DiRUG-Erweiterungsgesetz: Verbleibende offene Frage zur Reichweite der GmbH-Gründung mittels Videokommunikation

Im Heft 7/2022 der GmbHR werfe ich im Rahmen des „Blickpunkts“ die Frage auf: Sind solche statutarisch-korporativen Nebenleistungspflichten i.S.d. § 3 Abs. 2 GmbHG, die eine aus sich heraus („isoliert“) formbedürftige Leistungspflicht aller oder einiger Gesellschafter begründen, ab dem 1.8.2022 einer Beurkundung im Rahmen des Videokommunikationsverfahrens nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. zugänglich? Die Frage wird dort im bejahenden Sinne entgegen der mittlerweile bereits herrschenden, sie verneinenden Meinung in der Rechtsliteratur beantwortet, und zwar getragen von der Grundannahme eines Vorrangs bzw. einer Exklusivität des Formgebots des § 2 Abs. 1 GmbHG gegenüber jenem des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG im Fall statutarisch festgesetzter Nebenleistungspflichten. Betroffen sind Vorerwerbsrechte in all ihren Spielarten, Abtretungspflichten (häufig als Alternative zur Einziehung sinnvoll), aber auch das Sachaufgeld, sofern als „echtes“ und damit als Nebenleistungspflicht ausgestaltet. Schieden sie aus dem Kreis der zulässigen Beurkundungsgegenstände im Rahmen des Videokommunikationsverfahrens aus, obgleich sie zu den „echten“, sogar zwingend-korporativen, wenngleich freiwilligen Bestandteilen des Gesellschaftsvertrags gehören, minderte dieser Ausschluss die Attraktivität des Videokommunikationsverfahrens beträchtlich.

Diese Frage bleibt weiterhin eine offene. Sie hat sich nicht erledigt durch den aktuellen Referentenentwurf des BMJV vom 22.3.2022, mittels dessen noch vor Inkrafttreten des DiRUG das Videokommunikationsverfahren in mannigfaltiger Weise sachlich erweitert und erheblich aufgewertet werden soll. Dieses Nachjustierungsgesetz („DiRUG-Erweiterungsgesetz“) noch vor Erprobung der bislang diskreten „Digitalisierung des GmbH-Rechts“ ist im Grundsatz zu begrüßen, würde doch das allzu enge Korsett des DiRUG den praktischen Anwendungsbereich der Bargründung mittels Videokommunikation minimieren und damit allenfalls einen „Testballon“, der noch dazu kaum flugfähig wäre, starten lassen. Soll ein echter „Wettbewerb der Beurkundungsverfahren“ eröffnet werden, dessen Sinnhaftigkeit vor einer Bewertung freilich einer grundsätzlicheren Untersuchung und überdies des „Praxistests“ bedürfte, sind die Nachbesserungen des Referentenentwurfs, die nahezu alle bislang aus Praktikersicht monierten Unstimmigkeiten beseitigen, jedenfalls zu begrüßen.

Die Frage der statutarischen Nebenleistungspflichten bleibt jedoch unbeantwortet. Allenfalls bei flüchtiger Lektüre des Referentenentwurfs könnte man meinen, die Begründung zu Art. 6 Nr. 1, wonach die Beurkundung mittels Videokommunikation dort unzulässig sein soll, wo die Notwendigkeit der Beurkundung einer Willenserklärung aus einer anderen Bestimmung als jener des § 2 Abs. 1 GmbHG (oder jener des § 2 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) resultiere, beantworte diese Frage im Einklang mit der abzulehnenden herrschenden Literaturmeinung. Denn der Geltungsanspruch des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG steht in Wahrheit nicht in Rede, sofern die hier interessierenden Typen von Nebenleistungspflichten als Inhalt des Mitgliedschaftsrechts festgelegt werden. Freilich können solche Nebenleistungspflichten auch als schuldrechtliche vereinbart und dann außerhalb oder innerhalb des Gesellschaftsvertrags (im letzteren Fall als dessen unechter Bestandteil) niedergelegt werden. Sofern sie aber als korporative ausgestaltet sind, findet allein das Formgebot aus § 2 Abs. 1 GmbHG Anwendung. In diesem Lichte ist auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 6 Nr. 2 zu präzisieren, wonach Kapitalerhöhungen mit Sachagio, sofern sie auf die „Einbringung“ von GmbH-Geschäftsanteilen gerichtet sind, unzulässig sein sollen: Diese Aussage trifft nur auf das „unechte“, schuldrechtliche Sachaufgeld zu, nicht auf jenes, das als Nebenleistungspflicht vereinbart wird. Der Erfüllungsakt ist demgegenüber unstreitig dem Videokommunikationsverfahren (derzeit und auch nach Umsetzung des DiRUG-Erweiterungsgesetzes) entzogen.

Dogmatisch gut begründbar und als vermittelnde Lösung auch im weiteren Gesetzgebungsprozess denkbar wäre freilich auch eine Differenzierung nach den folgenden Grundsätzen: Danach könnte unterschieden werden zwischen einer gewissermaßen „internen“ gesellschaftlichen Abtretungsverpflichtung auf der einen Seite, die z. B. anstelle einer Einziehung zwecks Ausschlusses des Gesellschafters eingreifen soll und auf die Abtretung eben jener Geschäftsanteile gerichtet ist, um deren dingliche Ausgestaltung es bei der Statuierung der Nebenleistungspflicht geht, und einer „externen“ gesellschaftlichen Abtretungsverpflichtung, wie sie im Fall einer korporativen Verpflichtung zur Abtretung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters an einer anderen Gesellschaft mbH begründet würde. Im letzteren Fall erschiene eine kumulative Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG neben jener des § 2 Abs. 1 GmbHG auch im Lichte der Schutzzwecke beider Formvorschriften naheliegender als im hier so genannten Fall der „internen“ gesellschaftlichen Abtretungsverpflichtung. Wollte man in diesem Sinne differenzieren, wären auf Grundlage des § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. „interne“ korporative Vorerwerbsrechte ebenso wie „interne“ Abtretungsverpflichtungen vom Anwendungsbereich des Videokommunikations-verfahren erfasst, nicht aber Sachaufgeldverpflichtungen, sofern sie eine Verpflichtung zur Abtretung „externer“ Geschäftsanteile (d.h. an einer Dritt-Gesellschaft mbH) begründeten.

