Anwaltsblog 40/2024: Rechtsanwälte müssen die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen!

Ob es einen – zur Wiedereinsetzung führenden – unvermeidbaren Rechtsirrtum darstellt, wenn ein Rechtsanwalt die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ersatzeinreichung von Rechtsmittelschriften (§ 130d Satz 2 ZPO) nicht kennt, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 4. September 2024 – IV ZB 31/23):

 

Die Klägerin beansprucht über ihre nicht in Rede stehende mindestens hälftige Erbenstellung hinaus, Alleinerbin eines Nachlasses in Höhe von 5.000.000 € zu sein. Gegen das die Klage abweisende und der Widerklage stattgebende Urteil des Landgerichts – zugestellt am 3. Juli 2023 – hat ihre Prozessbevollmächtigte durch einen Originalschriftsatz Berufung eingelegt, der am 1. August 2023 in den Nachtbriefkasten des OLG eingeworfen wurde. Am 2. August 2023 wurde die Prozessbevollmächtigte durch das Berufungsgericht auf § 130d ZPO hingewiesen. Am 3. August 2023 übermittelte sie die Berufungsschrift über das beA ihres Ehemannes und teilte mit am 4. August 2023 eingegangenen Schriftsatz mit, sie habe „seit einigen Tagen bis einschließlich heute, den 04.08.2023, ca. 12 Uhr aufgrund von technischen Schwierigkeiten keinen Zugang“ zu ihrem beA-Postfach gehabt. Nachdem das Berufungsgericht angekündigt hatte, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Bis zum Ablauf der am 3. August 2023 endenden Frist ist keine ordnungsgemäße Berufungsschrift beim Berufungsgericht eingegangen. Die Einlegung der Berufung mittels des am 1. August 2023 eingegangenen Originalschriftsatzes ist unwirksam, weil die Klägerin bei Einreichung der Berufung in Schriftform nicht gemäß § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO zu den Voraussetzungen des § 130d Satz 2 ZPO vorgetragen und diese glaubhaft gemacht hat, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt die Hinderungsgründe für eine Einreichung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg bekannt waren und ihr zugleich eine sofortige Glaubhaftmachung dieser Gründe möglich war. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung in Schriftform war der Ausfall ihres beA der Prozessbevollmächtigen seit einigen Tagen bekannt. In einem solchen Fall ist es ohne rechtliche Wirkung, wenn erst nachträglich die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Die Voraussetzungen der anerkannten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Einlegung der Berufung ohne eine gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgte Glaubhaftmachung unwirksam ist, liegen hier nicht vor. Weder hat die Klägerin die Darlegung der Hinderungsgründe am Tag der Ersatzeinreichung nachgeholt, noch hatte ihre Prozessbevollmächtigte das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt, so dass ihr keine Zeit blieb, die Hinderungsgründe glaubhaft zu machen. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Frist zur Einlegung der Berufung erst mit Ablauf des übernächsten Tages endete.

Auch die Übermittlung der Berufungsschrift am 3. August 2023 in der Form eines von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einfach signierten Schriftsatzes über das beA ihres Ehemannes stellt keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar. Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht ist nur dann formgerecht, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (§ 130a Abs. 3 und 4 ZPO). Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die Übersendung mit lediglich einer einfachen Signatur ihrer Prozessbevollmächtigen über das beA eines anderen Rechtsanwalts keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar. Zwar ist das beA grundsätzlich ein sicherer Übermittlungsweg (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Allerdings soll durch die Regelungen des § 130a Abs. 3 und 4 ZPO sichergestellt werden, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der Übermittlung mittels des beA erfolgt die Überprüfung der Identität des Absenders bei der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammern und der nachfolgenden Zuteilung eines beA an den Rechtsanwalt. Der sichere Übermittlungsweg über das beA gewährleistet die Identität des Absenders deshalb nur dann, wenn die verantwortende Person – also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA (hier der Ehemann der Prozessbevollmächtigten der Klägerin) – den Versand selbst vornimmt. Diese Voraussetzungen waren hier aber nicht erfüllt. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin dargelegt, sie habe das Versenden der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen, nachdem ihr Ehemann – unter Verstoß gegen § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV – den Zugang zu seinem beA zur Verfügung gestellt hatte. In diesem Zusammenhang kommt es gerade nicht auf die Identität zwischen demjenigen, der das elektronische Dokument einfach signiert, und demjenigen, der die Absendung tatsächlich vornimmt, an.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes verneint. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten; sie muss sich insoweit das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Ohne Erfolg macht sie geltend, der ihrer Prozessbevollmächtigten unterlaufene Fehler bei der Einreichung der Berufung durch einen Originalschriftsatz ohne gleichzeitige Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe sei ein unvermeidbarer Rechtsirrtum gewesen. Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über gesetzliche Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Beteiligte, der dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war. Hieran gemessen erweist sich der Rechtsirrtum der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht als unvermeidbar. Die Rechtsfrage, ob im Falle einer Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes nach § 130d Satz 2 ZPO die Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe im Regelfall gleichzeitig zu erfolgen hat, ist höchstrichterlich geklärt, so dass sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hieran hätte orientieren müssen. Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der unwirksamen Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument über das beA ihres Ehemannes ein unvermeidbarer Rechtsirrtum der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorliegt. Auch insoweit war die Rechtslage geraume Zeit vor der hier in Rede stehenden Nutzung eines fremden beA mit einfacher Signatur am 3. August 2023 geklärt; an dieser Rechtsprechung hätte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin orientieren müssen.

 

Fazit: Von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er (selbst) die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 – VIII ZB 41/22 –, MDR 2023, 383).

Anwaltsblog 37/2024: Anwaltliche Fristenkontrolle muss auch bei Nutzung elektronischer Akte gesichert sein!

