Montagsblog: Neues vom BGH

Löschung einer Limited im Register ihres Heimatstaats
Beschluss vom 22. November 2016 – II ZB 19/16
Beschluss vom 19. Januar 2017 – VII ZR 112/14

Mit den prozessualen Folgen der Löschung einer am Prozess beteiligten Limited Company im Register ihres Heimatstaats befassen sich der II. und der VII. Zivilsenat in zwei unterschiedlich gelagerten Fällen.

In dem vom II. Zivilsenat entschiedenen Fall war zu Lasten eines in Deutschland belegenen Grundstücks eine Buchgrundschuld zugunsten einer Limited mit Sitz auf den Bahamas eingetragen. Im dortigen Handelsregister war die Gesellschaft wegen nicht beglichener Registergebühren gelöscht worden. Die Eigentümer des Grundstücks beantragten die Anordnung einer Pflegschaft für die Gesellschaft gemäß § 1913 BGB, mit dem Ziel, dass der Pfleger die Löschung der nicht mehr valutierten Grundschuld beantragt. Das AG wies den Antrag zurück. Das LG verwarf die Beschwerde der Eigentümer als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Eigentümer zurück. Die Eigentümer sind durch den Beschluss des AG nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt und deshalb nicht gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, weil sie die Löschung der Grundschuld auf anderem Wege erreichen können. Wenn die Limited dem Recht der Bahamas unterliegt – was bei Gesellschaften außerhalb der EU einen effektiven Verwaltungssitz in diesem Staat voraussetzt – ist sie mit der Löschung im Handelsregister zwar erloschen. Für ihr in Deutschland belegenes Vermögen gilt sie aber als Restgesellschaft als fortbestehend, weil die Löschung auf einer staatlichen Zwangsmaßnahme beruht. Sie ist insoweit als deutsche Kapitalgesellschaft zu behandeln, für die entsprechend § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen ist. Falls die Limited ihren letzten Verwaltungssitz in Deutschland hatte, unterliegt sie insgesamt dem deutschen Recht und ist mangels Eintragung im deutschen Handelsregister als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen anzusehen. In dieser Rechtsform ist sie trotz der Löschung auf den Bahamas weiterhin voll existent.

In dem vom VII. Zivilsenat entschiedenen Fall hatte der Kläger eine nach englischem Recht gegründete Private Limited Company auf Zahlung von Architektenhonorar in Anspruch genommen. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß durch Versäumnisurteil. Nach Erlass und vor Zustellung dieses Urteils wurde die Beklagte im englischen Register gelöscht. Das Versäumnisurteil wurde dennoch zugestellt, und zwar – wie schon die Klageschrift – an einen Wirtschaftsprüfer in London, den die Beklagte mit der Entgegennahme ihrer Post beauftragt hatte. Drei Monate nach der Zustellung legte ein Anwalt im Namen der Beklagten Einspruch ein. Das LG verwarf diesen wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig. Während des Berufungsverfahrens wurde die Beklagte wieder in das englische Register eingetragen. Ihre Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Anders als die Vorinstanzen verneint er eine wirksame Zustellung des Versäumnisurteils. Im Zeitpunkt der Zustellung war die Beklagte aufgrund der Löschung im Register nach englischem Recht – das als Gründungsstatut für die in der EU ansässige Beklagte unabhängig von deren Verwaltungssitz maßgeblich ist – nicht mehr existent. Mangels Vermögens im Inland bestand auch keine Restgesellschaft, so dass die Beklagte ihre Rechtsfähigkeit insgesamt verloren hatte. Deshalb konnte das Versäumnisurteil nicht wirksam zugestellt werden. Allerdings wurde die Klage trotz des Verlusts der Rechtsfähigkeit und dem damit verbundenen Verlust der Prozessfähigkeit der Beklagten nicht unzulässig. Weil nach englischem Recht eine Wiedereintragung möglich ist, war der Rechtsstreit vielmehr entsprechend § 239 und § 241 ZPO unterbrochen, solange ein Antrag auf Wiedereintragung noch in Betracht kam. Gemäß § 249 ZPO konnte während der Unterbrechung aber keine wirksame Zustellung erfolgen. Deshalb begann die Einspruchsfrist nicht zu laufen.