Es wäre wünschenswert, wenn diese hier nur gestreiften Fragestellungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren einer Klärung zugeführt würden.

Bestellungsbeschluss kein grundbuchtauglicher Nachweis für (Nachtrags-)Liquidator

Ein nicht seltenes und im Fall des Auftretens mitunter nur mit einigem Aufwand zu behebendes Problem: Eine GmbH wird zunächst im Handelsregister gelöscht, sei es von Amts wegen aufgrund Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG), sei es auf Antrag nach vorangegangenem Abwicklungsverfahren (§ 74 Abs. 1 GmbHG). Nach Löschung stellt sich sodann aber heraus, dass diese zu Unrecht erfolgte, weil die GmbH in Wahrheit noch Vermögen hatte. Bei allem dogmatischen Streit über die Wirkung der Löschungseintragung steht damit für die ganz h.M. fest: Die GmbH ist nicht vollbeendet, sondern besteht fort, bis sie vollständig vermögenslos geworden ist. Bei vorangegangener amtswegiger Löschung wegen Vermögenslosigkeit muss sie erstmals ein Liquidationsstadium durchlaufen, bei „voreiliger“ Löschung nach bereits durchlaufenem Liquidationsstadium ist dieses fortzusetzen. Verfügt die gelöschte GmbH noch über (werthaltige oder formale) Grundbuchpositionen, die es zu verwerten oder jedenfalls zur Löschung zu bringen gilt, wirft dieser Sachverhalt viele im Detail streitige Fragen im Schnittfeld von Liquidations- und Grundbuchverfahrensrecht auf. Häufig sind in der Praxis die Fälle „vergessener“ formaler Grundbuchpositionen, die als wertlose Aktiva zwar nichts an der Vermögenslosigkeit der GmbH ändern (dazu Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 54), wohl aber fortbestehenden Abwicklungsbedarf implizieren und damit in die „gestutzte“ (Nachtrags-)Liquidation in entsprechender Anwendung des § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG münden. Seltener verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen. Über einen solchen Fall, in welchem die zu Unrecht von Amts wegen aufgrund vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH noch als Teileigentümerin im Grundbuch eingetragen war und der daher gerichtlich bestellte (Nachtrags-)Liquidator i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG das Teileigentum mit Grundschulden belasten wollte, hatte jüngst das Kammergericht (KG v. 11.5.2021 – 1 W 29/21) zu entscheiden.

Das Kammergericht erteilt der bisher weitgehend etablierten Praxis eine Absage, die Vertretungsberechtigung eines (Nachtrags-)Liquidators i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG und damit dessen Bewilligungsberechtigung im Grundbuchverfahren mittels Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses über seine gerichtliche Bestellung nachzuweisen. Dies jedenfalls dann, wenn zwischen Bestellungsbeschluss und Bewilligungserklärung bereits ein Kalenderjahr verstrichen ist. Denn es liege nicht gänzlich fern, dass zwischenzeitlich eine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grunde erfolgt sein könnte, welche für Dritte „unbemerkt“ geblieben ist, da es keine Pflicht zur Rückgabe des Bestellungsbeschlusses gebe. § 47 FamFG sichere nur den Bestand solcher Rechtsgeschäfte, die bis zu einer etwaigen Aufhebung des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses und damit rückwirkend entfallender Vertretungsbefugnis vorgenommen seien, nicht aber schütze die Bestimmung das Vertrauen auf einen Fortbestand einer entfallenen Vertretungsbefugnis. Daher bedürfe es (jedenfalls in solchen Fällen für grundbuchverfahrensrechtliche Zwecke) der deklaratorischen (Wieder-)Eintragung der gelöschten GmbH mitsamt Liquidator, um das Fortbestehen der GmbH i.L. sowie die Vertretungsberechtigung des Liquidators grundbuchtauglich über § 32 GBO nachzuweisen.

Praxistipp:

Der Praxis ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidung zu raten, beim Registergericht anzuregen, sich an dem (ohnehin dogmatisch allein überzeugenden) Grundsatz zu orientieren, jedenfalls bei noch vorhandenem Vermögen die gelöschte GmbH als aufgelöste unter bisheriger Registernummer im Verbund mit dem gerichtlich bestellen Liquidator in das Handelsregister kundmachend einzutragen. Die Eintragung erfolgt allerdings von Amts wegen (die entsprechende Eintragung kann daher nur angeregt werden), das Registergericht hat aber im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Abwicklungsaufgaben des Liquidators in Rechnung zu stellen – verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen, wird dieses regelmäßig dahingehend reduziert sein, eine (Wieder-)Eintragung vorzunehmen. Bei kürzeren Zeitabständen zwischen Bestellungsbeschluss und grundbuchverfahrensrechtlichen Bewilligungserklärung sollte allerdings ungeachtet dessen die Vorlage der Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses als grundbuchtaugliches Nachweismittel i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO betrachtet werden. Erst recht gilt dies, sofern es – wie häufiger der Fall – nur noch um die zeitnahe Löschung wertloser Grundbuchpositionen geht; in diesen Sonderfällen nicht-vermögensbezogenen Abwicklungsbedarf erscheint auch die (Wieder-)Eintragung übertrieben, ist hier die Stellung des Liquidators doch letztlich nur jener eines bloßen Pflegers i.S.d. § 1913 BGB vergleichbar. Wurde unter Verweis auf die Vermögenslosigkeit der GmbH in einem solchen Fall gar eine gerichtliche Liquidatorenbestellung abgelehnt, wird man auch eine Grundbuchberichtigung i.S.d. § 22 GBO unter Vorlage eines solchen Beschlusses für zulässig halten müssen. Zu alledem ausführlich bei Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 69 ff. sowie K. Schmidt/Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 66 GmbHG Rz. 58 f. und § 74 GmbHG Rz. 26 ff.

Eine ins Wanken geratene Praxis: Die vorzeitige Löschung einer GmbH mit erschöpftem Vermögen

Die beliebte Praxis der Löschung einer GmbH mit erschöpftem Vermögen ohne Wahrung des als lästig empfundenen Sperrjahrs ist zuletzt mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen gewesen, die sich teils gegen diese Praxis stemmten (für deren Zulässigkeit aber weiterhin OLG Hamm v. 2.9.2016 – 27 W 63/16, GmbHR 2017, 930; OLG Jena v. 15.9.2019 – 2 W 159/19, NotBZ 2019, 391 m. insoweit zust. Anm. Watoro). Eine höchstrichterliche Klärung der Zulässigkeit dieses abgekürzten Liquidationsverfahrens steht noch aus; die traditionelle Meinung hält den Weg der Abkürzung im Grundsatz bei erschöpftem Vermögen für gangbar, setzt sich aber bislang kaum mit den jüngeren obergerichtlichen Entwicklungen auseinander.