Das OLG Dresden hatte zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt bei Erstellung eines fristgebundenen Schriftsatzes auch dann die durch seine Kanzleikraft zuvor vorgenommene Fristberechnung überprüfen muss, wenn er im Home-Office tätig ist und ihm die papiergebundene Handakte dort nicht vorliegt (OLG Dresden, Beschluss vom 12. August 2024 – 4 U 862/24):

Die Berufungsschrift gegen ein am 22.5.2024 zugestelltes Urteil ist am Montag, dem 24.6.2024, die Berufungsbegründung am Mittwoch, dem 24.7.2024 auf dem Server des OLG eingegangen. Nach Hinweis des Gerichts hat der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Kanzleimitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten sowie eines Auszugs aus deren kanzleiinternen Fristenkalender behauptet er, die fehlerhafte Eintragung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem Versehen der seit 2013 ohne Beanstandungen mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Kanzleikraft. Die Prozessbevollmächtigte habe zusätzlich noch eine Einzelanweisung erteilt, die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, nachdem sich die Kanzleikraft wegen einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung unter dem erstinstanzlichen Urteil hilfesuchend an sie gewandt habe. Die Berufungsbegründung habe die Prozessbevollmächtigte sodann vor Antritt ihres vom 18.7. – 23.7.2024 dauernden Urlaubs entworfen und die Kanzleikraft mit deren Ausfertigung beauftragt. Den Fehler in der Fristenberechnung habe sie nicht bemerkt, da sie „mit elektronischen Dokumenten“ arbeite, das Empfangsbekenntnis zu dem in Papierform übersandten Urteil des Landgerichts sich jedoch „in der Papierakte“ befunden habe. Die Berufungsbegründung sei sodann nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub am 24.7.2024 versandt worden.

Der Wiedereinsetzungsantrag wird zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Das Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Allerdings ist dem Kläger nicht das Versehen der Kanzleimitarbeiterin zuzurechnen, die bei der Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender übersehen hat, dass diese ausgehend vom Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils bereits am 22.7.2024 ablief. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Rechtsanwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm daher grundsätzlich frei. Hiervon ausgehend darf der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen, sofern er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Der anwaltlichen Versicherung der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist insofern die glaubhafte Angabe zu entnehmen, dass die Kanzleikraft seit 2013 zuverlässig erprobt wurde und beanstandungsfrei die Führung des Fristenkalenders übernommen hat. Zwar lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen, dass es nach der Übernahme des Fristenkalenders durch die Kanzleikraft im Jahr 2013 noch die gebotenen stichprobenartigen Kontrollen gegeben hätte; auch ist nicht dargelegt, welche organisatorischen Vorgaben es für die Führung des Fristenkalenders und die Streichung von Fristen gegeben hat. Der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegte Auszug aus dem Fristenkalender deutet insofern auf organisatorische Mängel hin, als die im Streitfall relevante Berufungsbegründungsfrist dort in der Rubrik „Vorfristen“ eingetragen ist. Nach dem zu unterstellenden Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hat sich dies aber jedenfalls nicht ausgewirkt. Hiernach hat die Kanzleikraft nämlich bereits nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 22.5.2024 eine Einzelanweisung der Prozessbevollmächtigten erbeten, nachdem sie dem Urteil keine Rechtsmittelbelehrung entnehmen konnte. Die Prozessbevollmächtigte habe sie sodann angewiesen, auch die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, weil sie insofern von einem Fehler des Landgerichts ausgegangen sei. Diese Annahme war zwar rechtsirrig, weil § 232 S. 2 ZPO in Anwaltsprozessen keine Rechtsmittelbelehrung fordert, durch die auf dieser Grundlage erfolgte Einzelanweisung wäre aber bei korrekter Umsetzung die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gewährleistet worden. Dem Prozessbevollmächtigten einer Partei ist ein Verschulden an der Fristversäumung aber dann nicht anzulasten, wenn zwar die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend sind, er aber einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte.

Dem Kläger ist jedoch das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten anzulasten, die von der Kanzleikraft erfolgte Fristberechnung nicht eigenständig überprüft zu haben, als sie vor ihrem am 18.7.2024 beginnenden Urlaub die Berufungsbegründung im Entwurf erstellte. Auch wenn der Rechtsanwalt (nach Eingang des Urteils in der Kanzlei) seine Angestellte im Wege einer Einzelanweisung zur Eintragung der korrekten Frist angehalten hat, befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen der Vorbereitung einer Prozesshandlung (wie der Einlegung der Berufung) die Richtigkeit der Notierung der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auch bei Vorlage aufgrund einer Vorfrist ist die Richtigkeit der eingetragenen Frist zu überprüfen. Diese Aufgabe ist von der Fristenberechnung und Fristenkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten. Deshalb ist er im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung nicht davon befreit, die Einhaltung der maßgeblichen Fristen nochmals zu überprüfen. Zwar muss die Prozesshandlung nicht in einem Zuge und zeitnah mit dem Ablauf einer für sie geltenden Frist vorbereitet werden. Das ändert aber nichts an der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts für die Richtigkeit und die Einhaltung der etwa von ihm schon zu einem früheren Zeitpunkt berechneten Frist.

Es hätte daher der Prozessbevollmächtigten oblegen, sich anhand der Handakte, in der das Datum der Zustellung des angefochtenen Urteils vermerkt war, eigenständig die Gewissheit zu verschaffen, dass die Berufungsbegründungsfrist ausgehend hiervon korrekt berechnet war. Hätte sie dies getan, wäre ihr zwanglos aufgefallen, dass die Kanzleikraft vorliegend fehlerhaft die Begründungsfrist ausgehend vom Ende der Berufungsfrist berechnet hatte, die freilich auf einen Montag fiel und daher zu einer entsprechenden Verlängerung nur dieser Frist geführt hatte (§§ 222 ZPO, 193 BGB). Dieses Versäumnis entfällt auch nicht deshalb, weil der Prozessbevollmächtigten ausweislich des Wiedereinsetzungsantrags nicht die in Papier geführte Handakte vorgelegt wurde, sondern sie die Berufungsbegründung lediglich ausgehend von „elektronischen Dokumenten“ gefertigt hat. Die anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist. Entscheidend für eine eigenständige Fristenprüfung durch den Rechtsanwalt ist allein, ob die Bearbeitung mit dem Ziel einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, d.h. hier der Berufungsbegründung erfolgt. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt die fristgebundene Verfahrenshandlung im Wege der Tele,- oder Fernarbeit erstellt. Er hat in diesen Fällen dafür Sorge zu tragen, dass ihm dabei entweder die Papierhandakte vorliegt oder diese in eine elektronische Form übertragen wird, auf die er auch von auswärts zugreifen kann. Die an den Rechtsanwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen werden durch die mit dem mobilen Arbeiten verbundene Ortsunabhängigkeit indes in keiner Weise eingeschränkt.

