Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Vertragliches Abtretungsverbot und Unternehmensverschmelzung
Urteil vom 22. September 2016 – VI ZR 298/14

Mit der Reichweite von § 399 Fall 2 BGB befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter machte Ansprüche auf restlichen Werklohn für Bauarbeiten geltend. Der zugrunde liegende Werkvertrag war von einer Gesellschaft geschlossen worden, deren Vermögen später im Wege der Verschmelzung auf die Insolvenzschuldnerin übergegangen war. Der Beklagte berief sich unter anderem auf Werkmängel und auf ein im Vertrag vereinbartes Abtretungsverbot. Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz zum überwiegenden Teil Erfolg.

Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück. Er tritt der Auffassung des OLG bei, dass ein in einem Bauvertrag vereinbartes Abtretungsverbot dem Übergang der dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber gerichteten Zahlungsansprüche aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung nicht entgegensteht. Die dafür angeführten Gründe dürften auf andere Verträge und andere Formen der unternehmensrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge in gleicher Weise zutreffen.

Praxistipp: In einschlägigen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob der Übergang des Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden hat oder durch Einzelübertragung der dem übertragenden Rechtsträger gehörenden Vermögensgegenstände. Die vorliegende Entscheidung betrifft nur die zuerst genannte Konstellation.

Neues Vorbringen und Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO
Beschluss vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15

Mit dem Verhältnis zwischen § 529, § 531 und § 522 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine als Kapitalanlage erworbene Wohnung in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß. In der Berufungsinstanz machten die Beklagten unter anderem geltend, bestimmte Mieteinnahmen, die dem Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zugeflossen seien, müssten anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Das OLG wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück und ließ dabei das neue Vorbringen unberücksichtigt.

Der BGH verweist die Sache, soweit es um die zusätzlich angefallenen Mieteinnahmen geht, an das OLG zurück. Abweichend vom OLG ist er der Auffassung, dass der Umfang, in dem neues Vorbringen in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist, nicht davon abhängt, ob das Berufungsgericht durch Urteil oder durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet. Im Streitfall war das ergänzende Vorbringen schon deshalb zulässig, weil die betreffenden Tatsachen erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz entstanden waren. Das Berufungsgericht musste diesen Vortrag auch bei einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO berücksichtigen.

Praxistipp: Wenn das neue Vorbringen Geschehen aus der Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz betrifft, muss die vortragende Partei, um eine Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO zu vermeiden, stets darlegen, weshalb der Vortrag nicht schon in erster Instanz erfolgt ist.

Beweiswürdigung nach Versterben eines Zeugen
Urteil vom 16. August 2016 – X ZR 96/14

Mit einer nicht alltäglichen Situation befasst sich der X. Zivilsenat – als Berufungsgericht – in einer Patentnichtigkeitssache.

Das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht hatte ein Patent für nichtig erklärt und diese Entscheidung unter anderem auf die Aussage eines Zeugen gestützt, der angegeben hatte, ein Datenblatt, das die Erfindung offenbare, sei der Öffentlichkeit schon vor dem Prioritätstag zugänglich gewesen. Mit der Berufung – über die in Patentnichtigkeitssachen der BGH zu entscheiden hat – griff die Patentinhaberin diese Würdigung an. Eine erneute Vernehmung des Zeugen war nicht möglich, weil dieser in der Zwischenzeit verstorben war.

Der BGH weist die Nichtigkeitsklage ab. Nach seiner Einschätzung ergeben sich aus dem Vernehmungsprotokoll erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und an der Glaubhaftigkeit von dessen Aussage. Nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der ZPO darf ein Berufungsgericht eine solche Schlussfolgerung zwar grundsätzlich nicht ziehen, ohne den Zeugen erneut zu vernehmen. Dies gilt aber nicht, wenn der Zeuge nach der erstinstanzlichen Vernehmung verstorben ist.

