BGH: Prüfpflichten zur Unternehmereigenschaft für B2B- Onlineshops – oder – Unmöglichkeit vieler UWG-Testkäufe?

Onlineshops unterliegen vielfältigen Informationspflichten im Rahmen des Angebots- und Bestellprozesses. Dabei bestehen einige gewichtige Unterschiede bei reinen B2B-Onlineshops gegenüber solchen Shops, die (zumindest auch) an Verbraucher gerichtet sind. Dies fängt bei der Verpflichtung an, Preise inklusive Umsatzsteuer auszuweisen, auf etwaige zusätzliche Versandkosten hinzuweisen(§ 1PAngV)  und führt bis zu detaillierten Informations- und Gestaltungsvorgaben des § 312j BGB, zum Beispiel der Buttonlösung in § 312j Abs. 3 BGB. Im reinen B2B-Verkehr sind auch weitgehende Gewährleistungsausschlüsse möglich (§ 475 BGB), ein Widerrufsrecht besteht nicht von Gesetzes wegen (§ 312g BGB). Zuletzt sind viele Regelungen des UWG (direkt) nur auf Sachverhalte mit Verbraucherberührung anwendbar, so zum Beispiel die „schwarze Liste“ im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG.

Sollte der Warenabsatz an Verbraucher vernachlässigbar sein, so stellt sich die Frage, wie wirksam ausgeschlossen werden kann, dass Verbraucherinteressen durch einen Onlineshop betroffen werden können. Klar war bisher: Eher versteckt eingearbeitete Hinweise, womöglich noch in AGB, dass ein Vertrag lediglich mit Unternehmern abgeschlossen wird, sind nicht ausreichend (OLG Hamm, Urt. v. 16.11.2016 – 12 U 52/16, MDR 2017, 76). Immer wieder sprachen Gerichte von Kontrollpflichten der Shopbetreiber, ohne konkrete Maßnahmen als ausreichend gelten zu lassen.

Durch eine jüngere Entscheidung des BGH (Urt. v. 11.5.2017 – I ZR 60/16) könnte (!) nun Klarheit in die Vorgaben kommen. In dem dortigen Fall war

  • jede Seite des Shops mit einem Hinweis „Verkauf nur an Unternehmer, Gewerbetreibende, Freiberufler und öffentlicheInstitutionen. Kein Verkauf an Verbraucher i.S.d. §13 BG“ ausgestattet,
  • im Bestellprozess ein Feld „Firma“ vorgesehen und
  • im räumlichen Zusammenhang mit dem Bestellbutton der Text „Hiermit bestätige ich, dass ich die Bestellung als Unternehmer und nicht als Verbraucher i.S.d. §13 BGB tätige und die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis genommen habe.“ aufgenommen.

Der Shopbetreiber hatte zuvor eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, wobei ein vom Unterlassungsgläubiger beauftragter Rechtsanwalt nun eine Testbestellung ausführte, die bestätigt wurde. In das Feld „Firma“ wurde dabei „Privat“ geschrieben. Die auf diesen Vorfall gestützte Geltendmachung einer Vertragsstrafe blieb erfolglos.

Der BGH geht davon aus, dass der den Testkauf durchführende Rechtsanwalt gerade nicht ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abgeschlossen hat, die überwiegend weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Testkauf erfolgte hier in anwaltlicher Eigenschaft. Es läge damit kein Verkauf an einen Verbraucher vor. Durch die bewusst wahrheitswidrigen Angaben im Kaufprozess sei der Beklagten eine Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben möglich, was einem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe entgegenstünde.

An mancher Stelle wird diese Entscheidung als Paukenschlag bezeichnet, andere meinen zumindest in einem Teil der Ausführungen nunmehr klare Vorgaben für Shopbetreiber zu erkennen. Insbesondere die Ausführungen des BGH

„Der Testkauf der Klägerin war damit darauf angelegt, Vorsorgemaßnahmen der Beklagten zur Verhinderung eines Wettbewerbsverstoßeszu umgehen und dadurch einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zu provozieren. Das ist rechtsmissbräuchlich.“

lassen aber daran zweifeln. Warum hätte sonst noch das Erfordernis der „Verstoßprovokation“ genannt werden müssen? Es scheint vielmehr so, als wolle sich der BGH noch Türen offenhalten, was den Unterlassungsanspruch angeht, zumindest aber der provozierten Testbestellung zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe nicht zum Erfolg verhelfen. Führt man diesen Gedanken zu Ende, dürften Testbestellungen im Bereich von verbraucherschützenden Wettbewerbsregelungen in Zukunft zumindest deutlich schwieriger werden. Unterlassungsverpflichtungen würden konsequenterweise massiv an Gewicht verlieren, da Verstöße hiergegen nur noch durch „Zufallsberichte“ von Verbrauchern aufgedeckt werden könnten, handeln doch sowohl Unterlassungsgläubiger, als auch deren Beauftragte in aller Regel nicht als Verbraucher, wenn eine Testbestellung erfolgt.