 

Fazit: Der Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung – auch auf Vorfrist – vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang darf er sich allerdings grundsätzlich auf die Prüfung der in der Handakte zu notierenden Rechtsmittelbegründungsfristen und der auf deren Eintragung im Fristenkalender hinweisenden Erledigungsvermerke beschränken (BGH Beschl. v. 22.11.2022 – VIII ZB 2/22, MDR 2023, 453).

 

Anwaltsblog 26/2024: Gestufte Fristenkontrolle vor Büroschluss notwendig!

Mit den Anforderungen an eine allabendlich durchzuführende Fristenkontrolle hatte sich erneut der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2024 – IV ZB 30/23):

 

Gegen ein am 2. Februar 2023 zugestelltes Urteil hat  der Kläger am 3. März 2023 Berufung eingelegt. Mit einem am 6. April 2023 beim OLG eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Im Büro seiner Prozessbevollmächtigten erfolgten Aktenführung und Fristenkontrolle ausschließlich elektronisch mittels eines eingeführten Rechtsanwaltsprogramms. Im Falle eines eingehenden Urteils erster Instanz notiere die zuständige Mitarbeiterin die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist nebst entsprechenden Vorfristen im elektronischen Fristenkalender. Diese Tätigkeit führten ausschließlich geprüfte Rechtsanwaltsfachangestellte aus, deren Arbeit regelmäßig stichprobenartig kontrolliert werde. Die dem jeweiligen Rechtsanwalt zugeordnete Rechtsanwaltsfachangestellte habe zudem die Aufgabe, täglich vor Büro- beziehungsweise Dienstschluss dessen Kalender auf offene Fristen zu kontrollieren und den Rechtsanwalt gegebenenfalls auf die offene Frist hinzuweisen. Das vorliegende Verfahren sei dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zum Ablauf der Vorfrist vorgelegt worden, der die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist geprüft habe. Eine Bearbeitung sei zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen. Am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist habe der Rechtsanwalt sich auf die Büroorganisation verlassen und die Fristen nicht selbst überprüft. Die Frist sei versäumt worden, weil ihn die zuständige Mitarbeiterin nicht auf die offene Berufungsbegründungsfrist hingewiesen habe. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Gemäß § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert gewesen ist, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Nach § 85 Abs. 2 ZPO ist der Partei ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, wenn nach den seitens der Partei gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Fristversäumnis von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet gewesen ist. So liegt es hier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Fristversäumnis auf einem Verschulden des klägerischen Prozessbevollmächtigten beruht. Der Kläger hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten über eine den Anforderungen genügende Ausgangskontrolle verfügt.

Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb laufender Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Zu diesem Zweck hat der Rechtsanwalt seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet. Im Rahmen dieser gestuften Ausgangskontrolle hat der Rechtsanwalt anzuordnen, dass die Erledigung von Sachen, bei denen eine Frist zu wahren ist, am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Diese nochmalige, selbständige und abschließende Ausgangskontrolle muss gewährleisten, dass geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob insoweit eine Übereinstimmung mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen besteht. Der Abgleich mit dem Fristenkalender dient unter anderem der Überprüfung, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben.

Gemessen daran hat der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Büro seiner Prozessbevollmächtigten hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen worden sind, um eine effektive Ausgangskontrolle zu gewährleisten. Nach seinem Vorbringen hatte die Kanzleimitarbeiterin im Rahmen der Fristenkontrolle täglich vor Büroschluss allein den Fristenkalender zu kontrollieren und den Rechtsanwalt gegebenenfalls auf offene Fristen hinzuweisen. Das genügt für eine ordnungsgemäße abendliche Ausgangskontrolle nicht. Die Kanzleiangestellte hätte auch bei ordnungsgemäßem Befolgen der Anordnung nicht nochmals, selbständig und abschließend kontrolliert, ob die fristgebundene Sache tatsächlich bearbeitet und ein fristwahrender Schriftsatz abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden ist. Die Anordnung einer solchen abendlichen Ausgangskontrolle zusätzlich zur Fristenkontrolle ist den Darlegungen des Klägers nicht zu entnehmen.Die fehlende Anordnung einer Ausgangskontrolle war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch ursächlich. Im Rahmen einer nochmaligen, selbständigen und abschließenden Ausgangskontrolle zusätzlich zur Fristenkontrolle wäre die offene Berufungsbegründungsfrist im Terminkalender des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten aufgefallen. Darüber hinaus hätte die Ausgangskontrolle ergeben, dass die Sache noch nicht bearbeitet und die Berufungsbegründung oder ein Fristverlängerungsantrag weder abgesandt noch versandfertig gemacht worden war. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der Beteiligten hätte in diesem Fall jedenfalls rechtzeitig ein Fristverlängerungsantrag an das Berufungsgericht übersandt werden können.

 

Fazit: Zu der einen gestuften Schutz gegen Fristversäumnisse sicherstellenden Organisation der Ausgangskontrolle gehört die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristwahrenden Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Diese nochmalige, selbständige und abschließende Kontrolle muss gewährleisten, dass geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Der Sinn und Zweck der allabendlichen Ausgangskontrolle liegt auch darin festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Daher ist ein Fristenkalender so zu führen, dass auch eine gestrichene Frist noch erkennbar und bei der Endkontrolle überprüfbar ist (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – VIII ZB 103/18 –, MDR 2020, 239).

