Aufruf des DIJuF: Kindesunterhalt – Teilrechtsreform jetzt!

Die Ständige Fachkonferenz 3 (SFK 3) „Familienrecht und Beistandschaft, Amtsvormundschaft“ des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) begrüßt es, dass laut den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag die Modernisierung des Familienrechts vorgesehen ist und eine gute wirtschaftliche Absicherung der Kinder erreicht werden soll. Hierbei handelt es sich um umfangreiche Aufgaben, die Auswirkungen auf viele Lebensbereiche der Menschen haben. Daher ist es selbstverständlich, dass diese Projekte gründliche Vorarbeiten erfordern und Zeit in Anspruch nehmen. Das Ausbleiben der Reformen belastet jedoch die forensische und die beratende Praxis sowie die betroffenen Familien in hohem Maß. Daher bittet die SFK3 die Bundesregierung, einige der in der letzten Legislaturperiode angedachten Gesetzesänderungen aus dem Gesamtpakt herauszulösen und möglichst rasch umzusetzen. So sollte insbesondere jetzt eine Teilrechtsreform zum Kindesunterhalt stattfinden.

Den auch in JAmt 2022, 192 veröffentlichten Aufruf finden Sie hier.

Keine Auskunft bei kindeswohlabträglichen Motiven (OLG Bamberg v. 14.3.2021 – 2 UF 29/22)

Ein Elternteil, der nicht unmittelbar die Obhut über ein Kind ausübt, kann in seinen Möglichkeiten der Informationserlangung zur Entwicklung des Kindes eingeschränkt sein, etwa folgend aus einer großen räumlichen Distanz, die einer engen Umgangstaktung entgegensteht, aber auch aus einer tatsächlichen Kontakteinschränkung bis hin zum Umgangsausschluss. Gleichwohl soll dieser Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich durch Auskünfte des Obhutselternteils über die Entwicklung des Kindes zu informieren und somit zumindest indirekt am Leben des Kindes teilzuhaben. Zwingende Voraussetzung dieses Auskunftsanspruchs nach § 1686 BGB bzw. § 1686a BGB ist jedoch, dass der Anspruch dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit einem – vor allem für die unmittelbar betroffenen Kinder – sehr tragischen Sachverhalt hat sich das OLG Bamberg in einer aktuellen Entscheidung befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Antragsteller rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern – auch zu Lasten seiner damals noch minderjährigen, mittlerweile volljährigen dritten Tochter – sowie wegen der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden. Ihm war u.a. die strafbewehrte Weisung erteilt worden, zu seinen Töchtern – von denen zwei noch minderjährig waren (geb. 2004 und 2007) – sowie seiner geschiedenen Ehefrau keinen Kontakt aufzunehmen. Ein von ihm geltend gemachter Auskunftsanspruch, gerichtet auf die Vorlage aktueller Bilder sowie der Zeugnisse der letzten fünf Jahre seiner Töchter wurde zurückgewiesen. Die von ihm eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Es ist nach dem Senat bereits zweifelhaft, ob ein berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung gegeben ist, da das Auskunftsbegehren in den Hintergrund getreten scheint und der Antragsteller mit seinem Begehren vielmehr die Aufhebung bestehender Kontaktverbote und die Rückkehr zur Familie geltend macht. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses zum Erhalt der beantragten Auskünfte konnte letztlich dahinstehen. Zur Begründung der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs hat der Senat insb. ausgeführt, dass im Rahmen der durchzuführenden Kindeswohlprüfung der Kindeswille besondere Bedeutung habe. Dies gelte unter dem Aspekt der Selbstbestimmung vor allem bei Jugendlichen. Im konkreten Fall hätten sich beide Töchter gegen die Erteilung von Auskünften ausgesprochen. Beide wünschten nicht, dass der Antragsteller Fotos oder sonstige persönliche Informationen von ihnen erhalte, da sie selbst von dessen Taten, d.h. der Fertigung einer kinderpornographischen Bilddatei, betroffen gewesen seien. Auch könnte der Antragsteller anhand der Angaben in den Schulzeugnissen den Schulort erfahren und dort möglicherweise ein Zusammentreffen herbeiführen. Dieser Wille der Töchter sei anhand der familiären Vorgeschichte verständlich und nachvollziehbar. Um das Auskunftsbegehren zu verneinen bedürfe es keiner Kindeswohlgefährdung. Es sei daher letztlich unerheblich, warum und ggf. unter welchem Einfluss der Antragsteller die abgeurteilten Straftaten begangen habe.

Der Auskunftsanspruch, wie er bereits gem. § 1686 BGB für jeden rechtlichen Elternteil existierte, wurde im Jahr 2013 mit § 1686a BGB auch auf die leiblichen, nicht rechtlichen Väter erweitert. Für beide Anspruchsgrundlagen gilt, dass sie dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnen, sich über die Kindesentwicklung in angemessener Form in Kenntnis zu setzen, wobei der die Auskunft Begehrende an den eingeforderten Informationen ein berechtigtes Interesse haben muss. Während für § 1686 BGB unerheblich ist, ob sich der Antragsteller längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat, ist für § 1686a BGB ein gezeigtes ernsthaftes Interesse des Vaters an dem Kind zwingende Voraussetzung des Anspruchs.

Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt der tatbestandlichen Prüfung beider Normen. Die erteilte Auskunft darf dem Kindeswohl nicht widersprechen, d.h., es darf keine akute Gefahr dahin gehend bestehen, dass die erteilten Informationen missbräuchlich verwendet werden, so dass die Auskunft auch nur verweigert werden kann, wenn keine milderen Mittel zum Schutz des Kindes zur Verfügung stehen. Mit zunehmendem Alter eines Kindes bedarf es besonderer Berücksichtigung, ob zu höchstpersönlichen Angelegenheiten Auskunft begehrt wird, deren Offenlegung etwa bei einem fast volljährigen Jugendlichen nicht mehr in Betracht kommt bzw. das Kind dann auch selbst entscheiden kann, ob es zu ärztlichen Untersuchungen oder seinem politischen Engagement überhaupt zu Auskünften bereit ist.

