Diese Woche geht es um das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung für die Ausschlagung einer Erbschaft.
Kein Genehmigungserfordernis für lenkende Ausschlagung
BGH, Beschluss vom 4. September 2024 – IV ZB 37/23
Der IV. Zivilsenat befasst sich mit § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Die Beteiligten sind der Witwer, die beiden Kinder und der Enkel einer im Jahr 2022 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte im Rahmen einer gegenseitigen Erbeinsetzung durch Erbvertrag ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt. Als Ersatzerben sind im Vertrag die beiden Kinder vorgesehen, ersatzweise deren Abkömmlinge.
Der Witwer und die beiden Kinder streben aus steuerlichen Gründen an, anstelle der vertraglich bestimmten Erbfolge die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. Deshalb haben sie die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbenstellung ausgeschlagen. Der Sohn und dessen Ehefrau haben dieselbe Erklärung auch im Namen ihres Kindes abgegeben.
Den daraufhin gestellten Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das den Witwer und die beiden Kinder als gesetzliche Erben zu ½ bzw. zu jeweils ¼ ausweist, wies das AG zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
Der BGH weist das AG an, das Europäische Nachlasszeugnis wie beantragt zu erteilen.
Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass der Witwer und die beiden Kinder ihre Stellung als vertraglicher Erbe wirksam ausgeschlagen haben.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist auch die im Namen des Enkels erklärte Ausschlagung wirksam.
Nach § 1643 Abs. 1 und § 1851 Nr. 1 BGB können Eltern im Namen ihres minderjährigen Kindes eine Erbschaft nur mit Genehmigung des Familiengerichts ausschlagen. Nach§ 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB ist eine Genehmigung entbehrlich, wenn die Erbschaft erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils eintritt, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt.
Wie auch die Vorinstanzen nicht verkannt haben, ist der Tatbestand dieser Ausnahmevorschrift im Streitfall dem Wortlaut nach erfüllt. Entgegen einer in Literatur und Instanzrechtsprechung verbreiteten Auffassung ist eine so genannte lenkende Ausschlagung – d.h. eine Ausschlagung, die zur Folge hat, dass der die Erklärung im Namen des Kindes abgebende Elternteil gesetzlicher Erbe wird – von diesem Tatbestand nicht aus anderen Gründen ausgenommen. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke.
Nach § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB bleibt eine Genehmigung erforderlich, wenn ein ausschlagender Elternteil und das von ihm vertretene Kind Miterben sind. In dieser Konstellation besteht nach Einschätzung des Gesetzgebers ein Interessenkonflikt, weil es um eine Rechtsstellung geht, die das Kind unabhängig von der Entscheidung des Elternteils innehat. Ein vergleichbarer Interessenskonflikt droht nicht, wenn das Kind nur deshalb zum Erben berufen ist, weil ein Elternteil die Erbschaft ausgeschlagen hat. Wenn in diesem Fall der im Namen des Kindes ausschlagende Elternteil gesetzlicher Erbe wird, kann zwar ebenfalls ein Interessenkonflikt drohen. Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst dafür entschieden, diese Konstellation dennoch vom Genehmigungserfordernis auszunehmen.
Praxistipp: Die Ausschlagung einer Erbschaft muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von Anfall und Grund erfolgen, und zwar gemäß §1945 BGB durch öffentlich beglaubigte oder zu Protokoll abgegebene Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.