Anwaltsblog 24/2024: Versäumung einer Rechtsmittelfrist bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist (§ 233 Satz 2 ZPO). Mit dem beschränkten Anwendungsbereich dieser Vermutung im Anwaltsprozess hatte sich der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 28. März 2024 – AnwZ (Brfg) 3/24):

 

Der Kläger, der im Jahr 1999 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet hatte, beantragte 2022 seine Wiederzulassung. Die Anwaltskammer lehnte den Antrag ab. Die daraufhin mit dem Ziel der Wiederzulassung erhobene Klage hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Dezember 2023 zugestellten Urteil abgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils lautet auszugsweise: „Die Beteiligten können die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils […] beantragen […]. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.“ Mit am 8. Januar 2024 per Boten beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt.

Der BGH als Berufungsgericht verwirft den Antrag als unzulässig, weil der Kläger ihn nicht fristgemäß formgerecht gestellt hat. Nach § 112e Satz 2 BRAO iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen – wie der Antrag auf Zulassung der Berufung -, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Einreichung per Boten am 8. Januar 2024 nicht. Die Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung ist durch die Zustellung des vollständigen Urteils in Gang gesetzt worden. Dem Fristanlauf stand insbesondere nicht die vom Kläger gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung entgegen, wonach dem Zulassungsantrag vier Abschriften beigefügt werden sollen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist u.a. dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der vom Kläger gerügte Zusatz zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ist im Grundsatz dem § 81 Abs. 2 VwGO entnommen, nach dem der Klage und allen Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden sollen. Der Zusatz ist zwar insofern unrichtig, als die Vorschrift im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument nach § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO keine Anwendung findet. Diese Unrichtigkeit ist aber ihrer Art nach nicht geeignet, die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung zu erschweren. Der beanstandete Zusatz gibt die Beifügung von Abschriften nicht als Zwang aus, dessen Nichtbeachtung auf die formelle Wirksamkeit des Zulassungsantrags von Einfluss ist, sondern lediglich als dringende Bitte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie der Zusatz irrige Vorstellungen über die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Zulassung der Berufung hervorrufen und dadurch die Rechtsmitteleinlegung erschweren könnte.

Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er nicht ohne Verschulden an der formwirksamen Einlegung des Zulassungsantrags gehindert war. Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist. Dabei steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleich. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die Fristversäumung verschuldet. Der Prozessvertreter des Klägers hätte wissen können und müssen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument einzureichen ist. Die vom Kläger erfolglos gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung begründete bereits keinen Anlass, von der formgerechten Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument abzusehen.

Soweit sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers außerdem darauf beruft, die Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs habe auf seine telefonische Rückfrage hin mitgeteilt, der Antrag könne dort abgegeben werden und seiner Bitte, den Empfang zu quittieren, könne ebenfalls nachgekommen werden, wären diese Umstände schon deshalb nicht geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die an die Form der Rechtsmitteleinlegung zu stellenden Anforderungen hervorzurufen, weil mit dem behaupteten bloßen Einverständnis mit der vom Prozessvertreter gewünschten Form der Schriftsatzeinreichung keine Aussage über etwaige Formerfordernisse getroffen wurde. Selbst wenn man das Einverständnis der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs mit der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gewünschten Vorgehensweise bei der Schriftsatzeinreichung als Auskunft verstehen wollte, dass diese Form der Einreichung keinen Bedenken begegne, wäre diese Auskunft erkennbar fehlerhaft. Denn sie stünde in offenkundigem Widerspruch zur Gesetzeslage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte sich deshalb nicht darauf verlassen dürfen.

 

Fazit: Nach § 233 Satz 2 ZPO wird ein Fehlen des Verschuldens zwar vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Dabei darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. Gleichwohl muss von ihm erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. Die Fristversäumung ist mithin auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschuldet, wenn diese offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH, Beschluss vom 25. November 2020 – XII ZB 256/20 –, MDR 2021, 252).

Anwaltsblog 15/2024: Was muss ein unmittelbar vor Ablauf der bereits einmal verlängerten Berufungsbegründungsfrist erkrankter Rechtsanwalt zur Fristwahrung veranlassen?

Ob ein unmittelbar vor Ablauf der bereits einmal verlängerten Berufungsbegründungsfrist erkrankter Rechtsanwalt einen anwaltlichen Vertreter mit der Erstellung der Berufungsbegründung beauftragen muss, hatte der BGH zu klären (BGH, Beschluss vom 14. März 2024 – V ZB 34/23):

 