Ausgangspunkt: Fehlender Sinn weiteren Zuwartens

Der Ausgangspunkt ist klar (zum Nachfolgenden, auf dem die Ausführungen teilweise beruhen, Karsten Schmidt/Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 73 Rz. 10 ff.): Ist das Vermögen bereits vor Ablauf des Sperrjahrs erschöpft – weil von Anfang an keines vorhanden war oder das vorhandene durch Gläubigerbefriedigung (nicht durch Verteilung unter die Gesellschafter) aufgebraucht wurde –, entbehrt das Sperrjahr (bzw. dasjenige, was von ihm noch übriggeblieben ist) seines Sinns, jedenfalls seines hauptsächlichen (dazu Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 60 Rz. 59 sowie Karsten Schmidt/Scheller, § 65 Rz. 22). Die durch das Sperrjahr zeitlich umgrenzte Ausschüttungssperre läuft nämlich bei Eintritt der Vermögenslosigkeit ins Leere, wenn es unter die Gesellschafter nichts zu verteilen gibt. Dies erklärt das geschilderte, in der Praxis beliebte Vorgehen, von einem Liquidationsende bereits vor Ablauf des Sperrjahrs auszugehen und dieses Liquidationsende entsprechend zum Handelsregister anzumelden, vorausgesetzt, auch alle sonstigen Abwicklungsaufgaben wären zu diesem Zeitpunkt erledigt (vgl. zu sonstigen Abwicklungsaufgaben, insbesondere den in diesen Fällen regelmäßig noch nicht abgeschlossenen Steuerverfahren, Karsten Schmidt/Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 74 Rz. 6; zur „Anmeldeversicherung“ bei vorzeitiger Anmeldung des Liquidationsendes Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 60 Rz. 59).

Jüngere Rechtsprechungstendenz: (Formales) Beharren auf dem Sperrjahr

Sofern die (jüngere) Rechtsprechung (teils unter Zustimmung der Literatur, vgl. Heckschen, GWE 2020, 63 [70] sowie Vossius, NotBZ 2019, 141; Übersicht bei Freier, NZG 2020, 812) zuweilen eine vorzeitige Anmeldung verwehrt, liefert sie keine durchschlagenden Gründe für das Beharren auf dem Sperrjahr. So verweist OLG Celle v. 17.10.2018 – 9 W 80/18, GmbHR 2018, 1318 m. abl. Anm. Wachter allzu apodiktisch auf die Nichtexistenz eines die vorzeitige Anmeldung gestattenden geschriebenen (und daher allenfalls rechtsfortbildend entwickelten) Rechtssatzes. Gleichsinnig zeigt KG v. 23.7.2019 – 22 W 29/18, GmbHR 2020, 317 (relativierend sodann jedoch in der Gegenvorstellung KG v. 12.9.2019 – 22 W 29/18, ZIP 2020, 520) allein auf die Notwendigkeit, Gläubigern während des Sperrjahrs Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zu geben. Warum diese Gelegenheit fortbestehen sollte, wenn das Vermögen in der Liquidation ordnungsgemäß unter die Gläubiger verteilt wurde, bleibt indessen offen und lässt sich nicht erklären, wenn man den Zweck des Sperrjahrs allein in der ab Eintritt der Vermögenslosigkeit leerlaufenden Ausschüttungssperre sieht.

Stellungnahme

Das formale Beharren auf dem Sperrjahr könnte überzeugen, wenn die Ausschüttungssperre nur ein Element des durch das Sperrjahr bewirkten Gläubigerschutzes wäre, weil zugleich die unbekannten Gläubiger vor einem Erlöschen der GmbH während des Laufs des Sperrjahrs geschützt werden sollten. Sie hätten bei dieser Lesart ein Jahr Zeit, um sich mit ihren Ansprüchen bei der Gesellschaft zu melden, ohne eine vorherige Ausschüttung unter die Gesellschafter oder die Beendigung von Liquidation und Gesellschaft befürchten zu müssen. Wertungsmäßig spräche einiges für diese Sichtweise. Denn sollten die Ansprüche bestehen, würden die Gläubiger bei vorzeitiger Löschung in die Nachtragsliquidation mit all ihren misslichen Konsequenzen gedrängt, und müssten im Prozess das Vorhandensein verwertbaren Vermögens schlüssig vortragen. Demgegenüber könnten sie innerhalb des Sperrjahrs ihre Ansprüche gegen die jedenfalls mangels Registerlöschung auch im Fall der Vermögenslosigkeit fortbestehende GmbH i.L. geltend machen; die Frage der Durchsetzbarkeit und Verwertbarkeit etwaig vorhandenen Vermögens wäre insoweit eine vollstreckungsrechtlich zu beantwortende. Vor diesem Hintergrund ist die von der h.M. gewährte Möglichkeit der Verkürzung des Sperrjahrs bei erschöpftem Vermögen keinesfalls selbstverständlich.

Trotzdem ist an der Zulässigkeit der Abkürzung des Liquidationsverfahrens bei erschöpftem Vermögen festzuhalten. Der Schutz vor einem Erlöschen der Gesellschaft während des laufenden Sperrjahrs ist nämlich nur ein mittelbarer (vermittelt über die Ausschüttungssperre), kein von § 73 Abs. 1 GmbHG intendierter. Das ergibt sich bereits aus dessen Wortlaut, der sich nur auf diese Sperre bezieht („die Verteilung darf nicht vor […] Ablauf eines Jahres […] vorgenommen werden“), nicht aber statuiert, dass die Liquidation nicht vor Fristablauf beendet sein könne. Systematisch müsste eine solche Bestimmung ohnehin in § 74 GmbHG zu finden sein, der aber über die näheren Voraussetzungen der Liquidationsbeendigung schweigt, jedenfalls nicht das Sperrjahr erwähnt. Die Zulässigkeit einer vorzeitigen Anmeldung der Beendigung der Liquidation bei erschöpftem Vermögen verlangt daher auch keine teleologische Reduktion des § 73 Abs. 1 GmbHG (so aber noch Bochmann/Cziupka, EWiR 2018, 713 [714] sowie Freier, NotBZ 2019, 121 [122]); die Bestimmung läuft vielmehr mangels ausschüttbaren Vermögens insoweit ins Leere.

