Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Beauftragung von Rechtsanwälten und Sachverständigen durch eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern und um die nachträgliche Zustimmung zu entsprechenden Handlungen des Verwalters durch die Gemeinschaft.

Beauftragung von Rechtsanwälten und Sachverständigen durch einen WEG-Verwalter
BGH, Urteil vom 18. Juli 2025 – V ZR 76/24

Der V. Zivilsenat entscheidet einige bislang umstrittene Fragen.

Die Klägerin hat als Bauträgerin eine Wohnungseigentumsanlage errichtet. Sie ist weiterhin Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche gegen die Klägerin wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum drohte im Oktober 2021 abzulaufen. Die Verwalterin beauftragte deshalb im Frühjahr 2021 im Namen der Gemeinschaft drei Sachverständige mit der Begutachtung der Anlage. Ferner mandatierte sie eine Rechtsanwaltskanzlei Die Sachverständigen stellten Mängel fest, bezifferten den Beseitigungsaufwand mit rund 470.000 Euro und stellten Honorare in Höhe von insgesamt rund 50.000 Euro in Rechnung.

In einer Eigentümerversammlung im Juli 2021 genehmigte die Beklagte die Einschaltung und Vergütung der Sachverständigen und der Rechtsanwaltskanzlei. Ferner beschloss sie, die Kanzlei mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der festgestellten Mängel zu beauftragen, und ermächtigte die Verwalterin, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, deren Stundensätze 300 Euro je Anwaltsstunde und 150 Euro je Sekretariatsstunde nicht überschreitet.

Die von der Klägerin gegen diese Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage hatte vor dem AG keinen Erfolg. Das LG erklärte die Beschlüsse für ungültig.

Der BGH stellt das Urteil des AG wieder her.

Entgegen der Auffassung des LG war die Einholung von Vergleichsangeboten vor der Beschlussfassung über die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei oder der Sachverständigen nicht erforderlich.

Die Einholung von Alternativangeboten dient dem Zweck, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen. Angebote von Rechtsanwälten und Sachverständigen können diesen Zweck nicht in hinreichendem Maße erfüllen. Die Höhe eines angebotenen Stundenhonorars ist nicht aussagekräftig, weil nicht vorhersehbar ist, wie viele Stunden anfallen werden. Die Qualität der angebotenen Leistung ist ebenfalls nur schwer zu beurteilen.

Die Beauftragung der Anwaltskanzlei entspricht auch im Übrigen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Höhe der Stundensätze ist angesichts der Schwierigkeit der Rechtsmaterie und der Höhe des geltend zu machenden Anspruchs nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung des LG ist die Genehmigung der ohne Eigentümerbeschluss erfolgten Auftragserteilungen nicht schon dann unzulässig, wenn mögliche Ersatzansprüche gegen den Verwalter nicht auszuschließen sind. Vielmehr entspricht die Genehmigung einer Maßnahme jedenfalls dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Eigentümer diese Maßnahmen vor ihrer Durchführung hätten beschließen dürfen.

Im Streitfall ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen, dass die Beauftragung der Sachverständigen und der Rechtsanwaltskanzlei einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach. Die Eigentümer hätten diese Maßnahmen mithin im Vorhinein beschließen dürfen und waren deshalb befugt, sie im Nachhinein zu genehmigen.

Praxistipp: Nach der seit 01.12.2020 geltenden Rechtslage kann der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis grundsätzlich auch ohne vorherige Beschlussfassung wirksam vertreten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um einen eher ungewöhnlichen, aber nicht vollständig überraschenden Aspekt des so genannten Abgasskandals.

Befangenheit bei Beteiligung an einer Musterfeststellungsklage
Beschluss vom 10. Dezember 2019 – II ZB 14/19

Dass der so genannte Abgasskandal weite Kreise zieht, belegt eine Entscheidung des II. Zivilsenats.

Der Kläger wendet sich gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten, mit denen die damaligen Vorsitzenden des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie ein weiteres Aufsichtsratsmitglied für das Geschäftsjahr 2016 entlastet worden sind. Er macht geltend, Vorstand und Aufsichtsrat trügen die uneingeschränkte Verantwortung für Manipulationen der Abgassteuerung bestimmter Dieselmotoren in von der Beklagten hergestellten und veräußerten Fahrzeugen. Das LG wies die Anfechtungsklage ab. Die Vorsitzende des für die Berufung zuständigen OLG-Senats zeigte an, sie habe im Juli 2015 privat ein Auto aus einer betroffenen Baureihe gekauft und sich im Dezember 2018 als Anmelderin an einer gegen die Beklagten gerichteten Musterfeststellungsklage beteiligt. Die Beklagte lehnte die Vorsitzende als befangen ab. Das OLG erklärte das Ablehnungsgesuch als unbegründet.

Der BGH erklärt das Ablehnungsgesuch für begründet. Abweichend von der Vorinstanz ist eine Ablehnung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der vorliegende Rechtsstreit einen anderen Gegenstand betrifft als die Musterfeststellungsklage. Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 ZPO kann vielmehr auch dann bestehen, wenn ein Richter über einen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger stützt seine Angriffe gegen den angefochtenen Beschluss unter anderem darauf, dass den Käufern der betroffenen Modellreihen Ersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen. Über denselben Sachverhalt geht es in der Musterfeststellungsklage.

Praxistipp: Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs in der Berufungsinstanz kann nur dann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, wenn das Berufungsgericht diese zulässt. Unterbleibt eine Zulassung, kann die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gemäß § 557 Abs. 2 ZPO auch in einem späteren Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (BGH, B. v. 30.11.2006 – III ZR 93/06 Tz. 4 – MDR 2007, 599, 600).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um einen nicht alltäglichen Fall der Kostenerstattung.

Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme
Beschluss vom 23. Mai 2019 – V ZB 196/17

Mit der Reichweite des Anspruchs auf Kostenerstattung nach Klagerücknahme befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte mit einer gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage einen Beschluss der Eigentümerversammlung angegriffen. Vier Tage nach Zustellung der Klage an den Verwalter der Anlage bestellte sich ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger gegenüber dem Gericht bereits die Rücknahme der Klage erklärt. Dieser Schriftsatz wurde dem Verwalter erst einen Tag später zugestellt. Der Rechtspfleger beim AG setzte die von den Beklagten geltend gemachten Anwaltskosten antragsgemäß fest. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH stützt sich auf seine Rechtsprechung, wonach ein Rechtsmittelgegner die Kosten eines Anwalts erstattet verlangen kann, den er in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der bereits erfolgten Rücknahme des Rechtsmittels beauftragt hat. Für den Fall einer Klagerücknahme kann nichts anderes gelten. Im Streitfall war den Beklagten die Klagerücknahme nicht bekannt. Es waren auch keine Umstände ersichtlich, die auf eine entsprechende Erklärung des Klägers hindeuteten. Deshalb hat der Kläger die angefallenen Kosten zu erstatten.

Praxistipp: Um unnötige Kosten zu vermeiden, sollte der Anwalt des Klägers in solchen Situationen die Gegenseite auf möglichst schnellem Weg (Telefax, E-Mail, Telefon) direkt von der Klagerücknahme unterrichten.