Praxistipp: Die in der Entscheidung angesprochenen Vorgaben sollten B2B-Shopbetreiber unbedingt einhalten. Ein Restrisiko, ob Shopbetreiber damit in ausreichendem Maße ihren Prüfpflichten nachkommen, ist aber auch durch die jüngste Entscheidung nicht abschließend geklärt. In sonstigen B2C-Sachverhalten sollte die Ausgestaltung von Testbestellungen überdacht werden, die nach dieser Rechtsprechung vor neue Anforderungen gestellt werden dürfte. An die Rechtsprechung verbleibt der Wunsch, die möglicherweise lediglich misslungene Formulierung in der Entscheidung des BGH durch sicher handhabbare Vorgaben an Shopbetreiber zu korrigieren.

BGH: Bearbeitungsentgelte auch bei B2B-Darlehensverträgen unwirksam

Laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte in Darlehensverträgen mit Verbrauchern sind unwirksam (BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12 – Rz. 23 ff., BGHZ 201, 168 ff. = MDR 2014, 909), diese stellen eine unangemessene Benachteiligung für den Darlehensnehmer dar.

Nun hat der BGH diese Rechtsprechung auch auf Darlehensverträge mit Unternehmern ausgeweitet. Unternehmer seien nicht weniger schutzwürdig, da es bei dem beabsichtigen Schutz nicht um einen Verhandlungsnachteil ginge, der bei geschäftserfahrenen Unternehmern naturgemäß nicht vorhanden sei, sondern um die überragende Gestaltungsmacht der Kreditinstitute, die Unternehmer genau so wie Verbraucher trifft. Die durchaus ausgewogenen Argumente der bisherigen instanzgerichtlichen Entscheidungen fasst gut Wittmann in: Bankentgelte – Unzulässige und zulässige Gebühren der Kreditinstitute MDR 20017, 186 ff.  zusammen

Für die Praxis sind die Ausführungen zur Verjährung relevant, Unternehmern sei es dem BGH zufolge bereits 2011 zumutbar gewesen, eine Klage zu erheben (vgl. zu B2C-Fällen BGH Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13MDR 2015, 46). Eine große Zahl von Verträgen aus der Vergangenheit wird diese Entscheidung nicht erfassen, da lediglich für Darlehensverträge, die ab dem 01.01.2014 abgeschlossen wurden, gezahlte Bearbeitungsentgelte zurückgefordert werden können.

BGH Urteile vom 04. Juli 2017 Az.: XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16, Link zur Pressemitteilung

OLG Celle: Versandkosten für Altölentsorgung muss nicht der Händler tragen

§ 8 AltölV verpflichtet einen Händler zur kostenlosen Rücknahme von Altöl. Im Versandhandel stellt sich dabei die Frage, ob die kostenlose „Annahme“ (so der Wortlaut der Norm) auch die Rücksendekosten umfasst, falls der Verkauf von Motoröl im Versandwege erfolgte.

Das OLG Celle verneint dies und zieht Parallelen zu § 9 BattG und § 17 ElektroG, die ebenfalls Rücknahmepflichten beinhalten. Insbesondere ist das Gericht der Ansicht, dass eine Regelung, wie § 17 Abs. 2 Satz 2 ElektroG fehlt, wonach Händler in zumutbarer Entfernung zum Verbraucher geeignete Rückgabemöglichkeiten bereitstellen müssen. Wenn also das – insoweit weitergehende ElektroG – Rückgabestellen in zumutbarer Entfernungen verlangt und somit nicht davon ausgeht, dass ein (wohl stets zumutbarer, da kostenfreier) Rückversand vom Händler getragen werden muss, dann muss dies umso mehr für die AltölV gelten, die nicht einmal nahe gelegene Rückgabemöglichkeiten vorsieht.

 

Der Ölhandel im Fernabsatz wird durch diese Entscheidung weitgehend von einer gewissen Ungewissheit befreit, die sich in den letzten Jahren durch die Rechtsberatung zog. In der Praxis führt die Auferlegung der Rücksendekosten, die schon heute üblich ist, dazu, dass viele Verbraucher Altöl nicht an den Verkäufer zurücksenden. Unternehmer im Fernabsatz erhalten damit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem stationären Handel. Dass dies in vielen Fällen auch dazu führen dürfte, dass Altöl vom Verbraucher nicht fachgerecht entsorgt wird, um so Versandkosten (oder im Falle einer Entsorgung vor Ort bei einem Dritten: Entsorgungskosten) zu sparen, verdeutlicht, dass diese Regelung überprüfungswürdig ist.

(OLG Celle, Urteil vom 16. Juni 2016 – 13 U 26/16)