Unter Berücksichtigung des Kindeswohls als zentraler Tatbestandsvoraussetzung eines Auskunftsanspruchs lässt die Entscheidung des OLG Bamberg keinerlei kritische Anmerkung zu. Ob dies auch mit Blick auf das Unrechtsbewusstsein bzw. die emphatischen Fähigkeiten des Antragstellers im konkret entschiedenen Sachverhalt so bewertet werden kann, erscheint mehr als fraglich.

Vorsicht bei der Namensänderung (OLG Bamberg v. 13.12.2021 – 7 UF 238/21)

Entsprechend der steigenden Anzahl der Inpflegenahmen von Kindern und den auch längeren Verbleibenszeiten in den Pflegefamilien, werden diese auch immer mehr zur eigentlichen sozialen Familie der Kinder, so dass sich nachvollziehbar der Wunsch eines Pflegekindes zu einer Namensgleichheit mit seiner sozialen Familie ergeben kann. Die im Kontext einer erstrebten Namensänderung zu beachtenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten zeigt die aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg v. 13.12.2021 – 7 UF 238/21, FamRB 2022, 98 auf.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt erstrebte das seit neun Jahren in einer Pflegefamilie lebende Kind die Änderung seines Nachnamens. Zu seiner sorgeberechtigten Mutter unterhielt es auf eigenen Wunsch bereits seit 2017 keinen Kontakt mehr. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, mit der der Mutter das Recht zur Beantragung einer Namensänderung sowie der damit zusammenhängenden Erklärungen entzogen und eine Ergänzungspflegschaft angeordnet wurde, legte die Mutter Beschwerde ein.

Der Senat hat die Beschwerde zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass eine Namensänderung dann erforderlich ist, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten sind und die unterbliebenen Änderung zumindest einen so erheblichen Nachteil für das Kind darstellt, dass ein verständiger, sich sorgender Elternteil auf die Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde. Zu prüfen ist dabei, ob auch eine verwaltungsgerichtliche Namenänderung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wobei nach § 3 Abs. 1 NamÄndG ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes in den Namen der Pflegefamilie bestehen kann, wenn die Änderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.

Das OLG Bamberg greift in seiner Entscheidung und bei der Bewertung des beim Familiengericht eingereichten Antrags auf Genehmigung eines vom Ergänzungspfleger beabsichtigten Verfahrens auf Namensänderung eine grundlegende Entscheidung des BGH zu dieser Sachverhaltskonstellation auf. In einer Entscheidung vom 8.1.2020 hat der BGH klargestellt, dass im Zuge einer beantragten Genehmigung eines beabsichtigten Namensänderungsantrags es der besonderen Berücksichtigung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Familiengericht und Verwaltungsbehörde bzw. Verwaltungsgericht bedarf (BGH v. 8.1.2020 –  XII ZB 478/17, FamRB 2020, 183). Das Familiengericht darf allein über die Genehmigung des Änderungsantrags entscheiden. Die Entscheidung zur Namensänderung als solche obliegt allein den Verwaltungsbehörden bzw. dem Verwaltungsgericht. Hierbei haben die Verwaltungsbehörden unter Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange darüber zu befinden, ob ein wichtiger Grund für die Namensänderung vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die Namensänderung dem Wohl des Kindes förderlich ist und keine überwiegenden Interessen an der Beibehaltung des Namens bestehen. Ein etwaiger Widerspruch der leiblichen Eltern ist nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG v. v. 24.4.1987 – 7 C 120/86, FamRZ 1987, 807) jedenfalls dann unerheblich wenn sie tatsächlich keine Elternverantwortung wahrnehmen. Eine im familiengerichtlichen Verfahren notwendige Gewichtung der für und gegen die Namensänderung sprechenden Umstände ist im Zweifel der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu überlassen. Im familiengerichtlichen Verfahren ist daher inzident zu prüfen, ob in einem etwaigen verwaltungsrechtlichen Verfahren auf der Grundlage des § 3 NamÄndG eine Namensänderung genehmigt würde.

Keine Abänderung kindschaftsrechtlicher Entscheidungen und gebilligter Vergleiche um jeden Preis (OLG Frankfurt v. 30.12.2021 – 6 UF 237/21)

Die Überzeugung Verfahrensbeteiligter davon, dass eine familiengerichtliche Entscheidung dem Kindeswohl entsprechen, aber gerade nicht ihre persönliche Einschätzung zwingender Maßstab dieser Entscheidung sein muss, kann sich gelegentlich als sehr schwierig erweisen. Allzu häufig gerät bei der Einleitung kindschaftsrechtlicher Verfahren der allein maßgebliche Blick auf die Interessen und Belange des Kindes in den Hintergrund. In einem aktuellen Verfahren hat sich das OLG Frankfurt anlässlich eines eingeleiteten Abänderungsverfahrens mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erstrebte ein langjähriger Bekannter der Kindesmutter, der seit der Geburt deren nun 11-jährigen Kindes bis zum endgültigen Zerwürfnis mit der Mutter – im April 2020 – regelmäßigen Kontakt mit dem Kind unterhielt und sich in der Vaterrolle sah, eine Umgangsregelung. Ein erster Umgangsantrag im Jahr 2020 blieb erfolglos. Im November 2011 begehrte er erneut eine Umgangsregelung, wobei wiederum eine Verfahrenseinleitung durch das Familiengericht abgelehnt wurde. Die dagegen von ihm eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Zur Begründung hat das OLG Frankfurt im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Anregung in beiden Instanzen keine Tatsachen vorgetragen hatte, die aus Gründen des Kindeswohls eine Änderung der früheren ablehnenden gerichtlichen Entscheidung als möglich hätten erscheinen lassen. Darüber hinaus seien auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine veränderte Sachlage ersichtlich, aus denen für den Senat weitere Ermittlungen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes angezeigt seien. Der Beschwerdeführer räume selbst ein, dass sich an der Sachlage nichts geändert habe. Er erstrebe lediglich eine nochmalige Überprüfung der früheren erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen.

