Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um die Anforderungen an elektronisch eingereichte Schriftsätze.

Unzulässigkeit einer sog. Container-Signatur
Beschluss vom 15. Mai 2019 – XII ZB 573/18

Mit einer bereits von drei anderen Obersten Gerichtshöfen des Bundes behandelten Frage befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von rund 48.000 Euro verurteilt worden. Am letzten Tag der Frist legte ihr Anwalt über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) Berufung ein. Die Berufungsschrift und eine Kopie des angefochtenen Urteils waren der EGVP-Nachricht als Anhang in Form von zwei PDF-Dateien beigefügt. Die Nachricht war – wie bei EGVP üblich – insgesamt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die einzelnen PDF-Dateien waren nicht qualifiziert signiert. Das OLG wies einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass eine Container-Signatur den seit 1.1.2018 geltenden, in § 130a ZPO n.F. normierten Anforderungen an ein elektronisches Dokument nicht genügt. In gleichem Sinne hatten bereits das BSG, das BVerwG und das BAG entschieden. Nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs (ERVV) dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Eine Container-Signatur fällt unter dieses Verbot, weil sie sich nicht nur auf eine einzelne PDF-Datei bezieht, sondern auf den Text der EGVP-Nachricht und alle daran angefügten Anhänge. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet, weil der Anwalt der Beklagten die maßgebliche Rechtslage hätte kennen müssen.

Praxistipp: Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es seit 1.1.2018 nicht mehr, wenn ein Anwalt ein von ihm verantwortetes Dokument über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einreicht. Zur Sicherheit empfiehlt es sich dennoch, an jedem PDF-Dokument eine Signatur anzubringen. Dies kann auch mit Hilfe der beA-Software erfolgen.

Kein elektronischer Rechtsverkehr beim Bundesverfassungsgericht – aber bei allen anderen Gerichten

Der elektronische Rechtsverkehr scheint kurioserweise dort besonders beliebt zu sein, wo ihn das Gesetz noch nicht zugelassen hat.

Kurz vor Weihnachten sah sich das BVerfG veranlasst, durch Pressemitteilung (Nr. 84/2018 vom 7.12.2018) auf einen Beschluss hinzuweisen, in dem eine per DE-Mail eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2018 – 1 BvR 2391/18; dazu Wöbbeking, CR 2019 Heft 1 R7). Der entschiedene Einzelfall gab dazu nicht unbedingt Veranlassung, denn das BVerfG sah die in Rede stehende Verfassungsbeschwerde auch wegen ausreichender Substantiierung als unzulässig an. Die im Beschluss enthaltenen Ausführungen, dass der Rechtsbehelf schon deshalb unzulässig ist, weil das Gesetz den elektronischen Rechtsverkehr beim BVerfG bislang nicht vorsieht, haben vor diesem Hintergrund eher generalpräventiven Charakter.

Anlass zu dieser Klarstellung dürfte der Umstand gegeben haben, dass das BVerfG mittlerweile das einzige deutsche Gericht ist, bei dem der elektronische Rechtsverkehr nicht eröffnet ist. Bei allen anderen Gerichten sind elektronische Einreichungen seit gut einem Jahr zulässig. Rechtsanwälten steht mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA; dazu etwa Bacher MDR 2017, 613) hierfür ein besonders sicherer Kommunikationsweg zur Verfügung.

Allerdings ist die Zahl der elektronischen Eingänge bei den meisten Gerichten bislang eher gering. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte die Angst vor technischen Komplikationen und dadurch verursachten Fristversäumnissen sein. Dass diese Gefahr besteht, belegt der Umstand, dass seit Inkrafttreten der neuen Regeln bereits drei oberste Gerichtshöfe des Bundes elektronische Einreichungen wegen Verwendung einer sog. Containersignatur als unwirksam angesehen haben (BSG, Beschl. v. 9.5.2018 – B 12 KR 26/18 B, NJW 2018, 2222; BAG, Beschl. v. 15.8.2018 – 2 AZN 269/18, MDR 2018, 1519; BVerwG, Beschl. v. 7.9.2018 – 2 WDB 3/18, NVwZ 2018, 1880). Diese Risiken dürften aber weitaus geringer wiegen als das Risiko, dass eine kurz vor Fristablauf begonnene Übermittlung per Telefax scheitert. Bezeichnenderweise gewährten das BSG und das BVerwG in den zitierten Entscheidungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und das BAG ließ die Frage nur deshalb offen, weil es das Rechtsmittel aus anderen Gründen als unzulässig ansah. Bei missglückten Übermittlungsversuchen per Telefax ist die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingegen fast die Regel (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 67/17, MDR 2019, 82 [Bacher]).

Die formellen Anforderungen an elektronisch übermittelte Schriftsätze ergeben sich aus der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERVV, dazu Bacher, MDR 2019, 1). Um sie einzuhalten – und um im Falle eines Fehlers Aussicht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu haben – bedarf es in der Anwaltskanzlei einiger organisatorischer Vorkehrungen (näher dazu Bacher in: Vorwerk, Das Prozessformularbuch, 11. Aufl. 2019, Kapitel 28 Rn. 72 ff.). Der Aufwand dafür dürfte sich aber in überschaubaren Grenzen halten und durch die zusätzliche Sicherheit im Vergleich zum Telefaxversand mehr als aufgewogen werden.

Praxistipp: Auch wenn dies beim Versand aus dem beA nicht mehr zwingend erforderlich ist, sollte jeder elektronische Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.