Am 1.11.2016 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines 3. Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften zur Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie beschlossen. Wahrlich kein Kabinettstück was Berlin und Brüssel sich mit dieser Novelle leisten. Trotz der heftigen Kritik durch alle Verbände an dem Referentenentwurf ist weiterhin festzustellen, dass das Abstraktionsniveau des Regierungsentwurfes immer noch zu hoch ist. Viele Regelungen sind weder für Nichtjuristen, noch für Juristen klar und verständlich. Auch wenn das BGB grundsätzlich die Vertragstypen abstrahierend regelt, könnte der umzusetzende Text der Richtlinie mit Erklärungen und Beispielen anwenderfreundlicher gestaltet werden. Die Verständlichkeit des Textes würde auch durch eine sinnvolle Untergliederung der §§ 651a bis z BGB-E erhöht.
Wegen des vollharmonisierenden Ansatzes der Richtlinie ist der rechtliche Spielraum für Berlin gering. Nur sechs kleine Bereiche überlässt die Richtlinie dem Berliner Gesetzgeber, den dieser auch zu Recht nutzt. Dazu gehören die Ausnahmen für nichtgewerbliche Gelegenheitsreisen, Tagesreisen ohne Betragsbeschränkung, Geschäftsreisen ohne Rahmenvertrag mit einem Firmenreisebüro und die Anwendung der Pauschalreise auf Gastschulaufenthalte. Da die Richtlinie die Ausgestaltung des Insolvenzschutzes dem Mitgliedstaat überlässt, ist die Beibehaltung des in der Praxis bewährten Sicherungsscheins ebenfalls zu begrüßen. Beim Beratungsgespräch zur Buchung einer Reise laufen stationäre Reisebüros nicht Gefahr, in die Veranstalterhaftung zu geraten. Insoweit ist der Regierungsentwurf präziser als der Referentenentwurf. Ob sich der neue Begriff Pauschalreise praxisgerecht von dem neuen Reisetyp der verbundenen Reiseleistung besser abgrenzen lässt, habe ich Bedenken. Dazu ist die zwingende Vorgabe der Richtlinie zu schwammig.
Verwundert ist jeder Jurist, dass mit der geplanten Novelle Eckpfeiler deutschen Reiserechts abgebaut werden, auch wenn festzustellen ist, dass viele Regelungen des vorbildlichen deutschen Reiserechts übernommen wurden. So berechtigen Preiserhöhungen zum Rücktritt vom Vertrag erst ab 8 %, bisher ab 5 %. Bisher ist eine Erhöhung des Reisepreises durch AGB nicht möglich, wenn zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn weniger als 4 Monate. Unverständlich ist, dass diese 4-Monatsgrenze durch eine Richtlinie, die den Verbraucher schützen will, zum Opfer fällt, da die Richtlinie keine abweichende AGB mehr zulässt. Gerade diese Grenze hat bisher in Deutschland dazu geführt, dass Preiserhöhungen in der Praxis keine Rolle spielten. Das wird sich ändern, wenn nun bis 20 Tage vor Reisebeginn ein Preiserhöhungsverlangen über z.B. 7,5 % möglich ist. Auch der Wegfall der einmonatigen Ausschlussfrist zur Anmeldung von Gewährleistungsrechten ist zu beklagen, so dass künftig Reisende bis zu zwei Jahre nach dem Reisende Ansprüche geltend machen können. Ferner wird eine Verkürzung der zweijährigen Verjährungsfrist durch AGB nicht mehr möglich sein. Auch der Wegfall des Vertretenmüssens beim Schadensersatz widerspricht fundamental dem deutschen Schuldrecht, so dass sich der Reiseveranstalter nicht mehr wegen fehlender eigener Fahrlässigkeit nach §§ 276 II, 280 BGB entlasten kann. Der Veranstalter muss Schadensersatz leisten, selbst wenn er nachweist, dass weder ihn noch einen seiner Erfüllungsgehilfen und deren Leute bei der Information, sorgfältigen Reisevorbereitung und Reisedurchführung ein Verschulden an den aus seinem Gefahrenbereich stammenden schädigenden Umständen trifft. Letztlich keinen Dienst am Verbraucher erweist das Verbraucherschutzministerium, wenn es – im Gegensatz zum Referentenentwurf – die analoge Anwendung des Pauschalreiserechts auf veranstaltergleich angebotene Ferienunterkünfte fallen lässt und dem Druck der Branche nachgibt. Warum hat Berlin in Brüssel denn gerade um diese Verankerung der Analogie gekämpft? Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren diesen Vorschlag wieder in die Novelle aufnimmt, um die bisherige über 30-jährige Rechtsprechung des BGH durchzusetzen.