Das OLG Frankfurt hat dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass angesichts seiner nach wie vor bestehenden massiven Kritik am Erziehungsverhalten der Kindesmutter nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich sein Verhältnis zu ihr verbessert habe und er ihren Erziehungsvorrang respektiere. Während die Mutter nach wie vor sorgeberechtigt sei und mit dem Jugendamt zusammenarbeite, halte der Beschwerdeführer nur seine Vorwürfe aufrecht und reflektiere seine Sichtweise in keiner Weise.

Während im Rahmen des § 1684 BGB der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen dem Kind und seinen Eltern davon ausgeht, dass der Umgang dem Kindeswohl dient, gilt nach § 1685 BGB für den Umgangsbegehrenden, dass die Kindeswohldienlichkeit des Umgangskontakts zunächst festgestellt werden muss.

Ebenso ist die Kindeswohldienlichkeit aber auch wesentlicher Maßstab der Abänderung einer bestehenden Sorge- oder Umgangsregelung. Gerichtliche Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht sowie gerichtlich gebilligte Vergleiche können grundsätzlich nach § 1696 BGB einer Änderung zugeführt werden, wenn dies aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Bereits aus dem Wortlaut der Norm folgt dabei, dass nicht jede Änderung Anlass für ein Abänderungsverfahren sein kann; erst recht genügt die bloße Berufung auf eine angeblich falsche Ausgangsentscheidung nicht. Kinder sollen vor fortlaufenden Verfahren geschützt und für sie eine stabile, dauerhafte Lebens- und Sorgesituation gewährleistet werden. Ein geltend gemachter Abänderungsgrund muss so gewichtig sein, dass er etwaige mit der erstrebten Änderung verbundene Nachteile deutlich überwiegt, und zwar unter Einschluss des Kontinuitätsgrundsatzes.

Diesen strengen Anforderungen wird, wie das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung zutreffend hervorgehoben hat, sicherlich ein Antragsbegehren nicht gerecht, das deutlich die eigenzentrierten Vorstellungen des Antragstellers erkennen lässt, der zudem nicht einmal den Erziehungsvorrang des anderen Elternteils zu akzeptieren bereit ist.

„Unechte“ interne Teilung und Ziff. 5 der Teilungsordnung der Privatversicherer

Seit 44 Jahren führe ich einen „Kuriositäten-Ordner“. Auf die Idee brachte mich ein Mandant zu Beginn meiner Anwaltslaufbahn, noch als Referendar. Dieser (eine rheinische Frohnatur) gaunerte Briefmarkenfreunden ihre teils wertvollen Sammlungen mit dem Versprechen hoher Verkaufserlöse ab, ohne diese jemals an die Opfer zu leiten. Auf die Beschwerde eines Geschädigten schrieb er ihm: „Bereits bei unserer letzten Zusammenkunft habe ich Ihnen gesagt, dass Sie Illusionen am Leib haben. Aber, wie Apfelbaum (Philadelphia)“ (was, den kennen Sie nicht?) „sagt, ‚we give you facts, no fiction‘.“ Trotz dieses intellektuell anmutenden Einschüchterungsversuchs erstattete der Geschädigte Anzeige, was die Angelegenheit zu uns auf den Tisch brachte.

An diesen Text fühlte ich mich erinnert, als mir eine Kollegin ein Schreiben der ERGO-Versicherung zuleitete, in welchem diese Ziff. 5 der Teilungsordnung, hier einer betrieblichen Altersversorgung, verteidigt. Nach Ziff. 5 der Teilungsordnung wird das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person zu den im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblichen Versicherungsbedingungen begründet. Die Rechtsprechung hat dutzendfach diesen „Tarifwechsel“ als unzulässig zurückgewiesen, entsprechende Klauseln in den Teilungsordnungen als „nichtig“ gebrandmarkt und die Teilung „mit der Maßgabe“ vollzogen, „dass auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafeln der auszugleichenden Versorgung“ anzuwenden seien (zuletzt: BGH v. 18.8.2021 – XII ZB 359/19, FamRZ 2021, 1955 = FamRB 2022, 12; OLG Frankfurt v. 22.8.2019 – 4 UF 86/17, FamRZ 2020, 673 = FamRB 2020, 16).

Unangefochten von all diesen Erkenntnissen – mit beharrlicher Erkenntnisaversion – beruft sich die ERGO jedoch auf eine „jüngere“ Entscheidung des BGH v. 19.8.2015 – XII ZB 443/14, FamRZ 2015, 1869 = FamRB 2015, 407, wonach die Wertentwicklung der Zielversorgung nicht identisch, sondern nur „vergleichbar“ zu sein habe und auf den „Grundsatz der Aufwandsneutralität“, wobei „der Aufwand für die Anwartschaft des Ausgleichspflichtigen ex ante zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns zu bewerten“ sei.

Nun, jünger als Entscheidungen aus dem Jahr 2015 ist vielleicht die Entscheidung des BVerfG v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18, FamRZ 2020, 1053 = FamRB 2020, 261, in der das Verfassungsgericht ein grundrechtskonformes Teilungsergebnis nur annimmt, wenn das in der Zielversorgung realisierte Versorgungsvolumen mindestens 90 % des Versorgungsvolumens der Quellversorgung beträgt. Dem hat sich der BGH (mit einigen Varianten) zwischenzeitlich angeschlossen (BGH v. 24.3.2021 – XII ZB 230/16, FamRZ 2021, 1094 = FamRB 2021, 279).

