Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um zwei nahezu klassische Fragen, die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder stellen.

Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs
Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19

Mit den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte wegen eines Brandschadens in der Autoreparaturwerkstatt ihres Versicherungsnehmers in Anspruch. Die Beklagte hatte einen Lkw in die Werkstatt gebracht, um die Hinterreifen auszutauschen und am nächsten Tag eine TÜV-Untersuchung durchzuführen. In der Nacht vor der Untersuchung geriet das Werkstattgebäude in Brand. Als Ursache wurde ein Defekt des in der Werkstatt abgestellten Lkw festgestellt. Unklar blieb, ob der Defekt am Motor oder an einem in der Fahrerkabine eingebauten Kühlschrank entstanden war. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Die Beklagten unterliegt auch in der dritten Instanz.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist, wenn das Schadensgeschehen auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen ist. Zu den Betriebseinrichtungen gehören nicht nur Teile, die für die Transport- und Fortbewegungsfunktion von Bedeutung sind, sondern alle Bestandteile, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen, indem sie dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalten sollen. Dazu gehört auch ein in das Fahrzeug eingebauter Kühlschrank.

Praxistipp: Nicht von § 7 Abs. 1 StVG erfasst sind Schäden, die dadurch verursacht worden sind, dass ein Kraftfahrzeug als Arbeitsgerät eingesetzt worden ist, ohne am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen
Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19

Mit den Folgen einer fehlerhaften Anweisung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine Publikums-KG, begehrt vom Beklagten, dem Insolvenzverwalter einer anderen KG, die Feststellung einer Darlehensforderung zur Insolvenztabelle. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde das Darlehen vom damaligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der späteren Insolvenzschuldnerin war, gewährt und die Darlehenssumme unmittelbar an eine Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin ausgezahlt. Die Komplementärin der Schuldnerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurfte die Gewährung von Krediten unter bestimmten Voraussetzungen aber der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Nach dem Vortrag der Beklagten fiel das in Streit stehende Darlehen unter diese Bestimmung. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Darlehensvertrag nicht schon deswegen unwirksam, weil er ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung geschlossen wurde. Die Komplementärin der Insolvenzschuldnerin hat durch den Abschluss dieses Vertrags zwar ihre internen Befugnisse überschritten. Bei einem Insichgeschäft eines von § 181 BGB befreiten Vertreters führt ein solcher Verstoß aber nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen Missbrauchs der – im Außenverhältnis wirksamen – Vertretungsmacht, wenn der Vertrag für den Vertretenen nachteilig ist. Hierzu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, ergäbe sich aus dem Klägervorbringen ein gegen die Beklagte gerichteter Bereicherungsanspruch. Der Darlehensbetrag ist nach dem Vortrag der Klägerin zwar an einen Dritten geflossen. Der Bereicherungsanspruch richtet sich ggf. aber gegen die Schuldnerin, weil die Zahlung auf ihre Weisung erfolgt ist und der Tilgung einer ihr obliegenden Verbindlichkeit gedient hat. Dass die Weisung im Falle eines Vollmachtsmissbrauchs ebenfalls unwirksam ist, steht dem nicht entgegen. Der Zahlungsempfänger, für den der Missbrauch nicht erkennbar war, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Weisung geschützt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Geschäftsführer im Außenverhältnis zur Vertretung der Schuldnerin befugt war und nur gegen Beschränkungen im Innenverhältnis verstoßen hat.

Praxistipp: Aufgrund der Sonderregelung in § 675u BGB ist das Vertrauen des Zahlungsempfängers nicht geschützt, wenn die Leistung durch einen Zahlungsdienstleister erfolgt und der zugrunde liegende Zahlungsauftrag zuvor storniert worden ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Eine eher singuläre prozessuale Situation und eine allgemeine Frage des Bereicherungsrechts behandeln die beiden Entscheidungen aus dieser Woche.

Eine zu Unrecht zugelassene, aber dennoch erfolgreiche Rechtsbeschwerde
Urteil vom 7. Februar 2018 – VII ZB 28/17

Das Spannungsverhältnis zwischen der dem BGH zugewiesenen Aufgabe und dem Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit verdeutlicht eine Entscheidung des VII. Zivilsenats.

Die Klägerin hatte Vergütung für die Schaltung einer Werbeanzeige im Internet begehrt. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung legte das AG die Kosten gemäß § 91a ZPO der Klägerin auf. Die Beschwerde dagegen blieb erfolglos.

Der BGH hebt die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander auf. Er stellt zunächst klar, dass das LG die Rechtsbeschwerde nicht hätte zulassen dürfen, weil ein Verfahren nach § 91a ZPO nicht dazu dient, grundsätzliche Fragen des materiellen Rechts zu klären. Da die Zulassung für den BGH bindend ist, hatte er die angefochtene Kostenentscheidung dennoch zu überprüfen. Dies führte zur Kostenaufhebung, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von einer Rechtsfrage abhing, die nicht einfach zu beantworten war und deshalb im Verfahren nach § 91a ZPO nicht zu beantworten ist.

Praxistipp: Anders als in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht bindend, wenn dieses Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung von vornherein nicht in Betracht kommt.

Bereicherungsausgleich nach Direktzahlung eines Jobcenters an einen Vermieter
Urteil vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 39/17

Mit einem Fall des Bereicherungsausgleichs in Dreiecksverhältnissen befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten ein Einfamilienhaus vermietet. Das klagende Jobcenter hatte die Miete für den leistungsberechtigten Mieter direkt an die Beklagten überwiesen. Im Juli 2014 reichten die Mieter beim Kläger einen Mietvertrag über eine andere Wohnung ein. Einen Tag später überwies der Kläger die Miete für August an die Beklagten. Diese verweigerten die Rückzahlung unter Berufung auf Gegenforderungen gegen den Mieter. Das AG wies die Klage ab. Das LG verurteilte die Beklagten antragsgemäß.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er beginnt seine Erwägungen mit dem klassischen Satz, dass sich beim Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen jede schematische Betrachtung verbietet, wendet dann aber die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze an. Danach ist die Zahlung als Leistung des Mieters an die Beklagten anzusehen, weil nur der Miter in einer Leistungsbeziehung zu diesen stand. Dem Kläger steht dennoch ein Bereicherungsanspruch unmittelbar gegen die Beklagten zu, weil der Mieter seine Anweisung, die Leistungen direkt an die Beklagten zu zahlen, durch Vorlage des neuen Mietvertrags konkludent widerrufen hat und weil den Beklagten bekannt war, dass ihnen für August kein Anspruch auf Miete mehr zustand.

Praxistipp: Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn der alte Mietvertrag fortbesteht und der Vermieter auch sonst keine Anhaltspunkte dafür hat, dass es sich um eine Zuvielzahlung handelt.