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Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietvertrags über Wohnraum.

Das Zerrüttungsprinzip gilt nicht im Mietrecht
BGH, Urteil vom 29. November 2023 – VIII ZR 211/22

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit den Tatbestandvoraussetzungen von § 543 Abs. 1 BGB.

Die Beklagten sind seit 2011 Mieter einer im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung der Kläger. Die Kläger wohnen im Erdgeschoss desselben Hauses. Seit 2014 kam es zwischen den Parteien zu regelmäßigen Auseinandersetzungen wegen angeblicher Vertragsverletzungen, etwa Verstößen gegen die Haus- und Reinigungsordnung, Lärmbelästigungen, fehlerhaftem Befüllen und Abstellen von Mülltonnen sowie Zuparken von Einfahrten. Im Mai 2020 erstatteten die Beklagten eine Strafanzeige, in der sie unter anderem angaben, die Kläger hätten behauptet, die Beklagten hätten sich rassistisch über türkischstämmige Mitbürger geäußert. Wegen dieser Anzeige und wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses erklärten die Kläger die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen keinen Erfolg.

Die Revision der Kläger bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Die Strafanzeige stellt keinen hinreichenden Grund für die fristlose Kündigung dar, weil sie nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts inhaltlich zutrifft.

Die unstreitig vorliegende Zerrüttung des Mietverhältnisses reicht für eine fristlose Kündigung ebenfalls nicht aus. Ein wichtiger Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen ist im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn der Grund, auf den die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des anderen Vertragsteils liegt. Eine Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage kommt deshalb nur dann als zureichender Kündigungsgrund in Betracht, wenn sie zumindest auch durch ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Vertragsteils verursacht worden ist. Diese Voraussetzung ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht erfüllt.

Praxistipp: Damit eine fristlose Kündigung auf die Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag gestützt werden kann, ist gemäß § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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