Fühlen wir also der „empörten“ ERGO auf den Zahn:

Dem im Jahr 2009 begründeten Versicherungsvertrag lag ein Garantiezins von 2,25 % zugrunde. Rechtskraft der Entscheidung kann erst 2022 eintreten, dann beträgt der Garantiezins nur mehr 0,25 %. Bei einem ehezeitlichen Versorgungserwerb, den die ERGO mit 16.300 € mitteilt, hätte sie an ihren Versicherungsnehmer bei vertragsgemäßem Auslauf des Vertrages im August 2042 mindestens 25.400 € zu zahlen gehabt. Die durch den Versorgungsausgleich verursachte Teilung der Versorgung führt für den Mann zu einem Auszahlungsbetrag im Jahr 2042 von rd. 12.700 €.

Der drei Jahre jüngeren, dann geschiedenen Ehefrau müsste die ERGO nach ihrer Berechnung im Jahr 2045 nur rd. 8.632 € zu zahlen (8.150 x (1 + 0,25 %)23). Die Gesamtzahlung aus dem 2009 geschlossenen Vertrag beträgt also für die ERGO anstatt der geplanten 25.400 € nur 21.332 €. Einsparung: 4.068 € oder satte 16 % Extragewinn für den Versorgungsträger! Bei diesen Perspektiven wird man sich alsbald darauf einstellen müssen, dass die ERGO in ganzseitigen Werbeanzeigen für die Scheidung ihrer Versicherungsnehmer wirbt und diesen einen Scheidungs-Bonus in Form einer Beteiligung an deren Kosten verspricht.

Die ERGO selbst schreibt: „… die Versicherung ist so kalkuliert, dass das Kapital zum Vertragsablauf ausgezahlt wird. Die bei Vertragsabschluss kalkulierte Verzinsung endet damit am 1. August 2042.“ Damit will die ERGO offensichtlich insinuieren, dass sie, wenn sie 2009 gewusst hätte, dass sie die Hälfte der Versicherungsleistung 3 Jahre später als vertraglich vorgesehen auszuzahlen hätte, ganz andere (schlechtere) Zinskonditionen zugrunde gelegt hätte, nämlich einen Rechnungszins von nur 0,25 %.

Die Annahme, die ERGO hätte bereits im Jahr 2009 für drei Jahre jüngere Versicherte einen um 2 % abgesenkten Rechnungszins verwendet, ist eine unintellektuelle Zumutung. Die Vertragsgeneration 2009 der ERGO hat für alle Versicherten die gleichen Rechnungszinsen angewendet. Das Gegenteil hätte die ERGO darzulegen, weil nur sie über entsprechende Unterlagen verfügt. Sie „droht“ mit einem Sachverständigengutachten. Quatsch. Sie kann ganz einfach ihre Tarife aus dem Jahr 2009 für einen Versicherten des Geburtsjahrgangs 1978 vorlegen. Wenn dieser Tarif einen Rechnungszins von 0,25 % aufweist und die vom Versorgungsträger zur Kalkulation der Leistungen angewendeten Sterbetafeln bereits damals die heute bekannte Tendenz zur Längerlebigkeit punkgenau trafen, mag die Versorgung zu den jetzt konzipierten miserablen Bedingungen begründet werden. Anderenfalls zu den Bedingungen der Quellversorgung. Ich verwette eine Kiste guten Rotweins, dass die ERGO diesen Nachweis nicht führen kann.

Für das von der ERGO beklagte Dilemma einer nicht kostenneutralen Teilung der Versorgung habe ich einen einfachen Lösungsvorschlag: Die ERGO legt das Vertragsende für die ausgleichsberechtigte Ehefrau auf das gleiche Datum wie im Vertrag für den ausgleichspflichtigen Ehemann vorgesehen. Dann ist die Frau 64 Jahre alt und freut sich über 12.700 €, anstatt drei Jahre später nur 8.632 € zu bekommen, und die ERGO kann der Zukunft kopfschmerzfrei entgegensehen. Denn: Auch auf Gewinne, die aus der Anwendung nichtiger Vertragsklauseln erzielt werden, sind Steuern zu zahlen. Dann würde sich die ERGO selbst auch ernst nehmen, statt die Justiz zu veralbern. „Der Aufwand“ schrieb die ERGO, müsse „ex ante zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns“ kalkuliert werden.

Ganz abgesehen davon: Wenn die ERGO auf dem Tarifwechsel besteht, handelt es sich nicht um eine interne, sondern eine externe Teilung. Zwar beim gleichen Versorgungsträger, aber eben nach anderem Tarif (BGH v. 18.8.2021 – XII ZB 359/19, FamRZ 2021, 1955 = FamRB 2022, 12). Dann darf der Versorgungsträger aber auch keine Kosten nach § 13 VersAusglG erheben, die im konkreten Fall aber mit 250 € recht günstig ausfielen.

Und noch zum Schluss – liebe ERGO – „We give you facts – no fiction“.

Beraterhinweis: Ziff. 5 der Teilungsordnung privater Versorgungträger, wonach nach interner Teilung die Versorgung zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auf der Basis der bei Rechtskraft „aktuellen Versicherungsbedingungen“ begründet wird, ist angesichts stetig gesunkener Garantiezinsen eine absolute „Versorgungsvernichtung“. Ohne ausdrückliche Korrektur in der Tenorierung werden die ausgleichsberechtigten Personen um erhebliche Versorgungsansprüche geschädigt. Deshalb muss sowohl bei privaten, aber auch bei betrieblichen Versorgungträgern stets geprüft werden, ob bei interner Teilung auf die „aktuellen“ Vertragsbedingungen oder die der Quellversorgung verwiesen wird. Das zu übersehen, dürfte ein haftungsträchtiger Fehler sein.

Richtigerweise wäre wie folgt zu tenorieren: „Zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der <Versorgungsträger nebst VersNr.> wird zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den <Ehezeitende> eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von <… € (Kapital/Rente)> nach Maßgabe der Teilungsordnung <des Versorgungsträgers in der Fassung vom …> mit der Maßgabe begründet, dass abweichend von <…Ziff. 5…> der Teilungsordnung auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind.