Praxistipp: Eine Unterbrechung nach § 239, § 241 oder § 242 ZPO tritt gemäß § 246 ZPO nicht ein, wenn die betroffene Partei bei Eintritt des maßgeblichen Ereignisses durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Dieser kann aber die Aussetzung des Verfahrens beantragen.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Hemmung der Verjährung durch öffentliche Zustellung der Klage
Urteil vom 3. Mai 2016 – II ZR 311/14

Dass die öffentliche Zustellung einer Klage nicht immer ein geeignetes Mittel zur Hemmung der Verjährung darstellt, zeigt eine Entscheidung des II. Zivilsenats.

Der Beklagte war im Jahr 2006 durch Versäumnisurteil zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichtabführens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verurteilt worden. Klage und Urteil waren öffentlich zugestellt worden, nachdem eingeholte Auskünfte beim Einwohnermeldeamt, beim Bundeszentralregister und bei Creditreform ergeben hatten, dass der Beklagte mit unbekannter Anschrift nach Bosnien-Herzegowina verzogen war. Ende 2013 legte der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Das LG hielt den Einspruch für verfristet. Das OLG sah den Rechtsbehelf als zulässig an, weil bei Erlass des Versäumnisurteils entgegen § 339 Abs. 2 ZPO keine Einspruchsfrist bestimmt worden war. In der Sache erhielt es das Versäumnisurteil aufrecht, weil es den Klageanspruch als begründet und nicht verjährt ansah.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er hält die Feststellungen zum vorsätzlichen Handeln des Beklagten und zur Hemmung der Verjährung für unzureichend. Zu letzterem knüpft er an seine Rechtsprechung an, wonach eine öffentliche Zustellung keine Fristen in Lauf setzt, wenn die Voraussetzungen des § 185 ZPO nicht erfüllt sind und dies für das anordnende Gericht erkennbar ist. Hieraus leitet er ab, dass unter den genannten Voraussetzungen auch eine Hemmung der Verjährung nicht eintritt.

Die von der Klägerin angestellten Nachforschungen zur Ermittlung des neuen Aufenthaltsorts des Beklagten hält der BGH für nicht ausreichend. Die Klägerin hätte weitere mögliche Erkenntnisquellen nutzen müssen, etwa durch Nachfragen beim Insolvenzverwalter des früheren Arbeitgebers, beim früheren Vermieter, bei früheren Nachbarn und bei eventuellen Nachmietern. In der neu eröffneten Berufungsinstanz muss das OLG klären, ob der Aufenthaltsort des Beklagten auf diesem Wege zu ermitteln gewesen wäre.

Praxistipp: Bevor eine öffentliche Zustellung beantragt wird, sollte jede auch nur entfernt in Betracht kommende Informationsquelle genutzt werden, um den Aufenthaltsort des Beklagten in Erfahrung zu bringen.

Beschwer durch nicht vollstreckbare Verurteilung zur Vorlage  von Belegen
Beschluss vom 11. Mai 2016 – XII ZB 12/16

Mit der Frage, wie der Wert der Beschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft und zur Vorlage von Belegen zu berechnen ist, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens verurteilte das AG die Ehefrau dazu, Auskunft über ihr gesamtes Vermögen zu geben und „Bestätigungen vorzulegen, insbesondere Bescheinigungen der Banken und anderer Träger der geführten Vermögenswerte“. Das OLG verwarf das dagegen eingelegte Rechtsmittel wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts als unzulässig. Den Aufwand für die die Zusammenstellung der Auskünfte schätzte es auf 435 Euro. Ein Geheimhaltungsinteresse, das werterhöhend zu berücksichtigen wäre, sah es als nicht gegeben an. Der Verurteilung zur Vorlage von Belegen maß es keine zusätzliche Beschwer bei, weil der Titel insoweit mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung führt auch die Verurteilung zur Vorlage von Belegen zu einer Beschwer. Insoweit ist zwar mangels hinreichender Bestimmtheit des Titels eine Vollstreckung nicht zulässig. Die Ehefrau ist aber der Gefahr ausgesetzt, dass sie sich gegen Vollstreckungsversuche des Ehemanns zur Wehr setzen und hierzu einen Anwalt beauftragen muss. Je nach Gegenstandswert kann dies dazu führen, dass der Gesamtwert der Beschwer die maßgebliche Grenze von 600 Euro übersteigt. Das OLG muss deshalb klären, wie hoch der Gegenstandswert und die sich daraus ergebende Anwaltsvergütung ist.

Praxistipp: Wenn unklar ist, ob eine Verurteilung hinreichend bestimmt ist, sollte bei der Darlegung des Beschwerdewerts vorsorglich aufgezeigt werden, welche Kosten für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen entstehen.