LG Leipzig: Kundendaten aus unwirksamer Werbeeinwilligungsklausel „kontaminiert“

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat mal so richtig aufgeräumt bei Primacom. Der TK-Anbieter hatte eine Vielzahl von rechtswidrigen Gestaltungen in Werbe- und Vertragsmaterialien, wobei es im vorliegenden Rechtsstreit nur um die daraus gewonnenen Kundendaten ging.

Aus dem Formulierungsgiftschrank stammt auch folgende Werbeeinwilligungsklausel, auf deren Grundlage Primacom scheinbar Daten verarbeitet hat:

„Ich stimme hiermit der Nutzung und/oder Übermittlung meiner Daten an Dritte zu Werbe- und marktforschungszwecken im Auftrag der GEsellschaft zu und erkläre mich einverstanden, per Telefon, Brief und/oer E – Mail im Rahjmen von Marketingaktionen über Produktveränderungen informiert zu werden. Ich bin berechtigt, mein Einverständnis jederzeit mit sofortiger Wirkung gegenüber der Gesellschaft zu widerrufen.“

Diese Klausel wirkt, als sei sie in den Anfangszeiten des Marketings erstellt worden. Sämtliche Anforderungen, die die Rechtsprechung an wirksame Werbeeinwilligungsklauseln stellt, hält diese Klausel nicht ein. Es ist unklar, wer die Daten erhält (Empfänger von Daten), es ist unklar, für welche Produkte die Nutzung erfolgen soll. Noch jüngst hatte der BGH diese Kriterien bestätigt (BGH, Urt. v. 14.3.2017 – VI ZR 721/17, MDR 2017, 571).

Praxistipp: Werbeeinwilligungen bedürfen heutzutage gehöriger Aufmerksamkeit, um den Betroffenen ausreichend zu informieren. Durch weitere Maßnahmen, wie dem Einsatz eines Double-Opt-In-Verfahrens, dem eine möglichst zuverlässige Dokumentation der Einwilligungen folgt, ist dies zu flankieren. Der Lohn für diese Bemühungen sind dann jedoch äußerst wertvolle Kundendatensätze. Insbesondere renommierte Unternehmen haben kein Interesse an abgefischten Werbedatensätzen, sind jedoch für rechtmäßig erlangte Rohdaten bereit, mehr zu investieren. Die Entscheidung des LG Leipzig zeigt, dass der Umgang mit unrechtmäßig erlangten Daten ebenfalls ahndbar ist, was bisher nur in seltenen Fällen verfolgt wurde. Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung ändern sich insbesondere die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, sodass auf viele Unternehmen diese Herausforderung zukommt.

LG Leipzig Urt. v. 03.11.2017, 04 HK 0 2188/16

BGH: Unerlaubter Werbeanruf (B2B) steht nicht einem Vertragsschluss (oder einer Forderung hieraus) entgegen

Der BGH hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil vom 21. 4. 2016 – I ZR 276/14 – Lebens-Kost) mit einem Fall von Telefonwerbung und einem nachfolgenden Vertragsschluss auseinanderzusetzen. Ein Unternehmer wurde von einem anderen Unternehmer telefonisch kontaktiert. In einem ersten Telefonat willigte der Angerufene ein, nochmals kontaktiert zu werden, in einem Folgegespräch wurde dann ein Vertrag geschlossen. Gegen den Zahlungsanspruch aus dem Vertrag wandte der Angerufene nunmehr ein, unzulässigerweise telefonisch belästigt worden zu sein.

Das Landgericht Bonn (LG Bonn Urteil vom 05.08.2014 Az.: 8 S 46/14) hat in der Vorinstanz lehrbuchmäßig die diversen Einwendungen des Angerufenen geprüft und abgelehnt (§ 138 BGB, § 134 BGB, § 142 BGB), dann aber einen aufrechenbaren Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG angenommen (unerlaubte Handlung in Form des Werbeanrufs), deren kausaler Schaden die nun geltend gemachte Forderung aus dem geschlossenen Vertrag sei. Wenn auch eine Kausalität eindeutig vorliegt (ohne Anruf kein Vertrag) sind hierbei aus meiner Sicht bedeutende Prüfungspunkte des Schadensersatzanspruchs wortlos übergangen worden.

Der BGH geht zweistufig vor. Zunächst wird der erste Anruf behandelt, in dem lediglich eine Einwilligung für einen weiteren Anruf abgefragt wurde. Dieser erfolgte zwar möglicherweise unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Mangels Abschlusses eines Zahlungspflichtigen Vertrages ergab sich hieraus aber noch kein Schaden. Der zweite Anruf erfolgte nicht entgegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da im ersten Anruf eine Einwilligung erklärt worden sei. Diese scheitere insbesondere nicht an den Umständen des ersten Anrufs, da § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nur vor Belästigungen, nicht aber vor möglichen Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit durch eine eventuelle Überrumpelungssituation schütze.

Die Zergliederung in zwei Anrufe, insbesondere die letztgenannten Ausführungen des BGH sind eigentlich obsolet. Selbst wenn hier nur ein einziger Anruf erfolgt wäre, würde § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nur vor Belästigungen, nicht jedoch vor Mängeln der Entscheidungsfreiheit schützen, sodass aus diesem Grunde bereits kein aufrechenbarer Gegenanspruch bestünde.

 

 

Für die Praxis bedeutet dies, dass es grundsätzlich bei dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ bleibt. Einmal abgeschlossene Verträge im B2B-Bereich sind grundsätzlich zu erfüllen, selbst wenn die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Telefonanrufs nicht vorliegen.