Diese und andere Probleme des Versorgungsausgleichs
möchte ich mit Ihnen zukünftig mittwochs um 11:00 Uhr in Form einer Videokonferenz diskutieren. Anmeldung – nur für Kolleginnen und Kollegen – zu meiner „Kaffeerunde Versorgungsausgleich“ über hauss@anwaelte-du.de.

Familienrechtliche Reformpläne im Koalitionsvertrag

Anbei die für den Familienrechtler relevantesten Passagen aus dem mehr als 170-seitigen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

 

Familienrecht (S. 101/102)

Wir werden das Familienrecht modernisieren. Hierzu werden wir das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickeln, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann. Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen.

Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.

Auch außerhalb der Ehe soll die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht der anerkennenden Person oder von einem Scheidungsverfahren möglich sein. Wir werden ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren einführen, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Das Samenspenderregister wollen wir auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden öffnen.

Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen. Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden.

Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen. Wir werden den Kindern ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern geben. Das Namensrecht liberalisieren wir, z.B. durch Einführung echter Doppelnamen.

Wir werden in familiengerichtlichen Verfahren den Kinderschutz und das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlungen stärken. Die Hürden für die Nichtzulassungsbeschwerde werden wir senken sowie einen Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter gesetzlich verankern. Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.

Wir ermöglichen es unverheirateten Vätern in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Widerspricht die Mutter, so muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Das Kindeswohl ist dabei besonders zu berücksichtigen. Wir werden die Modernisierung im Kindschafts- und Unterhaltsrecht mit Studien begleiten.

 

Zudem:

Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen. (S. 98)

Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. … In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt. (S. 100)

Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen. Der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Wir richten das BAföG neu aus und legen dabei einen besonderen Fokus auf eine deutliche Erhöhung
der Freibeträge. Außerdem werden wir u. a. Altersgrenzen stark anheben, Studienfachwechsel
erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze auch vor dem Hintergrund steigender
Wohnkosten anheben, einen Notfallmechanismus ergänzen und Teilzeitförderungen prüfen. (S. 97)

Wir werden das Elterngeld vereinfachen, digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken. Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen. Diese Möglichkeit soll es auch für Alleinerziehende geben. Den Mutterschutz und die Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin soll es bei Fehl- bzw. Totgeburt künftig nach der 20. Schwangerschaftswoche geben. Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch
für Alleinerziehende. Wir werden einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern einführen und den
Anspruch für Selbstständige modernisieren. Für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, erweitern wir den Anspruch auf Elterngeld. Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren. Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den
Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern. (S. 100/101)

Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen. (S. 101)

 

 

Zu dem auf den Internetseiten der SPD veröffentlichten vollständigen Koalitionsvertrag kommen Sie hier.

Ersatzhaftung von Großeltern für den Enkelunterhalt (BGH v. 27.10.2021 – XII ZB 123/21)

Die gesteigerte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern entfällt, wenn leistungsfähige Großeltern als andere unterhaltspflichtige Verwandte (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB) vorhanden und in der Lage sind, den Unterhalt der Enkel ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Selbstbehalts aufzubringen. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die Ausdruck einer generationenübergreifenden Solidarität ist, hat sich bis heute nichts geändert.

Die Beteiligten streiten um rückständigen Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von 6/2016 bis 12/2017. Der Antragsgegner (Ag) ist Vater der 2010 geborenen M und des 2004 geborenen L. Er verfügte in der fraglichen Zeit über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.441 € (2016) bzw.1.466 € (2017). Davon zahlte er an die Mutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 € betrug, einen monatlichen Kindesunterhalt für M von 100 €. Seine Eltern – die Großeltern von M – erzielten als Polizeibeamter bzw. Briefzustellerin monatliche Nettoeinkünfte von knapp 3.500 € bzw. gut 2.200 €. Der Antragsteller (Ast) und Träger der Unterhaltsvorschusskasse hat im Anspruchszeitraum an die Mutter von M Unterhaltsvorschuss i.H.v. insgesamt 1.772 € gezahlt und den Vater aus übergegangenem Recht i.H.v. insgesamt 758,29 € in Anspruch genommen. Der Ag hat eingewandt, angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts zu haften und deshalb über die von ihm geleisteten Zahlungen hinaus nicht leistungsfähig zu sein. Dass AG hat den Ag antragsgemäß verpflichtet. Auf seine Beschwerde hin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und den Antrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ast.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück, weil der Ag nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig i.S.v. § 1603 BGB gewesen sei. Er könne gegenüber M, deren Unterhaltsanspruch gemäß § 7 UVG auf den Ast übergegangen sei, gemäß 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB seinen angemessenen Selbstbehalt (von seinerzeit 1.300 €) verteidigen, indem er auf die Unterhaltspflicht der Großeltern väterlicherseits verweise. Denn nach dieser Regelung gelte die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Dies seien hier die Großeltern, die ohne Gefährdung ihres erhöhten angemessenen Selbstbehalts leistungsfähig zur Zahlung des Kindesunterhalts gewesen seien. Deren Ersatzhaftung trete nicht erst dann ein, wenn der notwendige Selbstbehalt der Eltern unterschritten werde, sondern auch dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil den Kindesunterhalt nur aus dem Differenzbetrag zwischen dem angemessenen und dem notwendigen Selbstbehalt aufbringen könne. Diese Heranziehung von Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel stelle auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern selbst dar. Vielmehr haften die Großeltern gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur für Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern.

Der Unterhaltsbedarf der Enkel richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eltern und nicht der Großeltern. Soweit die Eltern nicht leistungsfähig sind, wird der Bedarf ihrer Kinder regelmäßig nicht über den Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB hinausgehen. Daher werden die Großeltern, selbst wenn sie in guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, in aller Regel nur in dieser Höhe Unterhalt für ihre Enkel zahlen müssen. Das gilt auch dann, wenn gegen die Eltern oder den barunterhaltspflichtigen Elternteil höherer Kindesunterhalt tituliert worden ist. Denn dieser Unterhaltstitel entfaltet im Verhältnis zu den Großeltern keine Wirkung. In einem solchen Fall wird er auf einem entsprechenden früheren Einkommen der Eltern beruhen; die Kinder haben jedoch ein späteres Absinken des Einkommens ihrer Eltern mitzutragen.