Im Regelfall werden die Voraussetzungen für eine vorzeitige Anmeldung der Beendigung der Liquidation allerdings nicht vorliegen, obwohl manche Praktikerstellungnahmen hier zuweilen Gegenteiliges suggerieren. Um schon vor Ablauf des Sperrjahres die Beendigung der Liquidation anmelden zu können, müsste nämlich das Vermögen der Gesellschaft zumindest nahezu bei Null liegen; liegt es mehr als nur geringfügig über Null, wäre die GmbH nicht vermögenslos, läge dagegen Überschuldung vor, bestünde eine Insolvenzantragspflicht. Meist wird es schon an der völligen Vermögenslosigkeit fehlen, weil noch geringfügiges Restvermögen vorhanden ist; sollte dieses während des Sperrjahres an die Gesellschafter ausgekehrt werden, bestünden Schadensersatzansprüche gegen die Liquidatoren und damit Vermögen.

Hinweis für die Praxis

Für die Praxis ist davon losgelöst in Rechnung zu stellen, dass bei tatsächlicher Vermögenslosigkeit auch während des laufenden Sperrjahres eine Löschung der Gesellschaft von Amts wegen (nach § 394 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG) möglich ist. Die Amtslöschung ist in ihren Voraussetzungen streng von der vorzeitigen Anmeldung der Beendigung der Liquidation zu unterscheiden, auch wenn beide auf Vollbeendigung der Gesellschaft zielen. Die Amtlöschung kann angeregt werden, vgl. § 24 Abs. 1 FamFG. Die Anregung ist bei substantiiertem Vortrag Anlass zur Aufnahme von Ermittlungen des Registergerichts, bei Misserfolg erwächst daraus aber kein Beschwerderecht (dazu Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 60 Rz. 59 und Karsten Schmidt/Scheller, § 74 Rz. 11).

 

Ausblick auf die Rechtsentwicklung

Zum abschließenden Ausblick auf die Rechtsentwicklung ist darauf hinzuweisen, dass die Justizministerinnen und Justizminister im Rahmen ihrer Herbstkonferenz am 7. November 2019 beschlossen haben, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzurichten, die eine mögliche Vereinfachung des Löschungsverfahrens in Registersachen prüfen soll. Diese Reformbestrebungen sollten allerdings nicht dazu genutzt werden, die mit guten Gründen hoch angesetzten Hürden für eine Abkürzung des Sperrjahres bei Vermögenslosigkeit herabzusetzen. Wünschenswert wäre es dagegen, auch dauerhaft inaktive, unerreichbare Gesellschaften, ungeachtet der Vermögenslosigkeit, aus dem Handelsregister löschen zu können (Scheller in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 60 Rz. 52).

Hinweis des Verlags:

Mit Erscheinen von Band I ist der Scholz 2018 in die 12. Auflage gestartet. Band III erscheint in diesen Tagen, Band II erscheint Anfang 2021. Schon jetzt bietet der Scholz seinen Fans aber ein ganz besonderes Plus: Bereits vor Erscheinen der Bände II und III können zahlreiche Kommentierungen online genutzt werden. Alle Kommentierungen wurden grundlegend überarbeitet und warten mit zahlreichen spannenden Neuerungen auf. Darunter auch die in diesem Blog vielfach zitierten topaktuellen Kommentierungen von Dr. Johannes Scheller zu § 60 und § 74 GmbHG. Das möchten wir mit Ihnen feiern und laden Sie ein, unsere Datenbank zum Aktionsmodul Gesellschaftsrecht kostenlos zu testen!

Einsetzung eines GmbH-Aufsichtsrats mithilfe von Öffnungsklauseln

Die Einsetzung eines Aufsichts- oder Beirats als Zusatzorgan einer GmbH bedarf notwendig einer Verankerung im Gesellschaftsvertrag. Einfache Beschlüsse oder schuldrechtliche Vereinbarungen genügen nicht, auch nicht für den Beirat, sofern ihm Organqualität zukommen soll (sog. organisationsrechtlicher Satzungsvorbehalt; vgl. dazu etwa Cziupka in Scholz, 12. Aufl. 2018, § 3 GmbHG Rz. 59).

Hinreichende Verankerung im Gesellschaftsvertrag kann aber bereits eine sog. Öffnungsklausel gewährleisten, die es den Gesellschaftern gestattet, zu gegebener Zeit durch Beschluss über das Ob und Wie des Zusatzorgans zu entscheiden. Die gesetzlichen Kautelen für Gesellschaftsvertragsänderungen (Beschlussfassung mit Dreiviertelmehrheit, notarielle Beurkundung sowie konstitutive Handelsregistereintragung nach Maßgabe der §§ 53, 54 GmbHG) sind für den Akt der Ausnutzung der Öffnungsklausel nicht zu beachten. Diese Wirkungs- und Reichweite statutarischer Öffnungsklauseln hat der BGH in seiner Entscheidung v. 2.7.2019 – II ZR 406/17 nun mit ausführlicher Begründung bestätigt und damit erhebliche Verunsicherung in der Praxis behoben, die eine anderslautende Entscheidung des Kammergerichts ausgelöst hatte (GmbHR 2018, 361, 365 f.: Beschluss in Ausnutzung der Öffnungsklausel müsse den Anforderungen an Gesellschaftsvertragsänderungen entsprechen, womit die Öffnungsklausel aber letztlich funktionslos bliebe; zutr. gegen die Entscheidung des Kammergerichts daher Otto, GmbHR 2016, 19; bei fehlerhaft eingesetzten Aufsichts- oder Beiräten hätte sich vor allem die Frage gestellt, wie zwischenzeitliche Beschlüsse dieser Zusatzorgane zu behandeln wären, dazu allg. Geißler, GmbHR 2019, 861; s. zur grundsätzlichen Unanwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ auf Aufsichtsratsbeschlüsse bei der AG: BGHZ 196, 195 = AG 2013, 387 m. Besprechungsaufsatz Cziupka, DNotZ 2013, 579).

