Der BGH hat sich erneut mit Beschl. v. 15.9.2020 – VI ZB 60/19 mit der Fristwahrung per Telefax befasst. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Rechtsanwalt begann am Tage des Fristablaufes um 23.40 Uhr, eine Berufungsbegründung an die Außenstelle eines OLG zu übermitteln. Um 23.47 Uhr erhielt er eine Fehlermeldung, es wurden einige Seiten übermittelt, allerdings nicht diejenige mit der Unterschrift. Anschließend wurde eine erneute Übermittlung versucht, die wiederum scheiterte, was um 23.53 Uhr feststand. Ein letzter Versuch scheiterte gleichfalls, was um 00.01 Uhr feststand. Kurze Zeit später gelang es, die Berufungsbegründung in einer Zeit von knapp zwei Minuten an die Hauptstelle des OLG zu übermitteln. Das Faxgerät des Rechtsanwalts war so eingestellt, dass es im Rahmen einer Anwahl jeweils vier Übermittlungsversuche hintereinander unternahm. So wurde die Frist versäumt.
Der Wiedereinsetzungsantrag blieb erfolglos! Denn es bleibt – was ausreichend ist (!) – zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumnis auf einem Verschulden des Rechtsanwalts beruht. Dieses muss sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Zunächst fasst der BGH informativ die Grundsätze der Sorgfalt in derartigen Fällen zusammen: Grundsätzlich darf eine Frist bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden. Risiken, die aus technischen Gegebenheiten resultieren, dürfen nicht auf den Benutzer abgewälzt werden. Normalerweise reicht es, die richtige Nummer zu wählen und so rechtzeitig mit der Übermittlung zu beginnen, so dass mit ihrer Beendigung vor Fristablauf unter normalen Umständen gerechnet werden kann. Allerdings müssen auch Verzögerungen einkalkuliert werden, mit denen gleichfalls unter normalen Umständen zu rechnen ist (z.B. unterschiedliche Übertragungsgeschwindigkeiten und Belegung des Empfangsgerätes durch andere Sendungen). Demgemäß ist ein Sicherheitszuschlag von ungefähr 20 Minuten einzuplanen. Scheitert jedoch eine Übermittlung, so sind alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen. Hierzu gehört u. a., eine weitere Faxnummer des Gerichts zu ermitteln (z.B. über den Internetauftritt des Gerichts) und die Sendung dorthin zu übermitteln bzw. dies wenigstens zu versuchen. Dies ist vor allem dann geboten, wenn das Gericht (z. B., weil es Außenstellen unterhält) über mehrere verschiedene Faxanschlüsse verfügt.
Demgemäß ist dem Rechtsanwalt hier vorzuwerfen, dass er – nach dem Scheitern des zweiten Übermittlungsversuchs – noch einen dritten an die Außenstelle versucht hat anstatt einen ersten Versuch an die Hauptstelle. Dies gilt vor allem angesichts des Umstandes, dass jeder der beiden Versuche mit sogar vier Anwahlversuchen verbunden war.
Fazit: Es ist daher stets riskant, Fristen vollständig auszuschöpfen. Und wenn es einmal gleichwohl passieren sollte, muss man am Ende einen kühlen Kopf bewahren und genau überlegen, was man tun muss. Ansonsten könnte zum einen die Frist versäumt werden und zum anderen auch die anschließende Wiedereinsetzung scheitern. Am besten, man setzt sich eine interne Frist, die mindestens eine Stunde vor der tatsächlichen Frist endet.