Im vorliegenden Fall kommt es auch nicht auf die Frage an, ob ggf. die Großeltern mütterlicherseits neben den Großeltern väterlicherseits ebenfalls als weitere leistungsfähige Verwandte i.S.d. 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB in Betracht kommen. Denn für den Ausschluss der erweiterten Unterhaltsverpflichtung des von der Unterhaltsvorschusskasse in Anspruch genommenen Vaters nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt es, wenn dieser mindestens einen anderen leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB benennen und nachweisen kann. Danach tritt die gesteigerte Unterhaltspflicht dann nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Welche Großeltern den Unterhalt leisten müssten, war vorliegend, da sie nicht in Anspruch genommen worden sind, nicht zu klären. Auch darauf, ob die Mutter der M eine weitere leistungsfähige Verwandte wäre, kam es nicht an, denn der Ag hatte im Verfahren nicht auf ihre Inanspruchnahme verwiesen. Im Übrigen läge ein etwaiges bereinigtes fiktives Einkommen der Mutter hier bei einer Vollzeitstelle auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Einkünfte ebenfalls unterhalb des angemessenen Selbstbehalts.

Jedem Großelternteil ist entsprechend Anm. D I der Düsseldorfer Tabelle ein – gegenüber den Eltern höherer – angemessener Selbstbehalt von aktuell mindestens 2.000 € gegenüber seinen Enkeln zuzubilligen. Wie beim Elternunterhalt ist dieser Betrag um die Hälfte des Mehreinkommens, das über 2.000 € liegt, zu erhöhen. Bei zusammenlebenden Großeltern ist entsprechend zu differenzieren. Im Übrigen ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG, dass der staatliche Leistungsträger im Fall von Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Rückgriff bei Großeltern (sondern nur gegenüber Eltern) nehmen kann. Dies stellt eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung dar, die zu beachten ist.

Da kommt was auf uns zu – zu den familienrechtlichen Implikationen des Sondierungspapiers von SPD, Grünen und FDP

 

Die zukünftigen Koalitionäre haben uns mit dem Sondierungspapier eine familienrechtliche Reformoffensive angekündigt. Unter Ziff. 8. 2. Absatz heißt es:

„Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen. Dazu werden wir u.a. das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz ebenso wie die Regelungen zur Reproduktionsmedizin anpassen und beispielsweise Verantwortungsgemeinschaften bzw. einen Pakt für Zusammenleben möglich machen.“

So schmal und bescheiden die Sätze dahingeschrieben sind, so inhaltsschwer sind sie. Kommt nun nach der Ehe für alle die ‚Ehe light‘?

Die Daten der Statistiker sind eindeutig: Die ehevermeidenden Lebensformen wachsen stetig. Zwar sinken die Scheidungszahlen und die Ehedauer steigt, was aber wohl daran liegen dürfte, dass auch das Heiratsalter stetig steigt und Ehen nicht mehr im hormonell bedingten Verwirrungszustand geschlossen werden. Das institutionelle Eheverständnis des Gesetzes, wonach die Ehe eine auf Lebenszeit ausgerichtete solidarisch Gemeinschaft zweier Menschen darstellt, scheint mehr oder minder überholt. Wenn 1/3 aller Ehen geschieden, Kinder zunehmend nicht in eine bestehende Ehe hineingeboren werden und die eheliche Solidarität über das Unterhaltsrecht weit über das Ende der sie begründenden Ehe hinaus die Lebensverhältnisse des pflichtigen beeinträchtigt und den berechtigten Ehegatte an den ‚ehelichen Lebensverhältnisse‘ teilhaben lässt, obgleich die Ehe nicht mehr besteht, kann man verstehen, dass die Politik und der Gesetzgeber sich nun anschicken, neben die Ehe einen der Lebenswirklichkeit vieler Menschen eher entsprechenden rechtlichen Rahmen für das verantwortungsvolle Zusammenleben zu schaffen.

Die Grünen nannten es in ihrem Wahlprogramm „Pakt für das Zusammnleben“, SPD und FDP „Verantwortungsgemeinschaft“, wobei die SPD dabei ausdrücklich auf den von der französischen Bevölkerung sehr stark akzeptierten PACS (Pacte civil de solidarité) verwies.

Bei so viel programmatischer Harmonie der zukünftigen „Verantwortungsgemeinschaft Regierung“ wird sich etwas ändern. Es ist höchste Zeit, dass die Praktiker des Familienrechts und die Familienrechtswissenschaft sich in die Diskussion um die Verrechtlichung solidarischer Lebensgemeinschaften einmischt. Es besteht Nachholbedarf.

Zu klären ist die Frage, welche und wie weitreichende Verpflichtungen aus einem sochen Pakt für das Zusammenleben resultieren sollen, und welche steuer- und sozialrechtlichen Konsequenzen ein verrechtlichtes, aber nichteheliches Zusammenleben haben soll. Interessant wäre es, einen Rechtsrahmen zur Verfügung zu stellen, dessen einzelne Bausteine von den Partnern angewählt werden können (Opt-In). Dies würde auch die Eigenverantwortlichkeit bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse des Zusammenlebens stärken.

