Anwaltsblog 21/2024: Verstoß gegen das berufsrechtliche Provisionsverbot bei der Vermittlung von Rechtsanwaltsmandaten durch Dritte auf einer Online-Plattform

Der BGH hatte zu entscheiden, nach welchen Kriterien eine unzulässige Vermittlung von Anwaltsverträgen im Internet von zulässigen Informations- und Werbeplattformen abzugrenzen ist (BGH, Urteil vom 18. April 2024 – IX ZR 89/23):

 

Die Klägerin betreibt ein Internetportal, über das sie Dienstleistungen für Betroffene anbietet, die einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid wegen eines Verkehrsrechtsverstoßes erhalten haben. Zur rechtlichen Überprüfung der erhobenen Vorwürfe und wegen der sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten arbeitete sie mit Partnerkanzleien zusammen, zu denen auch die Beklagte gehörte. Nachdem die Betroffenen bei der Klägerin die erforderlichen Unterlagen eingereicht hatten, einschließlich einer auf die jeweilige Kanzlei lautenden Vollmacht, schaltete die Klägerin diese ein. Die Partnerkanzleien übernahmen die rechtliche Betreuung der Betroffenen, aus der ihnen Vergütungsansprüche erwuchsen, die in vielen Fällen Rechtsschutzversicherer der Betroffenen deckten. Für ihre Leistungen stellte die Klägerin der Beklagten ausschließlich für Betroffene mit Rechtsschutzversicherung „Lizenzgebühren“ in Höhe von insgesamt 235.056,98 € in Rechnung. Sie ist der Ansicht, bei den geforderten Gebühren handele es sich nicht um ein Entgelt für die Vermittlung von Aufträgen iSd. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO. Entgolten werde vielmehr pauschaliert die Nutzung der von der Klägerin entwickelten digitalen Infrastruktur durch die Partnerkanzleien.

Landgericht wie Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die getroffene Vereinbarung verstoße gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO. Sie habe in der entgeltlichen Vermittlung von Mandaten bestanden, weil der jeweilige Fall erst an die Beklagte weitergeleitet worden sei, nachdem der Betroffene die Vollmacht eingereicht habe, und weil die Vergütung an das konkrete Mandat angeknüpft habe. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO sei die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 134 BGB (OLG Dresden, Urteil vom 6. April 2023 – 8 U 1883/22, MDR 2023, 1007).

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Nach dem Vortrag der Klägerin besteht die zwischen den Parteien getroffene Einigung offenkundig in der entgeltlichen Vermittlung konkreter Mandate. Darin liegt ein Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO. Nach § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO ist die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art unzulässig. Das daraus folgende Verbot richtet sich damit sowohl gegen den Rechtsanwalt, der einen Teil der Gebühren abgibt oder einen sonstigen Vorteil gewährt, als auch gegen den Rechtsanwalt oder Dritten, der den Teil der Gebühren oder den sonstigen Vorteil entgegennimmt. Der Begriff des sonstigen Vorteils ist vor dem Hintergrund des Verbotszwecks weit zu verstehen. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten. Die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen. Allerdings bedarf es eines besonderen Bezugs des Vorteils zum vermittelten Auftrag. Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen für ein konkret vermitteltes Mandat. Die Vermittlung muss ursächlich für die Vorteilsgewährung sein. Die Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte beschränkte sich nicht auf die Leistungen herkömmlicher Werbemedien, die von § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO nicht erfasst werden. Über ein Bereitstellen einer Plattform ging die Tätigkeit der Klägerin weit hinaus. Sie mündete zielgerichtet in der Vermittlung eines auf einen konkreten Verkehrsrechtsverstoß bezogenen Mandats. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände lag darin zugleich der Auftrag an die Beklagte zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB. Dem vom Berufungsgericht angenommenen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO steht nicht entgegen, dass der Betrieb des Internetportals auch weitere Tätigkeiten der Klägerin erforderlich gemacht haben mag und diese zum Teil auch der Beklagten zugutegekommen sein mögen. Entscheidend ist, für welche Tätigkeit die Beklagte vereinbarungsgemäß bezahlen sollte. Das war die Vermittlung konkreter Mandate. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO ist die Nichtigkeit der behaupteten Vereinbarung gemäß § 134 BGB. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO ist ein Verbotsgesetz im Sinne der Vorschrift.

Im Ergebnis mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der Klageanspruch auch nicht nur teilweise aus den §§ 812 ff BGB ergibt. Übersehen hat das Berufungsgericht allerdings, dass bereits die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB eingreift. Die Abwicklung nach Bereicherungsrecht soll nicht demjenigen, der eine gesetzwidrige Geschäftsbesorgung vornimmt, auf einem Umweg entgegen § 134 BGB doch eine Vergütung verschaffen. § 817 Satz 2 BGB beugt einer Umgehung der Nichtigkeitsanordnung des § 134 BGB vor. Es handelt sich um die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehene Rechtsfolge, die zudem geeignet ist, die Zielsetzung des Verbots des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO zu fördern.

