Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um ein Thema, das in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Subsidiaritätsgrundsatz bei Geltendmachung von Gehörsverstößen
Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19

Ein Einzelfall aus dem Bereich des so genannten Dieselskandals findet ein abruptes Ende.

Der Kläger hatte geltend gemacht, sein Auto verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das OLG sah von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, weil der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, wie er zu dieser Einschätzung gelangt sei, und weil es an jeglichen Anhaltspunkten für eine Abgasmanipulation fehle. Die im Internet abrufbare Liste der von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts betroffenen Fahrzeuge führe keine Fahrzeuge des betreffenden Herstellers auf.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Der BGH bescheinigt dem OLG allerdings einen klaren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Einer Partei ist es grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Unbeachtlich ist eine Behauptung nur dann, wenn sie ohne jeglichen greifbaren Anhaltspunkt willkürlich ins Blaue hinein aufgestellt wird. Im Streitfall hat der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Behauptung vorgetragen, indem er auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart hingewiesen hat, das ergeben habe, dass die Motoren des in seinem Fahrzeug verbauten Typs eine unzulässige Thermosoftware enthielten. Ein Einschreiten des Kraftfahrtbundesamts ist bei dieser Ausgangslage nicht zwingend erforderlich.

Der BGH weist die Nichtzulassungsbeschwerde dennoch zurück, weil der Kläger es versäumt hat, den Gehörsverstoß bereits im Berufungsverfahren geltend zu machen. Er stützt diese Bewertung auf den Subsidiaritätsgrundsatz, demzufolge ein Beteiligter alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um die Korrektur einer geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern, und auf den damit in Einklang stehenden Rechtsgedanken des § 295 ZPO. Im Streitfall war für den Kläger aus dem gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilten Hinweis ersichtlich, dass das OLG seinen Vortrag für unbeachtlich hält. Deshalb hätte der Kläger das OLG innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beachtlichkeit eines Beweisangebots in solchen Fällen hinweisen müssen.

Praxistipp: Eine Partei, die sich nach einem gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilten Hinweis die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenhalten will, sollte ihre Angriffe gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts stets innerhalb der gewährten Frist zur Stellungnahme vorbringen.

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