Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Laufzeit eines Mietvertrags über Flächen zum Betrieb von Windenergieanlagen

Ausschluss der ordentlichen Kündigung eines Mietvertrags
BGH, Urteil vom 12. März 2025 – XII ZR 76/24

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit der Abgrenzung zwischen befristeten und bedingten Mietverhältnissen und dem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung vor Beginn der festgelegten Laufzeit.

Der Beklagte ist Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks. Seine Rechtsvorgängerin schloss mit der Klägerin im Mai 2017 einen Vertrag über die Nutzung dieses Grundstücks für die Errichtung und den Betrieb von Windenenergieanlagen. Der Vertrag sieht in § 3 eine Laufzeit von zwanzig Jahren vor, die mit der Errichtung der letzten geplanten Anlage beginnen soll. Nach § 8 des Vertrags bleiben beide Seiten zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Nach § 9 des Vertrags können beide Seiten vom Vertrag zurücktreten, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Anlage nicht innerhalb von fünf Jahren nach Unterzeichnung des Vertrags erteilt wird.

Im Februar 2022 erklärte der Beklagte die Kündigung des Vertrags zum 31. Mai 2022. Die Klägerin trat der Kündigung entgegen und begehrt die Zustimmung zur Eintragung der ihr nach dem Vertrag zustehenden dinglichen Rechte im Grundbuch. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine ordentliche Kündigung des Vertrags in der Anfangsphase nicht deshalb ausgeschlossen war, weil eine feste Laufzeit vereinbart worden ist.

Der Beginn der vereinbarten Laufzeit von zwanzig Jahren ist nach dem Vertrag an eine Bedingung geknüpft. Hinsichtlich des maßgeblichen Ereignisses – der Inbetriebnahme des letzten geplanten Windrades – war aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags nicht nur ungewiss, zu welchem Zeitpunkt es eintreten würde, sondern auch, ob es überhaupt eintreten wird. Damit liegt eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB vor. Bis zum Eintritt dieser Bedingung ist der Vertrag bereits bindend. Er weist aber noch keine bestimmte Laufzeit auf. Folglich obliegt er mangels abweichender Vereinbarungen der ordentlichen Kündigung.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Parteien eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen haben. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus der Vereinbarung über das Rücktrittsrecht in § 9 des Vertrags, wohl aber aus dem Zusammenspiel zwischen dieser Abrede und der Vereinbarung über die außerordentliche Kündigung in § 8 des Vertrags. Diese Vereinbarungen liefen ins Leere, wenn daneben eine ordentliche Kündigung zulässig wäre.

Praxistipp: Wenn der Ausgang eines Rechtsstreits voraussichtlich von der Auslegung einer Vertragsbestimmung abhängt, sollte sich der Parteivortrag vorsorglich auch auf die Frage beziehen, ob es sich um eine individuelle Vereinbarung oder eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Der BGH darf die Auslegung von individuellen Vereinbarungen nur in beschränktem Umfang überprüfen. Allgemeine Geschäftsbedingungen darf er hingegen ohne Einschränkungen auslegen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer langfristigen Vertragsbindung in einem Mietvertrag über eine Flüchtlingsunterkunft.

Mietvertrag über Räume zur Unterbringung von Flüchtlingen
Urteil vom 23. Oktober 2019 – XII ZR 125/18

Mit einer Frage, die derzeit für viele Kommunen von Interesse sein könnte, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Kläger haben der beklagten Stadt Anfang 2016 ein Wohnhaus vermietet, in dem bis zu 14 Flüchtlinge Unterkunft finden sollten. Die monatliche Miete beträgt 2.645 Euro. Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist im Vertrag für fünf Jahre ausgeschlossen. Wegen Rückgangs der Flüchtlingszahlen kam es nicht zu einer Belegung der Unterkunft. Die Beklagte kündigte den Vertrag zum 30.4.2017. Die Kläger traten dem entgegen. Ihre Klage auf Zahlung der Miete für Mai bis Dezember 2017 hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem Berufungsgericht darin bei, dass die Parteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für die ersten fünf Jahre wirksam ausgeschlossen haben und die Kündigung der Beklagten deshalb unwirksam ist. Er lässt offen, ob es sich bei der maßgeblichen Vertragsbestimmung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. In AGB kann die Kündigung bei Wohnungsmietverträgen zwar für nicht mehr als vier Jahre ausgeschlossen werden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist aber kein Vertrag über Wohnraummiete, weil die Beklagte die Räume nicht zur Nutzung für eigene Wohnzwecke erhalten hat, sondern zur Überlassung an Dritte. Die Beklagte ist auch nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Ein Mieter hat grundsätzlich das Risiko zu tragen, dass er die mangelfreie Mietsache nicht wie vorgesehen nutzen kann.

Praxistipp:  Mietverträge über Räume, die der Vermieter Dritten zu Wohnzwecken überlassen will, sind grundsätzlich nicht als Wohnraummietverträge zu qualifizieren. Wenn die Überlassung im Wege der Untermiete erfolgt, greifen die Vorschriften zum Schutz des Wohnungsnutzers in der Regel aber auch gegenüber dem Hauptvermieter. Bei gewerblicher Weitervermietung folgt dies aus § 565 BGB, bei Überlassung durch eine öffentliche Stelle aus der seit 1.1.2019 geltenden Sonderregelung in § 578 Abs. 3 BGB.

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Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden beim Werkvertrag.

Schadensersatz nach Kündigung eines Reinigungsvertrags
Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19

Dass die vor der Schuldrechtsmodernisierung häufig umstrittene Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden auch nach neuem Recht relevant sein kann, belegt eine Entscheidung des VII. Zivilsenats.

Das klagende Land Berlin hatte mit der Beklagten einen Vertrag über Reinigungsleistungen mit einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren geschlossen. Nach rund fünf Monaten erklärte es die außerordentliche Kündigung des Vertrags wegen schwerwiegender und systematischer Reinigungsmängel. In der Folgezeit beauftragte es andere Unternehmen mit den betreffenden Leistungen. Nach Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Vertragslaufzeit – rund drei Jahre nach der Kündigung – klagte es die entstandenen Mehrkosten in Höhe von rund 160.000 Euro ein. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das Kammergericht zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die Klageansprüche nicht verjährt. § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB, der für Ansprüche auf Schadensersatz wegen eines Werkmangels eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsieht, ist nicht anwendbar. Zwar ist der zwischen den Parteien geschlossene Reinigungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren. Die geltend gemachten Mehraufwendungen beruhen aber nicht auf einem Mangel der von der Beklagten erbrachten Reinigungsleistungen, sondern darauf, dass die Beklagte die geschuldeten Leistungen im Zeitraum nach der Kündigung nicht mehr erbracht hat. Für diesbezügliche Schadensersatzansprüche gilt auch dann die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 und § 199 BGB, wenn die Kündigung auf Mängel der zuvor erbrachten Reinigungsleistungen gestützt war.

Praxistipp: Wenn auch nur entfernte Zweifel bestehen, ob § 634a oder § 195 BGB maßgeblich ist, sollte die Klage sicherheitshalber innerhalb der kürzeren Frist erhoben werden – sofern dies noch möglich ist.