Auch vor dem Versorgungsausgleich muss ein derartiges Institut nicht Halt machen. § 120a SGB VI ermöglicht heute schon das „Privatsplitting“ von Renteneinkünften der Ehegatten. Nichts spricht dagegen, das auch auf „Zusammenlebende“ auszuweiten, wodurch Nachteile eines der Beteiligten, die durch die Rollenverteilung entstehen, ausgeglichen werden könnten. All das in freier – widerrufbarer – Entscheidung der zukünftigen Partner. Und das Beste daran wäre, die Auflösung einer solchen Beziehung könnte durch einseitigen Widerruf oder Erklärung gegenüber dem Standesamt erfolgen, wenn man denn einem solchen Pakt steuerliche oder sozialrechtliche Konsequenzen zuschreiben würde. Der „Pakt“ würde so zur „freien Ehe“ und damit auch zum Pakt unter Freien. Das wäre die Einlösung einiger Programmsätze des Grundgesetzes, das zwar nicht die „freie Ehe“ aber „freie Bürger“ wollte, die eigenverantwortlich ihre Lebensverhältnisse gestalten.

Das Sondierungspapier kommen Sie hier: Ergebnis_Sondierungen

Vorsicht bei erklärter Mitwirkungsbereitschaft des Jugendamts zur Umsetzung einer Umgangsregelung (BGH v. 9.6.2021 – XII ZB 513/20)

Nach § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB kann das Familiengericht in Ausgestaltung einer Umgangsregelung anordnen, dass der Umgang nur in Anwesenheit eines mitwirkungsbereiten Dritten erfolgt, wobei Dritter in diesem Sinn neben dem Träger der Jugendhilfe auch ein Verein sein kann, dabei ist jeweils eine Einzelperson zu benennen, die diese Aufgabe letztlich wahrnimmt. Da sich die Verfahrensbeteiligten in der Praxis häufig nicht auf einen Dritten in diesem Sinn verständigen können bzw. ein solcher tatsächlich nicht zur Verfügung steht, ist die Wahl des Jugendamts oder eines sonstigen Trägers der Jugendhilfe praktisch die Regel.

In einem aktuellen Beschluss hat der BGH nun entschieden, dass gegenüber einem solchen Dritten, auch wenn er im Vorfeld seine Mitwirkungsbereitschaft erklärt hatte, diese nachfolgend jedoch widerruft, ein Ordnungsmittel nicht verhängt werden kann, da die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur gegen den tatsächlich Verpflichteten einer Umgangsregelung erfolgen kann. Allein aus dem Umstand folgend, dass das Jugendamt seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des Umgangs zur Verfügung zu stellen bereit ist, nimmt es nicht am vollstreckbaren Inhalt eines Umgangsbeschlusses teil. Da die Mitwirkungsbereitschaft i.S.d. § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB auf der Freiwilligkeit des Dritten beruht, kann das Jugendamt im Zuge einer Umgangsregelung nicht zur Mitwirkung verpflichtet werden, sondern ist jederzeit zu einem Widerruf seines erklärten Einverständnisses berechtigt. Auch soweit ein umgangsberechtigter Elternteil aus § 18 Abs. 3 S. 3 und 4 SGB VIII folgend ein einklagbares Recht auf Unterstützung bei der Umgangsausübung besitzt, muss dieses letztlich verwaltungsgerichtlich erst durchgesetzt werden.

Die Entscheidung des BGH vom 9.6.2021 verdeutlicht erneut, dass die Familiengerichte gegenüber den Jugendämtern bzw. sonstigen freien Trägern der Jugendhilfe keine Anordnungskompetenz besitzen, da diesen die Steuerungshoheit nach § 36a SGB VIII zugewiesen ist. Die ablehnende Entscheidung des Jugendamts zur Mitwirkung i.S.d. § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB muss daher ggf. gesondert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mittels einer allgemeinen Leistungsklage überprüft werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Eignung i.S.d. § 18 Abs. 3 S. 4 SGB VIII unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Nachprüfung, wobei von Bedeutung sein kann, ob das Jugendamt in seiner Stellungnahme selbst davon ausgegangen ist, dass ein unbegleiteter Kontakt dem Kindeswohl nicht förderlich ist.

Muss daher zunächst das verwaltungsgerichtliche Verfahren durchgeführt werden, so ist das Familiengericht zu einer Aussetzung des ggf. dort noch anhängigen Verfahrens verpflichtet, um den Beteiligte die Möglichkeit zu geben, zunächst die verwaltungsgerichtliche Klärung herbeizuführen. Für die Interimszeit hat das Familiengericht gem. § 156 Abs. 3 S. 1 FamFG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen, so dass – orientiert an Ausmaß und Schwere einer etwaigen Kindeswohlgefährdung – auch ein unbegleiteter Umgang in Rede stehen kann, der wiederum doch das Jugendamt anregen kann, den Umgang zu begleiten, und sei es auch nur bis zur Klärung des Sachverhalts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob ein „Großes Familiengericht“ mit seiner Kompetenz zur Entscheidung über alle Rechtsstreitigkeiten aus Ehe und Familie, wie es dem Gesetzgeber bei Schaffung des FamFG vor Augen stand, nicht auch Sachverhaltskonstellationen der vorab dargestellten Art umfassen sollte – vor allem mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit kindschaftsrechtlicher Verfahren und der bestehenden besonderen fachlichen und sachlichen Nähe der Familiengerichte zu diesen Verfahren.

Das Problem mit der Grundrente im Versorgungsausgleich

Die Grundrente bereitet zurzeit in Versorgungsausgleichsverfahren zunehmend Probleme, weil die Deutsche Rentenversicherung derzeit nicht in der Lage ist, Auskünfte über die Höhe eines möglichen ehezeitlichen Grundrentenerwerbs zu erteilen. Der dafür zuständige § 76g SGB VI muss als einer der Höhepunkte sozialrechtlicher Gesetzgebungskunst bezeichnet werden, weshalb er – mit besonderem Hinweis auf seinen Abs. 4 – am Ende dieses Textes aufgeführt ist.