 

Fazit: Vermittelt ein Dritter einem Rechtsanwalt den Auftrag eines Mandanten zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung und lässt er sich für die Leistung bezahlen, ist die dem zugrunde liegende Vereinbarung unwirksam.

OLG Düsseldorf zum notwendigen Hinweis auf Prozesskostenhilfe

Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 28.2.2023 – 24 U 335/20) hat einmal mehr betont, dass ein Rechtsanwalt dazu verpflichtet ist, den Mandanten auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe zu verweisen, wenn er über die entsprechenden finanziellen Verhältnisse des Mandanten in Kenntnis gesetzt wird.

Im konkreten Fall vor einem LAG war dem Rechtsanwalt bekannt geworden, dass der Mandantin die finanziellen Mittel ausgegangen waren und sie demgemäß für das Verfahren vor dem LAG sogar Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe gehabt hätte. Gleichwohl wurde das Mandat auf der Grundlage einer Stundenlohnvereinbarung durchgeführt. Die anschließende Honorarklage in nicht unerheblicher Höhe war im Wesentlichen erfolglos.

Der Rechtsanwalt schuldet dem Mandanten aus dem Mandatsvertrag eine umfassende Aufklärung über den gesamten Fall und muss alle Nachteile für den Mandanten verhindern. Das gilt auch im Hinblick auf die entstehenden Kosten. Dabei muss der Rechtsanwalt zur Not auch seine eigenen Vergütungsinteressen hinten anstellen. Erkennt er, dass der Mandant Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat, muss er den Mandanten darauf hinweisen. Unterlässt er dies, begründet dies einen Schadensersatzanspruch des Mandanten.

Zwar gibt es im Dienstvertragsrecht keine Kürzung der Vergütung oder Minderung wegen einer schlechten Dienstleistung. Demgemäß hat der Rechtsanwalt grundsätzlich Anspruch auf sein Honorar. Der Mandant kann jedoch dem Rechtsanwalt die Belastung mit dieser Verbindlichkeit im Wegen der Einrede nach § 242 BGB entgegenhalten. Wie man dies im Einzelnen dogmatisch begründet, kann offenbleiben, denn jedenfalls führt dieser Gesichtspunkt dazu, dass der Mandant das Honorar nicht bezahlen muss. Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte der Rechtsanwalt gegen den Mandanten nämlich gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keinen durchgreifenden Honoraranspruch gegen den Mandanten gehabt.

Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die vorstehenden Grundsätze auch für die Beratungshilfe gelten (OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2015 – 28 U 88/14).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Grenzen der Schutzwirkung eines Anwaltsmandats.

Schutzwirkung eines Rechtsberatungsvertrags
Urteil vom 9. Juli 2020 – IX ZR 289/19

Mit den Pflichten eines Rechtsanwalts befasst sich – anlässlich eines überaus tragischen Falls – der IX. Zivilsenat.

Die Mutter der im Jahr 1994 und 1997 geborenen Klägerinnen ist seit einem Verkehrsunfall im Jahr 2006 schwerstbehindert und dauerhaft pflegebedürftig. Die Klägerinnen erlitten bei dem Unfall nur leichte Verletzungen. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners bestätigte gegenüber der Mutter ihre volle Einstandspflicht dem Grunde nach. Im Dezember 2007 beauftragte die Mutter den beklagten Rechtsanwalt mit der Weiterverfolgung der unfallbedingten Schadensersatzansprüche. Ab 2013 begaben sich die Klägerinnen in psychotherapeutische Behandlung. Die Versicherung lehnte eine Erstattung der dafür anfallenden Kosten wegen Verjährung ab. Die Klägerinnen verlangen deshalb vom Beklagten Schadensersatz. Sie machen geltend, der Beklagte hätte im Rahmen des von ihrer Mutter erteilten Mandats auch auf die den Klägerinnen zustehenden Ansprüche hinweisen müssen. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerinnen hat ebenfalls keinen Erfolg. Ein Anwaltsvertrag kann zwar auch ohne ausdrückliche Regelungen Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten entfalten. Im Streitfall ist das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass es an der erforderlichen Leistungsnähe fehlte. Der Beklagte war nur mit der Geltendmachung von Ansprüchen der Mutter betraut. Zudem war damals nicht offenkundig, dass die bei dem Unfall nur leicht verletzten Klägerinnen Spätfolgen erleiden könnten, die Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung angezeigt erscheinen lassen.

Praxistipp: Auch wenn der BGH im konkreten Fall eine Haftung verneint hat, erscheint es in vergleichbaren Situationen ratsam, bei der Übernahme des Mandats nachzufragen, ob mögliche Ansprüche von Angehörigen, die ebenfalls durch den Unfall geschädigt worden sind, bereits in Betracht gezogen worden sind.