Der als Einzelanwalt tätige Prozessbevollmächtigte der Kläger hat mit einem am Donnerstag, den 9. März 2023, um 19:50 Uhr beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt, die bereits einmal verlängerte und am 13. März endende Frist zur Berufungsbegründung bis zum 13. April zu verlängern, weil er „an Covid erkrankt“ sei und die Berufungsbegründung nicht fristgerecht fertigen könne. Das OLG hat den Antrag mit Verfügung vom 10. März abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 10. März, am selben Tag um 18:11 Uhr beim OLG eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte erneut einen Fristverlängerungsantrag – nunmehr unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung – gestellt. Mit Verfügung vom 13. März hat das Berufungsgericht die Fristverlängerung abgelehnt. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte am 22. März Wiedereinsetzung beantragt und zugleich die Berufungsbegründung eingereicht.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Der Klägervertreter habe nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe, dass er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die bereits einmal verlängerte Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Ihm sei vorzuwerfen, dass er die Beklagtenvertreterin am 9. März 2023 nicht um Zustimmung zu einer Fristverlängerung gebeten habe. Zudem hätte er einen Vertreter mit der Fertigung der Berufungsbegründung beauftragen können.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Allerdings rügen sie zu Recht, dass das OLG ein Verschulden des Klägervertreters damit begründet, dieser habe seinen Vertreter nicht mit der Fertigung und Übersendung der Berufungsbegründung beauftragt. Dem Mandanten eines Einzelanwalts dürfen aufgrund der Erkrankung des Rechtsanwalts keine Nachteile bei der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstehen. Die Fertigung einer Rechtsmittelbegründung muss deshalb mit der gleichen Sorgfalt möglich sein wie ohne die Erkrankung. Vor diesem Hintergrund erfordern die Sorgfaltspflichten des unvorhersehbar erkrankten Rechtsanwalts die Beauftragung eines vertretungsbereiten Kollegen mit der Fertigung einer Rechtsmittelbegründung allenfalls dann, wenn bis zum Ablauf der Begründungsfrist ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Nach diesem Maßstab war der Klägervertreter nicht gehalten, seinen Vertreter mit der fristwahrenden inhaltlichen Bearbeitung der Berufungsbegründung zu beauftragen. Das Berufungsgericht verkennt insoweit schon, dass am Abend des 9. März 2023 nicht vier, sondern lediglich zwei Arbeitstage, nämlich der 10. März 2023 (Freitag) und der 13. März 2023 (Montag) für die Fertigung der Berufungsbegründung zur Verfügung gestanden hätten. Allein die in erster Instanz (im Prozessverlauf teilweise geänderten) zuletzt gestellten Anträge umfassen 2,5 Seiten des landgerichtlichen Urteils. Von sieben Klageanträgen wurden Anträge teilweise zurückgenommen oder für erledigt erklärt. Die Widerklage umfasst fünf Anträge. Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils umfasst ohne die Anträge vier Seiten und die Entscheidungsgründe 6,5 Seiten. Es fanden fünf mündliche Verhandlungen und eine durch ein ausführliches Protokoll dokumentierte Augenscheinnahme statt. Bis auf die Feststellung der Erledigung eines Klageantrags hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage hin teilweise verurteilt. Unter diesen Umständen weist die Rechtssache eine Komplexität auf, die es einem mit der Sache erstmalig befassten Vertreter nicht ermöglicht hätte, die Erfolgsaussichten der einzelnen abgewiesenen Klageanträge und der auf die Widerklage hin ergangenen Verurteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht noch am (Arbeits-)Tag vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist zu prüfen und zu begründen.

Dieser Rechtsfehler führt jedoch nicht zum Erfolg der Rechtsbeschwerde, weil das OLG die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf eine andere selbständig tragende Begründung stützt, die keinen Rechtsfehler aufweist. Das OLG stützt ein Verschulden des Klägervertreters rechtsfehlerfrei darauf, dass der Klägervertreter die Beklagtenvertreterin nicht bereits am 9. März um Zustimmung zur Fristverlängerung ersucht hat. Wiedereinsetzung war nur dann zu gewähren, wenn der Klägervertreter ohne sein Verschulden daran gehindert war, eine – zweite – Fristverlängerung zu erwirken. Da dem Klägervertreter bereits eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gewährt wurde, kam nach § 520 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur mit Einwilligung des Gegners in Betracht. In einem solchen Fall ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nur dann zu gewähren, wenn die Gegenseite die zur Fristverlängerung erforderliche Einwilligung nicht erteilt und die Frist deshalb nicht verlängert wird. Infolgedessen kommt es darauf an, ob die Kläger dargelegt und glaubhaft gemacht haben, dass ihrem Prozessbevollmächtigten die Einholung der gegnerischen Einwilligung nicht möglich oder unzumutbar war. Zwar hat der Klägervertreter am 9. März 2023 einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt. Da die Beklagtenvertreterin ihre Einwilligung nicht erklärt hatte, enthielt der Antrag hierzu auch keine Angaben. Der Klägervertreter wusste aber, dass ihm eine zweite Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur unter Darlegung der Einwilligung der Gegenseite gewährt werden würde. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass der Klägervertreter am 9. März gehalten gewesen wäre, zuerst die Beklagtenvertreterin um Abgabe der (erforderlichen) Einwilligung zu ersuchen. Den Klägervertreter kann nicht entlasten, dass die Beklagtenvertreterin nur unter der Bedingung, dass der Klägervertreter einen ärztlichen Nachweis über seine Erkrankung vorlegt, bereit war, ihre Einwilligung zu erklären. Hätte er die Beklagtenvertreterin am 9. März um Zustimmung zur Fristverlängerung ersucht, so hätte er von der Bedingung der Beklagtenvertreterin frühzeitig Kenntnis erlangt und ihm wäre es dann (am 9. oder 10. März) noch möglich gewesen, einen ärztlichen Nachweis zur Vorlage gegenüber der Beklagtenvertreterin einzuholen. Diese Maßnahmen waren auch geboten, weil der Klägervertreter nach den Ausführungen der Rechtsbeschwerde bereits zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, die Berufungsbegründung, wegen deren Anfertigung er an diesem Tag in sein Büro gefahren war, zu fertigen. Nach den Feststellungen des OLG hätte die Beklagtenvertreterin die Einwilligung erteilt, wenn ihr das Attest vorgelegt worden wäre.

 

Fazit: Bei Einwilligung des Gegners ist das Vertrauen des Berufungsklägers in eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist geschützt. Beantragt der Berufungskläger mit Einverständnis des Gegners, die wegen eines erheblichen Grundes bereits um einen Monat verlängerte Frist zur Berufungsbegründung erneut zu verlängern, darf er darauf vertrauen, dass dem Antrag stattgegeben wird. (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22 -, MDR 2023, 379). Voraussetzung ist aber, dass mit dem Antrag die Einwilligung des Gegner vorgelegt oder zumindest anwaltlich versichert wird.

Anwaltsblog 5/2024: Welche Mindestangaben muss ein erster Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aufweisen?