Praxistipp: Die Partei, zu deren Gunsten der Zeuge ausgesagt hat, sollte nach dessen Versterben alle in Betracht kommenden Anstrengungen unternehmen, um andere Beweismittel an die Hand zu bekommen.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Pflicht des Beauftragten zur Herausgabe von Vorteilen, die Dritten zugewendet wurden
Urteil vom 16. Juni 2016 – III ZR 282/14

Mit dem Umfang der Herausgabepflichten einer Mediaagentur gemäß § 667 Fall 2 BGB befasst sich der III. Zivilsenat

Die Klägerin hatte die beklagte Mediaagentur mit der Planung und dem Einkauf von Werbezeiten und Werbeflächen im eigenen Namen auf Rechnung der Klägerin betraut. Nach Beendigung des Vertrags beanstandete die Klägerin die von der Beklagten erteilten Abrechnungen, weil darin so genannte Freispots nicht berücksichtigt waren, die Medienunternehmen anlässlich von erteilten Aufträgen einer mit der Beklagten wirtschaftlich verbundenen Gesellschaft einräumten und die diese anteilig an die Beklagte weitergab. Die von der Klägerin erhobene Stufenklage hatte hinsichtlich der ersten Stufe vor dem LG Erfolg. Das OLG wies das Auskunftsbegehren hingegen ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit der Vorinstanz qualifiziert er den Mediaagenturvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 675 BGB. Abweichend vom OLG hält er eine Herausgabepflicht aus § 667 Fall 2 BGB und eine darauf bezogene Auskunftspflicht aus § 666 BGB auch hinsichtlich solcher Vorteile für möglich, die nicht der Beauftragte, sondern ein Dritter erlangt hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewährung des Vorteils in innerem Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags steht und dass der Vorteil dem Beauftragten wirtschaftlich zufließt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, obliegt der Würdigung des Tatrichters. Dieser kann sie im Einzelfall auch dann als erfüllt ansehen, wenn der Beauftragte keine einleuchtende Erklärung dafür liefert, weshalb der Vorteil nicht ihm, sondern einem ihm nahestehenden Dritten gewährt wurde.

Praxistipp: Ein Auftraggeber sollte sorgfältig überprüfen, welche wirtschaftlichen Vorteile dem Beauftragten aus seiner Tätigkeit entstehen und hierzu nach Möglichkeit auch externe Informationsquellen nutzen.

Grundsätzlich keine Pflicht zur vorläufigen Beweiswürdigung
Urteil vom 15. April 2016 – V ZR 42/15

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Die Klägerin begehrte die Zustimmung zur Herabsetzung eines vereinbarten Erbbauzinses, nachdem ein auf dem Nachbargrundstück betriebenes Warenhaus geschlossen worden war. Das LG wies die Klage nach Vernehmung der von der Klägerin in erster Instanz benannten Zeugen ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Den Antrag der Klägerin auf Vernehmung weiterer Zeugen wies es gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück.

Der BGH tritt der Beurteilung der Vorinstanz im Ergebnis bei. Nach seiner Auffassung hätte das OLG die zusätzlichen Zeugen allerdings vernehmen müssen, wenn das LG gemäß § 279 Abs. 3 ZPO verpflichtet gewesen wäre, den Parteien nach Abschluss der Beweisaufnahme eine vorläufige Einschätzung des Beweisergebnisses mitzuteilen. Eine solche Pflicht, die in einem Teil der Literatur bejaht wird, besteht nach Auffassung des BGH jedoch nur dann, wenn die Mitteilung erforderlich ist, um eine nach Art. 103 Abs. 1 GG unzulässige Überraschungsentscheidung zu vermeiden. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor, denn die Klägerin konnte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Gericht den Beweis als geführt ansehen wird.

Praxistipp: Ein taktisches Zurückhalten von Zeugen führt, soweit es auf die zusätzlichen Zeugen ankommt, im Zivilprozess so gut wie unweigerlich zum Prozessverlust.