlage vollständiger Listen der offenen Forderungen zu belegen.

Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns bleibt ohne Erfolg.

Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB können Ehegatten nach Stellung eines Scheidungsantrags wechselseitig Auskunft über das für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebliche Vermögen verlangen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt nur dann, wenn sich die Auskunft unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann.

Bei der Bewertung einer freiberuflichen Praxis sind ihr Substanzwert und der übertragbare Teil ihres ideellen Werts (Goodwill) zu berücksichtigen. Der Substanzwert wird auch durch die offenen Forderungen für bereits geleistete Arbeiten bestimmt. Dies reicht aus, um eine Auskunftspflicht zu bejahen – unabhängig davon, mit welchem Betrag die Forderungen letztlich bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind.

Ob ein Notariat einen veräußerbaren ideellen Wert hat, obwohl der Notar Träger eines öffentlichen Amtes ist und dieses nicht veräußern kann, ist in der Literatur umstritten. Der BGH lässt die Frage offen. Jedenfalls die offenen Forderungen eines Notars sind veräußerbare Vermögensgegenstände, die den Sachwert des Notariats mitbestimmen.

Der Ehemann ist auch dann zur Auskunft über offene Forderungen verpflichtet, wenn er in Kanzlei und Notariat keine diesbezüglichen Listen führt. Er muss ein solches Verzeichnis gegebenenfalls zum Zwecke der Auskunft erstellen. Solche Listen sind entgegen der Auffassung des OLG keine Belege im Sinne von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern Bestandsverzeichnisse im Sinne von § 260 Abs. 1 BGB.

Praxistipp: Die Pflicht zur Vorlage von Belegen gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht sich lediglich auf vorhandene Unterlagen, nicht hingegen auf die Erstellung von Unterlagen durch eigene schöpferische Leistung.

BGH: Fremde Bewertungen können solche des Portablbetreibers werden

Plattformbetreiber haften für fremde Meinungsäußerungen nur beschränkt. Rechtsprechung und Literatur haben ein ausgewogenes System entwickelt, das einerseits die Rechte des Bewerteten, andererseits aber auch die Meinungsfreiheit der Bewertenden wahrt.

In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall berief sich ein Plattformbetreiber auf diese lediglich vermittelnde Stellung zwischen Nutzer und bewertetem Unternehmen. Ausnahmsweise soll der Plattformbetreiber hier jedoch als unmittelbarer Störer doch haften.

Was ist passiert?

Der Plattformbetreiber hat auf eine Beschwerde hin eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Bewertenden die Bewertungsformulierung angepasst, die Bewertung hiernach veröffentlicht.

„Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt, hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten.“

Praxistipp:

Plattformbetreiber – auch abseits von Bewertungsportalen kann dies z.B. Forenbetreiber treffen – sollten im Falle von Beanstandungen die beanstandeten Inhalte zunächst sperren und den jeweiligen Nutzer zu einer Stellungnahme auffordern. Sollte diese ausbleiben, sollten die Inhalte dauerhaft gesperrt bleiben. Es ist tunlichst von einer eigenmächtigen Anpassung von Äußerungen abzusehen.

Für Personen, die von rechtverletzenden Äußerungen betroffen sind, erhöht dies die Rechtsschutzmöglichkeiten, da Bewertende sich teils nach einer solche Bewertung „den Frust von der Seele geschrieben“ haben und Tage, Wochen oder Monate später oft nur eine sehr geringe Bereitschaft besteht, sich mit den Inhalten nochmals auseinanderzusetzen. Die Löschung von Äußerungen wäre dann die Folge.

 

BGH Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 (Pressemitteilung)