Der Beschlussmehrheit darf indes keine Blankoermächtigung zur formlosen Einsetzung eines belieben, nicht näher konturierten Zusatzorgans erteilt werden. Die groben Züge des potentiellen Zusatzorgans müssen daher bereits im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck kommen, ebenso die maßgebenden Mehrheitserfordernisse für den Einsetzungsbeschluss – ansonsten führte der Einsetzungsbeschluss zu einem dauerhaft satzungswidrigen Zustand, sodass er nichtig, nicht nur anfechtbar wäre.

Die Stärkung der Bedeutung von Öffnungsklauseln durch den BGH schafft für die Praxis begrüßenswerte Flexibilität und ist auch dogmatisch überzeugend: Die Ausnutzung der Öffnungsklausel ist nicht selbst Gesellschaftsvertragsänderung, sondern bleibt ihrem Wesen nach einfacher Gesellschafterbeschluss. Damit wird die Satzungsautonomie nicht ausgehöhlt, vielmehr ihre Ausnutzung lediglich vorverlagert.

 

Reformierte Gesellschafterliste erstmals vor dem BGH

Die vielen teils kleinlichen Streitigkeiten über die richtige Interpretation der geldwäscherechtlich motivierten Aufwertung der Gesellschafterliste durch den neugefassten § 40 Abs. 1 GmbHG haben nun erstmals (und wohl nicht zum letzten Mal) sogar den BGH (Beschluss v. 26.06.2018 – II ZB 12/16) beschäftigt.

Befassen musste er sich indes nur mit dem zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschrift bzw. ihrer Anwendbarkeit auf Altfälle, d.h. vor dem Geltungsstichtag bereits eingetragene Gesellschaften; sedes materiae ist hier die extra neu eingefügte Übergangsvorschrift des § 8 EGGmbHG, die rein grammatikalisch durchaus Auslegungsspielraum belässt. Kommt es maßgeblich darauf an, ob die Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – also: das einreichungspflichtauslösende Ereignis – vor dem Stichtag initiiert oder (etwa bei einer aufschiebend bedingten Abtretung) nach dem Stichtag wirksam geworden ist? Oder ist ganz unabhängig von der Anknüpfung an die Veränderung die Erstellung, die Einreichung (d.h. der Zeitpunkt der elektronischen Absendung) oder gar erst die Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner entscheidend?

Richtigerweise ist unter Beachtung des Zwecks der Neufassung des § 40 Abs. 1 GmbHG, wie der BGH nun erfreulich klarstellt, der Zeitpunkt der Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner entscheidend – und nicht etwa jener der Erstellung der Gesellschafterliste oder des Wirksamwerdens der Veränderung (so schon Lieder/Cziupka, GmbHR 2018, 231 [235]). Wer meint, diese Frage sei bereits zeitlich überholt, wird vom BGH eines Besseren belehrt: Weil das Rechtsbeschwerdegericht auch ein nach dem Erlass einer angefochtenen Entscheidung in Kraft getretenes Gesetz zu berücksichtigen hat, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst, hatte der BGH die konkret in Rede stehende Gesellschafterliste an dem neugefassten § 40 Abs. 1 GmbHG zu messen. Mehr noch: Es werden all jene Gesellschafterlisten nachzubessern, d.h. an die Vorgaben des § 40 Abs. 1 GmbHG anzupassen sein, die – aus welchem Grunde auch immer – noch nicht in den Registerordner aufgenommen wurden, seien sie auch schon vor dem Stichtag eingereicht worden. Hat ein Notar an der Veränderung, die Einreichungsanlass war, mitgewirkt, wird dieser für diesen Nachbesserungsakt zuständig sein, anderenfalls der Geschäftsführer (dazu Lieder/Cziupka, GmbHR 2018, 231 ff.). Dasselbe wird für Gesellschafterlisten gelten, die zwar mit den neuen Anforderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG im Einklang stehen, sich aber nicht mit den Vorgaben der neuen Gesellschafterlistenverordnung (in Kraft getreten am 01.07.2018) vertragen, soweit diese zwingend ausgestaltet sind. Zu erwarten stehen mithin verstärkt Korrekturlisten!

Eines ist bei alledem aber klarzustellen: Die Frage, ob die Gesellschafterliste mit den neuen Vorgaben des GmbHG und der Gesellschafterlistenverordnung im Einklang steht, ist rein gesellschaftsrechtlich von Bedeutung, auch wenn die Aufwertung der Gesellschafterliste zwecks Transparenzsteigerung eine flankierende Maßnahme war, um dem Vorwurf der möglichen Unionsrechtswidrigkeit der bei Umsetzung der 4. EU-Geldwäscherichtlinie eingeführten sog. Verweisungslösung bzw. Mitteilungsfunktion des § 20 Abs. 2 Satz 1 GwG den Wind aus den Segeln zu nehmen. D.h.: Solange – bei wirtschaftlicher Berechtigung qua Überschreitung einer 25-prozentigen Beteiligungsschwelle (nicht bei sonstiger wirtschaftlicher Berechtigung!) – aus der Gesellschafterliste jene wenigen Informationen entnommen werden können, die das GwG zur Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten verlangt, sind gesonderte Mitteilungen an das Transparenzregister entbehrlich. Prozentzahlen gehören nicht zu diesen Angaben – eine gesonderte Mitteilung an www.transparenzregister.de ist wegen fehlender oder fehlerhafter Prozentangaben also nicht erforderlich (dazu schon Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2018, 1128 [1129 f.]). Hohe Bußgeldgefahr besteht dagegen bei Altlisten in Papierform (nur elektronische Dokumente sind verweisungsfähig, § 20 Abs. 2 Satz 1 GwG verlangt elektronisch abrufbare Dokumente) – hier werden schon gegenwärtig Bußgelder verhängt, zumal die Missachtung der Anforderungen des GwG in diesen Fällen überaus leicht festzustellen ist, ganz anders als bei verdeckten wirtschaftlichen Berechtigungen in Beteiligungsketten mit ausländischen Zwischengliedern (also in den eigentlich interessanten Fällen). Ob damit die Geldwäscher und Terrorismusfinanzierer, die das Transparenzregister eigentlich im Sinn hat, oder nicht vielmehr schlicht laxe Geschäftsführer sanktioniert werden, ist mehr als fraglich. Das zieht die rechtspolitische Überzeugungskraft der 4. EU-Geldwäscherichtlinie – die letztlich im geldwäscherechtlichen Gewand unionsweite Gesellschaftstransparenz herstellen will – insoweit abermals in Zweifel.

