Montagsblog: Neues vom BGH

Mit der rechtlichen Qualifikation eines nicht alltäglichen Vertragstyps befasst sich der III. Zivilsenat

Laufzeit eines Fernüberwachungsvertrags
Urteil vom 15. März 2018 – III ZR 126/17

Der III. Zivilsenat hatte die Wirksamkeit einer AGB-Klausel zu beurteilen, die für einen Fernüberwachungsvertrag eine Laufzeit von sechs Jahren vorsah.

Die Beklagte schloss mit der Klägerin für zwei Geschäftsstandorte einen so genannten Fernüberwachungsvertrag. Zu den von der Klägerin zu erbringenden vertraglichen Leistungen gehörten Lieferung, Installation und Instandhaltung von Bewegungsmeldern, einer Alarmtaste und einem Bedienteil, die Bereithaltung einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle und die Benachrichtigung der Beklagten oder der zuständigen öffentlichen Stellen im Falle eines Alarms. Das monatliche Entgelt betrug rund 300 Euro inklusive Umsatzsteuer. Für die Laufzeit sah das Vertragsformular Ankreuzfelder für 24, 36, 48, 60 und 72 Monate vor; im Streitfall war das Feld für 72 Monate angekreuzt. Einen Tag nach Vertragsschluss kündigte die Beklagte die Vereinbarung. Die Klägerin verlangte das vertraglich vorgesehene Entgelt für die gesamte Laufzeit von sechs Jahren, rund 21.000 Euro. Das LG und das OLG sprachen ihr nur einen Teil des Entgelts für den ersten Monat zu, rund 70 Euro.

Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er den Vertrag als Dienstvertrag an. Die Klägerin hat sich zwar auch zur Gebrauchsüberlassung der vor Ort zu installierenden Geräte verpflichtet. Der Schwerpunkt der geschuldeten Leistung liegt aber auf der Überwachung der Geschäftsräume. Die – ungeachtet der mit den Ankreuzfeldern eingeräumten Wahlmöglichkeit – als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehende Vereinbarung über die Laufzeit ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Im unternehmerischen Verkehr gilt zwar nicht die in § 390 Nr. 9 Buchst. a BGB vorgesehene Höchstgrenze von zwei Jahren. Eine Laufzeit von sechs Jahren führt in der hier zu beurteilenden Konstellation aber zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden. Den von der Klägerin erhobene Einwand, nur bei dieser Vertragsdauer könne sie wirtschaftlich arbeiten, sieht der BGH mit den Vorinstanzen als nicht begründet an, weil die Klägerin ihre Kalkulation nicht offengelegt hat. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 621 Nr. 3 BGB) durfte die Beklagte den Vertrag bis zum 15. jedes Monats zum Ende des Kalendermonats kündigen.

Praxistipp: Für die Frage, welche Laufzeit noch als angemessen angesehen werden kann, ist auch von Bedeutung, ob der Verwender im Gegenzug für eine längerfristige Bindung einen günstigeren Preis einräumt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Beweislastumkehr für Schadensursachen im Verantwortungsbereich des Schuldners
Urteil vom 12. Januar 2017 – III ZR 4/16

Eine allgemeine Frage der Beweislastverteilung behandelt der III. Zivilsenat im Zusammenhang mit einem Pferdepensionsvertrag.

Die Klägerin hatte ein vierjähriges Pferd bei dem Reitstall des Beklagten in Vollberitt gegeben. Nach einigen Monaten erlitt das Tier eine schwere Verletzung, als es beim Freilauf unter Aufsicht einer Praktikantin mit dem Kopf gegen eine Stahlstütze stieß. Die auf Schadensersatz gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit dem OLG ist er allerdings der Ansicht, dass der Schwerpunkt des Vertrags nicht im Verwahrungsrecht, sondern im Dienstvertragsrecht liegt, weil die Ausbildung des Pferdes im Streitfall deutlich im Vordergrund stand. Deshalb obliegt es grundsätzlich der Klägerin, eine Pflichtverletzung des Beklagten zu beweisen. Im Streitfall tritt aber eine Beweislastumkehr ein, weil der Schaden im Gefahren- und Verantwortungsbereich des Beklagten entstanden ist und die ungewöhnlichen Umstände, unter denen es zu dem Schaden kam, auf einen Pflichtenverstoß hindeuten.

Praxistipp: Um die Beweislastumkehr zu erreichen, muss der Geschädigte darlegen und erforderlichenfalls beweisen, weshalb die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Schuldners hervorgegangen ist und weshalb ein ungewöhnlicher Kausalverlauf vorliegt.

Handlungsort bei unerlaubter Kapitalanlagevermittlung
Urteil vom 18. Oktober 2016 – VI ZR 618/15

Mit der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger nahm den in der Schweiz wohnhaften Beklagten als Alleinaktionär und Vorstand einer in Liechtenstein ansässigen Aktiengesellschaft wegen unerlaubter Erbringung von Finanzdienstleistungen in Anspruch. Die als Finanzdienstleister fungierende Aktiengesellschaft hatte in Deutschland kein Büro und keine festen Angestellten. Als Vermittler war ein in Deutschland ansässiger Versicherungsmakler aufgetreten. Der Vertragsschluss fand in der Schweiz statt. Das LG wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab. Das OLG sah die Klage als zulässig an und verwies die Sache in die erste Instanz zurück.

Der BGH stellt die erstinstanzliche Entscheidung wieder her. Mit dem OLG kommt er zu dem Ergebnis, dass kein inländischer Erfolgsort vorliegt, weil der Vertragsschluss in der Schweiz erfolgte und die Anlagesumme von einem Schweizer Konto des Klägers überwiesen wurde. Abweichend vom OLG verneint der BGH auch einen inländischen Handlungsort. Die Handlungen des in Deutschland aufgetretenen Vermittlers können dem Beklagten nicht zuständigkeitsbegründend zugerechnet werden. Wenn ein Schaden von mehreren Personen verursacht wurde, dürfen nach der Rechtsprechung des EuGH nur diejenigen Personen im Inland verklagt werden, die dort selbst tätig geworden sind.

Praxistipp: Ein die Zuständigkeit begründender Erfolgsort liegt schon dann vor, der Anlagebetrag von einem deutschen Konto überwiesen wird.