Ob für einen ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Angabe des Berufungsführers ausreicht, er sei „nicht in der Lage“, die Berufung fristgerecht zu begründen, hatte aktuell der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2024 – VIII ZB 31/23):

 

Der Kläger hat beantragt, die am 16. Januar 2023 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, da er „nicht in der Lage“ sei, die Berufung fristgerecht zu begründen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des Berufungssenats mit Verfügung vom 13. Januar 2023 abgelehnt und den Kläger anschließend – nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung mangels Eingangs einer Berufungsbegründung als unzulässig zu verwerfen. Daraufhin hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufungsbegründung eingereicht.  Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe mit seiner Ausführung, wonach er „nicht in der Lage“ gewesen sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, einen erheblichen Grund iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht dargelegt. Es werde lediglich mitgeteilt, dass die Frist nicht eingehalten werden könne, ohne hierfür überhaupt einen sachlichen Grund anzugeben. Eine Schlussfolgerung auf einen erheblichen Grund wäre eine reine Spekulation. Somit habe der Kläger nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Berufungsbegründungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit verlängert werde, und diese daher schuldhaft versäumt.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung verletzt nicht die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Gemessen hieran verletzen die Versagung einer Wiedereinsetzung und die Verwerfung der Berufung als unzulässig den Kläger in seinen vorgenannten Verfahrensgrundrechten nicht, da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht. Denn dieser durfte mangels Darlegung eines erheblichen Grundes iSv. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht auf die Gewährung der von ihm beantragten Verlängerung der Frist vertrauen. Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungskläger grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden im Sinne von § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn (und soweit) er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies ist jedoch bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe iSd. des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insoweit reicht der bloße Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf. Wird der Antrag auf Fristverlängerung nicht in diesem Sinne begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Vorsitzende in einem solchen Antrag eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen werde.

So liegt der Fall hier. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in seinem Antrag einen erheblichen Grund für die Gewährung der von ihm begehrten Fristverlängerung nicht genannt. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass er „nicht in der Lage“ sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, was das Berufungsgericht zu Recht als bloße Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist angesehen hat. Ein Grund, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers hierzu „nicht in der Lage“ gewesen sei, wird nicht genannt. Somit genügt der Fristverlängerungsantrag selbst den geringen Anforderungen nicht, welche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Darlegung eines erheblichen Grundes iSv. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO stellt. Anders als der Kläger meint, kann die Erklärung seines Prozessbevollmächtigten nicht dahingehend ausgelegt werden, er habe sich konkludent darauf berufen, aufgrund einer Arbeitsüberlastung „nicht in der Lage“ gewesen zu sein, die Berufung fristgerecht zu begründen. Zwar kann unter Umständen auch eine konkludente Darlegung der für eine Fristverlängerung erforderlichen Voraussetzungen genügen und zählt zu den erheblichen Gründen iSd. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Einer Auslegung des Fristverlängerungsantrags dahingehend, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers konkludent auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe, steht jedoch entgegen, dass im Antrag keinerlei tatsächlichen Umstände genannt werden, aus denen der Anlass der begehrten Fristverlängerung hätte entnommen und aus denen somit ein Rückschluss auf den erheblichen Grund hätte gezogen werden können. Allein aus der unterbliebenen Angabe anderer Hinderungsgründe folgt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass sich der Klägervertreter zur Begründung seines Fristverlängerungsantrags (konkludent) auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe.

 

Fazit: An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insoweit reicht der bloße Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund – wie z.B. Arbeitsüberlastung – aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf. Die Angabe des Berufungsführers, er sei „nicht in der Lage“, die Berufung fristgerecht zu begründen, reicht aber nicht aus.

 

Anmerkung: Bei Einwilligung des Gegners ist auch das Vertrauen des Berufungsklägers in eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist geschützt. Beantragt der Berufungskläger mit Einverständnis des Gegners, die wegen eines erheblichen Grundes bereits um einen Monat verlängerte Frist zur Berufungsbegründung erneut zu verlängern, darf er darauf vertrauen, dass dem Antrag stattgegeben wird. (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22 -, MDR 2023, 379). Voraussetzung ist aber, dass mit dem Antrag die Einwilligung des Gegner vorgelegt oder zumindest anwaltlich versichert wird.

Anwaltsblog: Keine Vorfrist für Rechtsmittelbegründung notiert – keine Wiedereinsetzung!

Wieder einmal musste der BGH feststellen, dass zu den notwendigen organisatorischen Vorkehrungen eines Anwaltsbüros die allgemeine Anordnung gehört, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren:

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. Februar 2022 zugestellte Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2022 hat ihr Prozessbevollmächtigter die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Die Säumnis beruhe auf einem Versehen seiner Angestellten. Diese habe gemäß erteilter Weisung zwar die Berufungsfrist in den Fristenkalender eingetragen, allerdings aus im Nachhinein nicht mehr eruierbaren Gründen nicht auch die Berufungsbegründungsfrist, obwohl beide Fristen als „notiert“ und damit als im Fristenkalender eingetragen vermerkt worden seien. Der Posteingang sei über das beA erfolgt und somit von ihm direkt bearbeitet worden. Nach Kenntnisnahme des erstinstanzlichen Urteils seien durch ihn die Fristen für die Berufung und die Berufungsbegründung notiert worden. Die Angestellte habe dann beide Fristen in den Fristenkalender eintragen sollen. Bei Einlegung der Berufung habe er sich noch einmal vergewissert, dass hinter beiden notierten Fristen ein Eintragungsvermerk aufgebracht worden sei. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass auch die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß eingetragen worden sei. Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Hat eine Partei die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler des Büropersonals hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Prozessbevollmächtigten kein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens trifft. Die Partei hat einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), der ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt; verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet. So liegt es hier. Nach den zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Umständen ist nicht ausgeschlossen, dass das Fristversäumnis auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beruht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Notierung von Vorfristen angeordnet hatte. Ein Rechtsanwalt darf zwar die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen. Er hat aber durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Hierzu gehört die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren. Die Vorfrist dient dazu sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt. Die Eintragung einer Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass ihr Prozessbevollmächtigter diese Vorgaben bei der Organisation seiner Kanzlei eingehalten hatte.

(BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – VI ZB 53/22)

Fazit: Eine wirksame Fristenkontrolle erfordert die Notierung von Vorfristen. In dem Unterlassen der Weisung, eine Vorfrist im Fristenkalender zu notieren, liegt ein einer Prozesspartei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten.

Anwaltsblog: Welche Pflichten treffen den Rechtsanwalt, der selbst einen fristgebundenen Schriftsatz aus dem beA versendet?

Übermittelt ein Rechtsanwalt einen fristgebundenen Schriftsatz per beA, entsprechen seine Sorgfaltspflichten denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Dabei gehört die korrekte Eingabe der Empfängernummer zu seinen Sorgfaltsanforderungen. Ob hiervon ausgehend eine Prozessbevollmächtigte, die den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen hatte, verpflichtet ist, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihr durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als dem richtigen Empfangsgericht adressiert ist, hatte der VIII. Zivilsenat zu entscheiden:

Mit einem an das Landgericht Berlin adressierten Schriftsatz hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des AG Berlin-Schöneberg eingelegt. Dieser Schriftsatz ist als elektronisches Dokument über das beA an das Amtsgericht versandt worden, wo er am letzten Tag der Rechtsmittelfrist -eingegangen ist. Beim (zuständigen) Landgericht ist er nach Weiterleitung durch das Amtsgericht erst nach Fristablauf eingegangen. Ihren Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin wie folgt begründet: Ihre Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsschrift am Vormittag des Tags des Fristablaufs diktiert und nach Vorlage des Diktats und Kontrolle des Schriftsatzes eigenhändig unterschrieben. Sie habe anschließend eine Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsschrift sofort in ihr beA für den Versand einzustellen. Gegen 14 Uhr habe die Kanzleimitarbeiterin ihr mitgeteilt, die beA-Nachricht sei mit Ausnahme der qualifizierten elektronischen Signatur sofort versandfertig an das Berufungsgericht. Die Prozessbevollmächtigte habe sich sofort in ihren beA-Account eingeloggt, die Berufungsschrift sowie die Anlage jeweils einzeln mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und den „Senden-Button gedrückt“. Anschließend habe sie die Akte wieder an die Angestellte mit der Anweisung übergeben, den Versand zu überprüfen. Auf spätere Nachfrage habe diese versichert, der Versand sei ordnungsgemäß erfolgt. Tatsächlich aber sei durch ein unerklärliches Versehen der Mitarbeiterin beim Einstellen der beA-Nachricht in das Postfach der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Auswahl des Empfängers über die globale Adressliste das Amtsgericht Schöneberg anstelle des Landgerichts Berlin ausgesucht worden, obwohl die Berufungsschrift (richtig) an das Landgericht adressiert gewesen sei.

Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte, als sie die Berufungsschrift selbst über das beA versandte, ohne Weiteres und rechtzeitig die Fehlerhaftigkeit der zuvor von ihrer Mitarbeiterin getroffenen Auswahl des Amtsgerichts als Empfänger der Nachricht erkennen können und korrigieren müssen. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Entschließt er sich, einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht einzureichen, hat er auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang zu gewährleisten.    Hiervon ausgehend war die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen hatte, verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihr durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als dem richtigen Empfangsgericht adressiert ist. Dies hat sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt getan. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte beim Versand der Berufungsschrift aus der beA-Webanwendung den Adressaten ihrer Nachricht – ähnlich einer E-Mail – dem deutlich sichtbaren Empfängerfeld entnehmen. Für sie war somit erkennbar, wohin sie die beA-Nachricht schickt, wenn sie, wie von ihr ausgeführt, auf den „Senden-Button gedrückt“ hat. Es musste ihr ohne Weiteres auffallen, dass es sich bei dem ausgewählten Amtsgericht nicht um das zuständige Gericht für die Einlegung einer Berufung handeln konnte. Zudem muss ein Rechtsanwalt, auch soweit er sich grundsätzlich auf seine Mitarbeiter verlassen kann, selbst tätig werden und für die ordnungsgemäße Erfüllung der betreffenden Aufgabe Sorge tragen, wenn für ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit und Sorgfalt erkennbar ist, dass seinem Büropersonal im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises Fehler unterlaufen sind oder es Anweisungen nicht beachtet hat. Dies ist hinsichtlich des von der Kanzleimitarbeiterin im beA ersichtlich unzutreffend ausgewählten erstinstanzlichen Gerichts als Adressat für die Berufungsschrift der Fall. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte ohne weiteres – insbesondere ohne Abgleich mit dem Schriftsatz – und rechtzeitig erkennen können, dass ihre Mitarbeiterin nicht das richtige Gericht im Empfängerfeld der beA-Nachricht ausgewählt hatte, und hätte dies vor dem Absenden korrigieren müssen.

(BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 60/22)

 

Fazit: Ein Prozessbevollmächtigter, der den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vornimmt, ist verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihm durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als das richtige Empfangsgericht adressiert ist.

Anwaltsblog: Wann beginnt bei einer Urteilsberichtigung die Berufungsfrist?

Wann beginnt die Rechtsmittelfrist, wenn die dem Rechtsmittelführer zugestellte Ausfertigung des Urteils einen Mangel aufweist und das Gericht auf entsprechenden Hinweis des Rechtsmittelführers diesem – nach Rückgabe der mangelbehafteten Ausfertigung – eine mit dem Original des Urteils übereinstimmende Ausfertigung zustellt? Diese Frage stellte sich dem X. Zivilsenat:

Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde am 2. September 2021 eine beglaubigte Abschrift eines Urteils des Patentgerichts zugestellt, in der im Tatbestand die beiden letzten Absätze des Hilfsantrags 1 nach der (aus drei Zeilen bestehenden) Bezugnahme auf weitere Hilfsanträge stehen. Mit Schriftsatz vom Tag darauf teilte der Prozessbevollmächtigte dem Patentgericht mit, die Ausführungen auf der betreffenden Seite erweckten den Anschein, dass etwas fehle, und bat um einen Hinweis, wie die Begründung hier zu lesen sei. Das Patentgericht hat die ursprünglich zugestellten Abschriften zurückgefordert und mit dem Original übereinstimmenden Abschriften zugestellt. Die berichtigte Fassung ist der Klägerin am 27. September 2021 zugestellt worden. Ihre Berufungsschrift ist am 27. Oktober 2021 beim BGH eingegangen, der gem. § 110 PatG Berufungsgericht ist.

Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat eingelegt worden ist. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist hat im Streitfall mit der Zustellung vom 2. September 2021 begonnen. Dem steht nicht entgegen, dass die damals zugestellte Abschrift des Urteils auf Seite 9 von der Urschrift abweicht. Die Wirksamkeit einer Zustellung wird nicht dadurch berührt, dass die zugestellte Ausfertigung von der Urschrift abweicht, sofern der Mangel, wäre er bei der Urteilsabfassung selbst unterlaufen, nach § 319 ZPO berichtigt werden könnte. Entscheidend ist, ob die zugestellte Ausfertigung formell und inhaltlich geeignet war, der Partei die Entschließung über die Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels zu ermöglichen, weil sich ein Fehler in der Sphäre des Gerichts nicht als Beeinträchtigung oder Vereitelung der Rechtsmittelmöglichkeit auswirken darf. Im Interesse einer klaren und praktikablen Handhabung ist hierbei auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen. Als typischerweise wesentlicher Mangel ist vor allem das Fehlen ganzer Seiten anzusehen. Grundsätzlich führt danach schon das Fehlen einer einzigen Seite zur Unwirksamkeit der Zustellung. Eine Berichtigung gemäß § 319 ZPO setzt eine Rechtsmittelfrist nur dann erneut in Gang, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden. Dies ist etwa der Fall, wenn erst die berichtigte Entscheidung die Beschwer erkennen lässt oder ergibt, dass die Entscheidung überhaupt einem Rechtsmittel zugänglich ist, oder wenn erst aus dieser Fassung hervorgeht, gegen wen das Rechtsmittel zu richten ist. Im Streitfall hat bereits die Zustellung der fehlerhaften Fassung die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Der in der zugestellten Abschrift enthaltene Fehler ist nicht als typischerweise wesentlich anzusehen. Die zugestellte Abschrift enthielt alle Seiten des angefochtenen Urteils. Die am 2. September 2021 in Gang gesetzte Berufungsfrist ist durch die Einlegung der Berufung am 27. Oktober 2021 nicht eingehalten worden.

(BGH, Urteil vom 17. Oktober 2023 – X ZR 96/21)

 

Fazit: Die Berichtigung eines Urteils gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist. Gegen das berichtigte Urteil findet nur das gegen das ursprüngliche Urteil zulässige Rechtsmittel statt, und die Frist zu seiner Einlegung läuft (schon) von der Zustellung der unberichtigten Urteilsfassung an. Den Parteien wird zugemutet, im Rahmen ihrer Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels eine offenbare Unrichtigkeit des Urteils zu berücksichtigen, schon bevor dieses gemäß § 319 ZPO berichtigt wird (BGH, Beschluss vom 9. November 2016 – XII ZB 275/15 –, MDR 2017, 228).

Anwaltsblog: Wie muss die Ausgangskontrolle bei Versendung fristgebundener Schriftsätze per beA organisiert sein?

Wieder einmal hatte der BGH Anlass, in einem Wiedereinsetzungsverfahren die Voraussetzungen an die Kanzleiorganisation und insbesondere an die Postausgangskontrolle bei Versendung fristgebundener Schriftsätze per beA zusammenzufassen:
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Unerlässlich ist die Überprüfung des Versandvorgangs. Dies erfordert die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist. Diese Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen. Der Rechtsanwalt darf nicht von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes per beA an das Gericht ausgehen, wenn in der Eingangsbestätigung im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ angezeigt wird. Es fällt deshalb in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.
Die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist begehrende Klägerin hat lediglich allgemein behauptet, in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten bestehe im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze die Anweisung, am Ende eines jeden Arbeitstages die Fristenliste mit den erfolgreichen „beA-Versandprotokollen“ abzugleichen und eine endgültige Erledigung nur zu notieren, wenn das „Versandprotokoll“ auf Existenz und Inhalt geprüft worden sei. Es lässt sich insoweit bereits nicht feststellen, ob sich die behauptete Anweisung einer Überprüfung des „Versandprotokolls“ auf die Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO oder das Übermittlungsprotokoll bezog. Eine genaue Anweisung durch den Rechtsanwalt ist insbesondere erforderlich, um Verwechslungen der Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO mit dem Übermittlungsprotokoll zu vermeiden, dessen Vorliegen für die Ausgangskontrolle nicht genügt. Schon an der Darlegung einer solchermaßen eindeutigen Anweisung fehlt es. Zudem fehlen einer solcherart gefassten Anordnung auch hinreichende Anweisungen dazu, wie der zuständige Mitarbeiter die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hat. Insoweit genügt es nicht, dass zur Organisation der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten die Weisung an die den Postversand tätigenden Büromitarbeiter gehört, zu prüfen, ob die Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Der Rechtsanwalt muss dem Mitarbeiter vielmehr vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren, lässt den Mitarbeiter dagegen schon darüber im Unklaren, welches im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr erstellte Dokument eine elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO ist. Wie die Eingangsbestätigung aufgerufen und ihr Inhalt überprüft werden kann, erfordert eine intensive Schulung der mit dem Versand über das beA vertrauten Mitarbeiter. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine den Postversand tätigenden Mitarbeiter entsprechend geschult oder angewiesen hat, hat die Klägerin schon nicht vorgetragen.
(BGH, Beschluss vom 6. September 2023 – IV ZB 4/23).

Fazit: Fristen dürfen erst nach Erhalt und Kontrolle der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs gestrichen werden (BGH MDR 2023, 858; Schwenker MDR 2023, 1161).