Anders herum kann übrigens die Gesellschafterliste nicht überobligatorisch aufgewertet werden, um die Mitteilungsfiktion zu ermöglichen: Wird etwa eine Mehrheitsbeteiligung treuhänderisch gehalten, dürften entsprechende Mitteilungspflichten an das Transparenzregister nicht dadurch erfüllt werden können, dass in der Gesellschafterliste vermerkt wird, für welchen Treugeber die Geschäftsanteile gehalten werden – denn auch wenn nunmehr die Gesellschafterlistenverordnung eine Veränderungsspalte ausdrücklich gestattet, ergeben sich aus einem Umkehrschluss, aber auch aus der Verodnungsbegründung Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit einer sog. Vermerk- oder Bemerkungsspalte (vgl. Cziupka, GmbHR 2018, R180 [R182]), die schon zuvor höchst umstritten war. Entsprechende Gesellschafterlisten mit derartigen Bemerkungen dürften vom Registergericht zurückgewiesen werden; schon daran wird dieser Versuch einer Umgehung einer Mitteilung ans Transparenzregister scheitern.

Homogenisierte Gesellschafterlisten

Das Inkrafttreten der Gesellschafterlistenverordnung naht!

[Anmerkung der Redaktion: Die Gesellschafterlistenverordnung wurde am 28.6.2018 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2018, S. 870) und ist am 1.7.2018 in Kraft getreten.]

Über das Bundeskanzleramt wurde diese Ministerverordnung des BMJV bereits Anfang April dem Bundesrat zugeleitet (https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2018/0101-0200/0105-18.html). Stimmt dieser zu (die Plenarsitzung am 8. Juni hat die GesL-VO auf der Tagesordnung), tritt die Verordnung bereits am ersten Tag des ersten Monats nach Verkündung in Kraft. Zeit also, sich mit den neuen Vorgaben vertraut zu machen. Denn: Jeder Anmeldung einer nach dem Geltungsstichtag erfolgten Neugründung einer GmbH – selbstverständlich ebenso seiner Light-Version, der UG (haftungsbeschränkt) – muss eine den neuen Anforderungen entsprechende Gesellschafterliste beigefügt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG). Einige früher mehr oder weniger gebräuchliche Gestaltungsvarianten sind nunmehr versperrt, andere, bislang zumindest durch die Rechtsprechung versperrte Gestaltungsvarianten werden ausdrücklich eröffnet.

Allerdings beugt der Verordnungsgeber einem allzu großen Andrang auf die Registergerichte vor, die die Gesellschafterliste zwar nur verwahren sollen, aber diese nach der Rechtsprechung zumindest in formeller Hinsicht zu überprüfen haben:

  • Am Geltungsstichtag bestehende Gesellschaften werden nach § 5 GesL-VO vorerst verschont, obligatorisch ist hier die Einreichung einer den neuen Vorgaben entsprechenden Gesellschafterliste erst dann, wenn eine Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 GmbHG eingetreten ist, mithin sowieso eine aktualisierte Gesellschafterliste zu erstellen und einzureichen wäre. Dann aber muss die Gesellschafterliste umfassend an die neuen Vorgaben angepasst werden – der Verordnungsgeber verordnet damit eine weitreichende Gesellschafterlisteninventur; Zweck: die Homogenisierung der Gesellschafterlisten und damit deren leichtere Erschließbarkeit für Dritte.
  • Ebenfalls bis zu einer Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verschont werden Gesellschaften, die sich am Geltungsstichtag noch in der Gründungsphase befinden, weil der Gesellschaftsvertrag zwar bereits notariell beurkundet, die Handelsregisteranmeldung aber noch nicht dem Handelsregister übermittelt wurde – etwa weil die darin enthaltene Versicherung über die bewirkten Einlageleistungen, § 8 Abs. 2 GmbHG, die in der Praxis schon im Termin der Beurkundung unterzeichnet, aber vom Notar noch zurückgehalten wird (dazu Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016 § 8 Rz. 9), noch nicht richtig ist, da ein Bankkonto der Vor-GmbH bislang nicht eröffnet wurde (übrigens der regelmäßig zeitintensivste Schritt der Gründungsphase, der etwa u.a. das nach wie vor bestehende Bedürfnis nach Vorratsgesellschaften erklärt – zu deren Behandlung Cziupka in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 3 Rz. 21 ff.). Hier erlässt es der Verordnungsgeber völlig zu Recht diesen errichteten, aber noch nicht gegründeten Gesellschaften, im Gründungsstadium die Gesellschafterliste an die zwischenzeitlich in Kraft getretene GesL-VO anpassen zu müssen und damit die Gründung zu verzögern. In der Übergangsvorschrift des § 5 GesL-VO, die von vor dem Geltungsstichtag „gegründeten“ statt von erst „errichteten“ Gesellschaften spricht,  kommt dies allerdings nicht klar zum Ausdruck, wohl aber in der Verordnungsbegründung. Da die terminologische Differenzierung zwischen „errichteten“ und „gegründeten“ Gesellschaften aber ein Produkt der Dogmatik, nicht des GmbHG (wohl aber das AktG ist) ist, kann die Verordnung trotzdem methodisch sauber so ausgelegt werden, wie sie hier auch offensichtlich verstanden werden möchte.
  • Verschont bis zu einer Veränderung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird – wie schon mit Blick auf die Pflicht zur Aufführung der Prozentangaben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und 3 GmbHG – zudem wiederum die im vereinfachten Verfahren mittels Musterprotokoll gegründete Gesellschaft. War diese Verschonung bzgl. des Erfordernisses der Prozentangaben noch umstritten (aber richtigerweise auch hier aufgrund der gesetzlichen Inkorporierung der Gesellschafterliste in das Musterprotokoll zu bejahen), ist die Angelegenheit nunmehr vollends klar: § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG (mit der Fiktion: Musterprotokoll gilt als Gesellschafterliste) ist gegenüber der GesL-VO höherrangiges Recht.