Unstreitig ist ein Ehezeitanteil der Grundrente nach §§ 2, 5 VersAusglG im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Es ist auch völlig unstreitig, dass Entgeltpunkte und die Zuschläge aufgrund der Grundrente unterschiedlich zu tenorieren sind. Grundrentenzuschläge sind im Tenor gesondert als Grundrentenentgeltpunkte auszuweisen.[1] Ebenso unstreitig ist, dass die Übertragung von Grundrentenentgeltpunkten im Versorgungsausgleich der insoweit ausgleichsberechtigten Person nur nutzen, wenn sie nicht an der Einkommensprüfung scheitert, also selbst bedürftig ist und

In Versorgungsausgleichsverfahren, deren beteiligte Ehegatten noch in rentenfernem Alter sind, ist es ohne weiteres möglich, den Versorgungsausgleich insgesamt vom Verfahren abzutrennen und zu einem späteren Zeitpunkt darüber zu entscheiden.

Problematisch sind die Fälle, in denen ein oder beide Ehegatten bereits Rentenbezieher sind. Ein monate- oder auch jahrelanges Abwarten auf eine Auskunft der Versorgungsträger, bevor eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich ergeht, würde in diesen Fällen zu Versorgungsverlusten der in der Bilanz ausgleichsberechtigten Person führen und gegebenenfalls Unterhaltsansprüche eines Ehegatten gegen den anderen unnötigerweise erhöhen, weil der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden kann. In diesen Fällen hilft die Möglichkeit der Teilentscheidung über den ehezeitlichen Versorgungserwerb, über den die Versorgungsträger eine vollständige Auskunft erteilt haben und die Abtrennung des Versorgungsausgleichs (§ 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG) aus dem Scheidungsverbund insoweit, als die Versorgungsträger über den ehezeitlichen Grundrentenerwerb keine Auskunft erteilen konnten.[2]

Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass

  • die Ehe geschieden werden kann,
  • Unterhaltsansprüche reduziert werden und
  • bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche der Beteiligten weitgehend vermieden werden können, da die Grundrentenzuschläge relativ gering sein werden und die übrigen Versorgungen ausgeglichen sind.

Ob überhaupt ein Grundrentenbezug in Betracht kommt, kann anhand der Versorgungsauskunft der gesetzlichen Rentenversicherung des Rentenbescheids oder bei Kenntnis der Erwerbsbiografie des betreffenden Ehegatten ermittelt werden. Ein Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten setzt mindestens 33 bzw. 35 Jahre Grundrentenzeiten voraus. Grundrentenzeiten sind im Wesentlichen

  • Pflichtbeitragszeiten aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung, Kindererziehungszeiten oder Pflege,
  • rentenrechtliche Zeiten wegen Bezugs von Leistungen bei Krankheit und Rehabilitation
  • Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege und
  • Ersatzzeiten (§ 76g Abs. 2 SGB VI).

Ergibt der Blick in den Versicherungsverlauf, dass unter Berücksichtigung dieser Faktoren nicht mindestens 33 Jahre Grundrentenzeit zusammenkommen, kann man davon ausgehen, dass die im Übrigen sehr komplizierten Voraussetzungen für den Bezug von Grundrente nicht erfüllt werden. In diesen Fällen kann auf der Basis der vorhandenen Auskünfte in der Regel der Versorgungsausgleich fehlerfrei durchgeführt werden. In der klassischen Hausfrauen- oder Hausmannsehe, in der einer der Ehegatten Küche und Kinder und die Versorgung des anderen Ehegatten gemanagt hat ohne selbst über einen längeren Zeitraum berufstätig zu sein, kommt ein Grund Rentenbezug nicht in Betracht. Man müsste schon elf Kinder erzogen haben, um allein aus Kindererziehungszeiten die notwendige Grundrentenzeit anzusammeln. In diesem Fall allerdings käme ein Grundrentenbezug nicht in Betracht, weil die Höchstbegrenzung nach § 76g Abs. 4 SGB VI überschritten wären.

 

76g SGB VI

Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung

(1) Ein Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt, wenn mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten ein Durchschnittswert an Entgeltpunkten ergibt, der unter dem nach Absatz 4 maßgebenden Höchstwert liegt.

(2) Grundrentenzeiten sind Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten nach § 51 Absatz 3a Satz 1 Nummer 1 bis 3; § 55 Absatz 2 gilt entsprechend. Grundrentenzeiten sind auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten. Abweichend von Satz 1 sind Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld keine Grundrentenzeiten.

(3) Grundrentenbewertungszeiten sind Kalendermonate mit Zeiten nach Absatz 2, wenn auf diese Zeiten Entgeltpunkte entfallen, die für den Kalendermonat mindestens 0,025 Entgeltpunkte betragen. Berücksichtigt werden für die Grundrentenbewertungszeiten auch Zuschläge an Entgeltpunkten nach den §§ 76e und 76f.

(4) Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt aus dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten und umfasst zunächst diesen Durchschnittswert. Übersteigt das Zweifache dieses Durchschnittswertes den jeweils maßgeblichen Höchstwert an Entgeltpunkten nach den Sätzen 3 bis 5, wird der Zuschlag aus dem Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Höchstwert und dem Durchschnittswert nach Satz 1 ermittelt. Der Höchstwert beträgt 0,0334 Entgeltpunkte, wenn 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorliegen. Liegen mehr als 33, aber weniger als 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, wird der Höchstwert nach Satz 3 je zusätzlichen Kalendermonat mit Grundrentenzeiten um 0,001389 Entgeltpunkte erhöht; das Ergebnis ist auf vier Dezimalstellen zu runden. Liegen mindestens 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, beträgt der Höchstwert 0,0667 Entgeltpunkte. Zur Berechnung der Höhe des Zuschlags an Entgeltpunkten wird der nach den Sätzen 1 bis 5 ermittelte Entgeltpunktewert mit dem Faktor 0,875 und anschließend mit der Anzahl der Kalendermonate mit Grundrentenbewertungszeiten, höchstens jedoch mit 420 Kalendermonaten, vervielfältigt.

(5) Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten zu gleichen Teilen zugeordnet; dabei werden Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) Zuschläge an Entgeltpunkten (Ost) zugeordnet.

 

[1] § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI; Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1611.

[2] Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1613.