Montagsblog: 2. Sonderausgabe

Diese Woche geht es erneut um ein Corona-Thema.

Video-Verhandlungen beim Bundesgerichtshof
§ 128a ZPO

Einen neuen Weg zur Aufrechterhaltung des Sitzungsbetriebs in Corona-Zeiten hat der X. Zivilsenat beschritten.

Wie bei vielen anderen Gerichten beginnt auch beim Bundesgerichtshof allmählich wieder der Sitzungsbetrieb. Die infolge des Abstandgebots reduzierte Aufnahmekapazität der Sitzungssäle stellt die Senate vor allem in Verfahren mit hoher Öffentlichkeitswirkung vor große Herausforderungen. In besonderer Weise betroffen sind zudem Senate mit Zuständigkeit für Spezialmaterien, in denen eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. In solchen Verfahren sind die Parteien häufig durch mehrere Prozessbevollmächtigte vertreten. In Patentnichtigkeitsverfahren, für die der X. Zivilsenat als Berufungsgericht zuständig ist, treten darüber hinaus häufig technische Beistände auf, die gemäß § 113 Satz 2 PatG ebenfalls teilnahmeberechtigt sind. Dieser Personenkreis muss nicht selten aus dem Ausland anreisen, was in Corona-Zeiten kaum möglich ist.

Um Terminsaufhebungen und eine daraus resultierende Verlängerung der Verfahrensdauer von kaum vorhersehbarem Ausmaß zu vermeiden, hat der X. Zivilsenat am 23. April 2020 erstmals von der in § 128a ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Bevollmächtigte und technische Beistände per Videoschaltung an der mündlichen Verhandlung zu beteiligen. Hierzu wurde kurzfristig die Möglichkeit geschaffen, Videokonferenzen mit dem System „Microsoft Teams“ durchzuführen. Die Klägerin und die Beklagte waren je durch einen Rechtsanwalt und einen Patentanwalt vor Ort vertreten. Weitere Patentanwälte, die technischen Beistände der Parteien sowie zwei Simultandolmetscher waren über die Videokonferenz zugeschaltet.

Die Teilnehmer haben sich mit dem Verlauf der Verhandlung zufrieden gezeigt. Dies hat den Senat darin bestärkt, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Er stellt es den Parteien frei, eine begrenzte Anzahl von Vertretern vor Ort auftreten zu lassen, sieht aufgrund der ersten Erfahrungen aber auch mit großer Zuversicht Verhandlungen entgegen, bei denen nur die Richter im Sitzungssaal präsent sind. Die erfolgreiche Premiere lässt auf jeden Fall hoffen, dass der Senat das Entstehen einer Bugwelle an aufgeschobenen Verhandlungsterminen auch dann vermeiden kann, wenn die jetzigen Einschränkungen noch lange Zeit bestehen bleiben sollten.

Praxistipp: Für die spontane Fernkommunikation zwischen Bevollmächtigen und Beiständen einer Partei während der Verhandlung bietet sich die Einrichtung eines separaten Kanals zum Austausch von Textnachrichten an, etwa über Smartphones, Tablets oder Notebooks.

Montagsblog: Sonderausgabe

Diese Woche geht es ausnahmsweise nicht um eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Das Covid-19-Moratorium
Art. 240 § 1 EGBGB (BGBl. 2020 I 569 [572 f.])

Mit dem seit 1.4.2020 geltenden Zahlungsmoratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmen befasst sich der Montagsblog in dieser Sonderausgabe.

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 sieht in Art. 240 § 1 EGBGB ein potentiell weitreichendes Leistungsverweigerungsrecht vor.

Nach der am 1.4.2020 in Kraft getretenen Regelung dürfen Verbraucher und Kleinstunternehmen Leistungen verweigern, wenn deren Erbringung infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus zurückzuführen sind, ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts bzw. der wirtschaftlichen Grundlagen des Betriebs nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht ist ausgeschlossen, wenn seine Ausübung für den Gläubiger seinerseits unzumutbar wäre.

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht nur in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse wie Pflichtversicherungen und Verträge über die Lieferung von Strom, Gas und Wasser sowie über Telekommunikationsdienste. Es ist zunächst bis 30.6.2020 befristet. Eine Verlängerung auf dem Verordnungswege ist möglich.

Ob und in welchem Umfang sich die Gerichte in den kommenden Wochen und Monaten mit dieser Vorschrift befassen müssen, bleibt abzuwarten. Sie wird aber auf lange Zeit von Bedeutung bleiben, weil das Leistungsverweigerungsrecht auch eventuelle Sekundärrechte wegen Verzug oder Nichterfüllung ausschließt.

Praxistipp: Das Leistungsverweigerungsrecht entfaltet seine Wirkung erst dann, wenn der Schuldner sich darauf beruft. Betroffene Personen und Unternehmen sollten den Gläubiger deshalb umgehend informieren und möglichst aussagekräftige Unterlagen beiliegen, aus denen sich die Ursächlichkeit zwischen der Covid-19-Pandemie und der fehlenden Leistungsfähigkeit ergibt. Entsprechendes gilt für einen Gläubiger, der sich auf den Ausschluss des Rechts wegen Unzumutbarkeit berufen will.