Vor einer nur vermeintlichen Verschonung ist aber zu warnen: Erfolgt bei einer bestehenden Gesellschaft eine Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG kurz vor dem Geltungsstichtag, wird die Gesellschafterliste aber erst nach dem Geltungsstichtag zum Handelsregister eingereicht, ist eine den neuen Vorgaben entsprechende Gesellschafterliste einzureichen. Der alternativ denkbare Ansatz, auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Veränderung (nach dem Stichtag) abzustellen (so für § 8 EGGmbHG Wachter, GmbHR 2017, 1177, 1193; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 40 Rz. 1.1, Online-Aktualisierung), vertrüge sich schlechter mit dem Wortlaut des § 5 GesL-VO.

Für den interessierten Leser der Gesellschafterliste ist eine Vereinheitlichung der Darstellungsweise ganz sicher von Vorteil, vermeidet sie doch letztlich Fehlinterpretationen und im besten Falle bereits (formell) fehlerhaft erstellte Listen. Die Praxis wird mit der zunehmenden Standardisierung – nach einer Eingewöhnungsphase – leben können, impliziert Standardisierung doch stets auch Effizienzgewinne. Wünschenswert wäre, dass damit auch die Häufigkeit der Streitbefangenheit der Gesellschafterliste mittelfristig abnimmt, gleichermaßen die Zahl registergerichtlicher Zwischenverfügungen. Die Gesellschafterliste birgt auch abseits formeller Gestaltungsfragen leider erhebliches Streitpotential, das sich zuletzt etwa immer wieder in Bezug auf die Konturierung der Rechtsschutzmöglichkeiten gezeigt hatte (s. nur Lieder, GmbHR 2016, 271 ff.). Die nun als Preis für die Homogenisierung zu zahlenden Einbußen bei der Gestaltungsfreiheit des Listenerstellers werden freilich von Fall zu Fall dem um klaren und leicht verständlichen Aufbau der Gesellschafterliste bemühten Listenersteller einiges Kopfzerbrechen bereiten; die Intensität derselben wird allerdings ganz entscheidend davon abhängen, wie die Registerpraxis auf die Möglichkeit der Erstellung einer sog. Bereinigungsliste mit hier erlaubter vollständiger Umnummerierung auch bereits „verbrauchter“ Zahlen umgeht – sie könnte ein entscheidendes Instrument zur Vereinfachung (und damit Verringerung der Fehleranfälligkeit) der Darstellung komplexer Beteiligungsstrukturen werden. Überhaupt wird die Registerpraxis gut beraten sein, die Überprüfung der Gesellschafterliste auf formelle Mängel nur äußerst behutsam vorzunehmen.

Zu dem Vorstehenden und Tipps, wie die formalen Gestaltungsanforderungen möglichst sicher in der Praxis umgesetzt werden können, siehe den Blickpunkt von Cziupka in GmbHR 2018, R180-R183.

S. weiter auch die zahlreichen Beiträge in der GmbHR zur neuen Gesellschafterliste und dem eng damit verbundenen Transparenzregister:

  • Cziupka, Johannes, Zehn praktische Hinweise zur neuen Gesellschafterlistenverordnung, GmbHR 2018, R180-R183
  • Lieder, Jan / Cziupka, Johannes, Berichtigung einer offenbar unrichtigen Gesellschafterliste im Anwendungsbereich des reformierten § 40 Abs. 1 GmbHG, GmbHR 2018, 231-240
  • Bochmann, Christian / Cziupka, Johannes,  Gesellschafterliste: Angabe der durch den Nennbetrag des Geschäftsanteils vermittelten prozentualen Beteiligung, Kommentar zu OLG Nürnberg Beschl. v. 23.11.2017 – 12 W 1866/17, GmbHR 2018, 86-90
  • Ulrich, Stephan, Die Gesellschafterliste im Fokus der mehr Transparenz vermittelnden Neuregelungsversuche, GmbHR 2017, R374-R375
  • WachterThomas, Neuregelungen bei der Gesellschafterliste, GmbHR 2017, 1177-1194
  • Seibert, Ulrich / Bochmann, Christian / Cziupka, Johannes, „Scharfschaltung“ des Transparenzregisters: Kein Grund zur Beunruhigung!, GmbHR 2017, 1128-1132
  • Melchior, Robin / Böhringer, Walter, Sportwettbetrug, Gesellschafterliste und Eintragungsbescheinigung. Drei (Groß-)Baustellen im Handelsregister, GmbHR 2017, 1074-1082
  • Ulrich, Stephan, Prozentuale Beteiligung an GmbHs noch nicht maschinenlesbar, GmbHR 2017, R309
  • Ulrich, Stephan,Waren Sie schon auf www.transparenzregister.de?, GmbHR 2017, R293
  • Seibert, Ulrich / Bochmann, Christian / Cziupka, Johannes, Musterprotokoll als Transparenzhindernis?, GmbHR 2017, R289-R290
  • Seibert, Ulrich / Bochmann, Christian / Cziupka, Johannes, Prozentangaben in der Gesellschafterliste: Praktische Handreichung und Plädoyer für (register-)gerichtliche Zurückhaltung, GmbHR 2017, R241-R242
  • Schaub, Peter, Überblick über die neue GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2017, 727-731
  • Ulrich, Stephan, Jetzt wird es ernst: Meldungen zum Transparenzregister erstmals zum 1.10.2017, GmbHR 2017, R229-R230
  • Ulrich, Stephan, Das Transparenzregister kommt wirklich, GmbHR 2017, R182
  • Ulrich, Stephan, Transparenzregister macht Gesellschafterliste maschinenlesbar!, GmbHR 2017, R101
  • Seibert, Ulrich, Die GmbH und das Transparenzregister, GmbHR 2017, R97-R98
  • Ulrich, Stephan, Noch mehr Transparenz, GmbHR 2017, R53

 

 

Notary Shopping – GmbH-Gründung in der Schweiz?

