Die Sache mit der Zertifizierung: Vier Fragen zum Nachdenken

Dr. Martin Fries  Dr. Martin Fries

Auftakt zur dritten Runde: Knapp neun Jahre nach dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes und knapp vier Jahre nach dem Erlass der Zertifizierungs-Verordnung gibt es aktuell einen neuen Versuch, die Qualität und Reputation des Mediationsverfahrens zu stärken. Auf dem Tisch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) liegen Vorschläge zur Errichtung einer zentralen Zertifizierungsstelle bzw. einer Mediatorenkammer. Im Wege einer Neufassung der Zertifizierungs-Verordnung könnte eine solche Institution mit der Zertifizierung von Mediatoren betraut werden.

Der Gedanke dahinter: Durch Schaffung einer neutralen Einrichtung könnte man einen Geburtsfehler der Zertifizierungs-Verordnung aus dem Jahr 2017 beseitigen. Anders als die Bezeichnung „zertifiziert“ suggeriert, werden zertifizierte Mediatoren bisher nämlich nicht durch eine Institution geprüft, sondern sie bescheinigen sich durch die Führung der Bezeichnung selbst, die Anforderungen der Verordnung einzuhalten, d.h. eine Präsenzausbildung von 120 Zeitstunden absolviert zu haben, eine Handvoll Mediationsfälle per Supervision reflektiert zu haben und sich regelmäßig fortzubilden. Dieses Konzept einer Selbstzertifizierung stand von Beginn an in der Kritik. Die Frage ist freilich: In welche Richtung sollte man das gegenwärtige System nun weiterentwickeln?

Die Beantwortung dieser Frage scheint mir von einigen Grundannahmen abzuhängen, die den aktuell diskutierten Vorschlägen zugrunde liegen. Ich möchte sie einmal in vier Fragen gießen:

  1. Wie plausibel ist ein Qualitätsproblem in der Mediationspraxis?
  2. Unterstellt, es gäbe ein Qualitätsproblem: In welchem Maße würde die Nachfrage nach Mediatorinnen die Zertifizierung als Qualitätsstandard würdigen?
  3. Angenommen, die Nachfrage würde zertifizierte Mediatoren bevorzugen: Inwieweit wäre dann eine Qualitätsverbesserung durch Vorgaben zur Ausbildungsdauer zu erwarten?
  4. Falls eine Qualitätsverbesserung demgegenüber am ehesten von einer Prüfung der Mediationsfähigkeiten zu erwarten sein sollte: Wie realistisch ist es, für die Bewertung der Prüfungsleistung rechtssichere Kriterien und unabhängige Prüferinnen zu finden?

Vielleicht kann man es so sagen: Je mehr dieser Fragen man mit „sehr“ oder „erheblich“ beantwortet, desto mehr spricht für eine Zertifizierungs-Verordnung 2.0. Je mehr dieser Fragen man mit „kaum“ beantwortet, desto mehr spricht dafür, die Verordnung ersatzlos zu streichen. Wichtig scheint mir zu sein, diese Fragen unvoreingenommen zu diskutieren. Eine Gelegenheit dazu wäre die Online-Konferenz des BMJV am Freitag, 28. Mai 2021. Sind Sie dabei?

 

Hinweis der Redaktion: Zum Thema auch Fries, Regulierung der Mediation: Cui bono?, ZKM 2021, 44 ff.

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 26. Mai 2021 um 12:31 | Permalink

    Zumindest die Mediatorenszene verspricht sich durch eine echte Zertifizierung eine größere Akzeptanz und Nachfrage bezüglich der Dienstleistung Mediation. Ob dies aus Sicht der Verbraucher auch so sein wird, erscheint eher fraglich. Viel wichtiger scheint mir die Gewährleistung der nachhaltigen Qualitätssicherung durch regelmäßige Fortbildungen zu sein und die Einbindung der Mediatoren in Berufs- und Fachverbände. Ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren brauchen ein „Zuhause“, ein professionelles Netzwerk, aus dem heraus sie sich sichtbar und für den Markt attraktiv darstellen können.

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