Forum Shopping ist längst Usus. Im Wettbewerb der Rechtsordnungen wird zuweilen auch Notary Shopping betrieben, meist zur Kostenreduktion (im Lichte des GNotKG je nach Stammkapitalhöhe übrigens oftmals eine Chimäre!). Den Bemühungen ist durchwachsener Erfolg zu attestieren, sie betrafen im Gesellschaftsrecht bislang vor allem den Bereich der Anteilsübertragung, weniger gesellschaftsrechtliche Verfassungs- bzw. Organisationsakte. Jüngst hat das KG in seiner Entscheidung vom 24.1.2018 (22 W 25/16, GmbHR 2018, 376 mit Anmerkung Wicke) entgegen der Vorinstanz als erstes deutsches Obergericht nun die Beurkundung der Gründung einer GmbH durch einen im Ausland zugelassenen Notar für formwahrend (§ 2 Abs. 1 GmbHG) erachtet – zwar genüge nicht die Wahrung der meist laxeren ausländischen Ortsform (Art. 11 Abs. 1 Hs. 2 EGBGB gelangt auf gesellschaftsrechtliche Organisationsakte nicht zur Anwendung), wohl aber sei das Erfordernis der notariellen Beurkundung in § 2 Abs. 1 GmbHG substituierbar, sofern die Beurkundung durch einen im Ausland zugelassenen Notar einer Gleichwertigkeitsprüfung standhalte.

Einen Notartourismus wird dieses Judikat aber kaum auslösen: Bei genauer Lektüre der Urteilsgründe zeigt sich, dass es sich um ein Einzelfalljudikat handelt, ganz ungeachtet dessen, dass selbstverständlich in der Schweiz sorgsam zwischen den Notaren der verschiedenen Kantone zu differenzieren ist. Es bezieht sich (nur) auf eine Beurkundung durch einen Notar mit Zulassung in Bern, der das dortige Verfahrensrecht freiwillig an das strengere deutsche Verfahren der Beurkundung von Willenserklärungen angepasst hatte. Ein solches freiwilliges Verfahrens-Upgrade, mit dem Schweizer Notare selbstverständlich gerne werben, kann entgegen der Ansicht des KG die erforderliche Gleichwertigkeit des ausländischen mit dem deutschen Beurkundungsverfahren jedoch nicht herstellen. Es kommt allein darauf an, was das zu beachtende Beurkundungsrecht selbst verlangt, mit allen bei einer Missachtung zu erwartenden Konsequenzen. Wer A sagt, muss auch B sagen: Wenn und weil es bei der Prüfung der persönlichen Gleichwertigkeit nicht auf die deutschen Rechtskenntnisse des ausländischen Notars, sondern auf jene des heimischen Rechts ankommen soll (Indikator hier: Bestehen der Berner Notarprüfung), kann bei der sachlichen Gleichwertigkeit auch nur auf die Vorgaben des ausländischen Rechts abgestellt werden.

Entscheidend gegen eine Substituierbarkeit spricht allerdings bereits prinzipiell, dass der Zweck des Beurkundungserfordernisses in § 2 Abs. 1 GmbHG auch in der „materiellen Richtigkeitsgewähr“ des Gründungsvorgangs liegt (für die Satzungsänderung BGHZ 105, 324, 338). Diese wird auch durch die detaillierten Rechtskenntnisse des Notars erreicht. Im Zusammenspiel mit dem Registergericht soll der Notar nämlich im Zeichen der Rechtssicherheit und der Wahrung von Verkehrsschutzinteressen sicherstellen, dass nur solche GmbHs den Eingang ins Handelsregister finden, die im Einklang mit dem GmbHG gegründet wurden; der Notar prüft dabei umfassend, das Registergericht nur beschränkt, § 9c Abs. 2 GmbHG. Diese Prüfung gelingt aber nur, sofern der beurkundende Notar über ausreichende Kenntnisse des jeweils anwendbaren Rechts verfügt, und zwar (um Rechtssicherheit wenigstens einigermaßen zu wahren) typisiert, nicht nur im konkreten Einzelfall. In diesem Sinne ist der Schweizer Notar seinem deutschen Kollegen nicht gleichwertig. Nun mag man ketzerisch einwenden, es bedürfe keiner außerordentlichen Rechtskenntnisse für eine korrekte GmbH-Gründung, dies sei ein einfacher Standardvorgang, erst recht im Falle der Verwendung des gesetzlichen Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a GmbHG). Ungeachtet dessen, dass jeder Praktiker um die Tücken der richtigen Verwendung des Musterprotokolls weiß, soll dieser Standpunkt für die Einpersonengründung gar nicht bestritten werden; schon bei Zweipersonengründungen (Patt-Situationen!) gilt dies aber nicht mehr, erst recht nicht bei größerem Gesellschafterkreis, der oftmals maßgeschneiderte Satzungen benötigt, die effektive Konfliktvermeidungsregelungen liefern (Cziupka, in: Scholz, 12. Aufl. 2018, § 3 Rz. 120). Und mehr noch: Konsequenterweise müsste auch bei anderen Verfassungsakten eine Substitution möglich sein; es dürfte aber kaum bestritten werden können, dass die Richtigkeitsgewähr bei komplexen Umwandlungsmaßnahmen oder Unternehmensverträgen tiefgehende Kenntnisse des deutschen Rechts verlangt.

Abstriche bei der Prüfungsqualität des Notars zu tolerieren, hieße, in volkswirtschaftlich sinnwidriger Weise Prüfungskosten auf die ohnehin häufig überlasteten Registergerichte zu übertragen. Dies erwiese sich als erheblicher Störfaktor im wohlgeordneten System der vorsorgenden Rechtspflege, das sich im Registerrecht durch eine Komplementarität von notarieller und registergerichtlicher Prüfung auszeichnet. Die Versagung einer Substitution ist kein Protektionismus, sondern Ausdruck eines erst genommenen Gläubigerschutzes. Und nicht nur das: Die Richtigkeitsgewähr korporativer Akte (Gründung, Satzungsänderungen, Umwandlungen) dient auch den Interessen künftiger Gesellschafter. In diesem Sinne mutet der häufige Einwand geradezu zynisch an, diese seien nicht schutzbedürftig, könnten sie sich doch über die Satzung vor ihrem Beitritt informieren.

Fazit: Eine gelingende Rechtsstandortpflege (Law Made in Germany) verlangt nicht nur ein gutes Rechtsprodukt (= das zu Recht vielgelobte GmbH-Recht); dies ist nur die halbe Miete. Es kommt bei auf Registervollzug ausgerichteten Rechtsakten auch auf die Bewahrung der Einbettung des Rechtsprodukts in ein effektives System vorsorgender Rechtspflege an. Wird dieses durchlöchert, verzerrt dies die Gesamteffizienz eines solchen Systems. Zum Ganzen Cziupka, EWiR 2018, 137.