Montagsblog: Neues vom BGH

Um einen speziellen Fall der Berufshaftung geht es in dieser Woche.

Hinweispflicht des Steuerberaters bei eigenem wirtschaftlichem Interesse
Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16

Mit grundlegenden Fragen zur Haftung eines Steuerberaters befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die beiden beklagten Steuerberater hatten dem Kläger empfohlen, zur Steueroptimierung geschlossene Fonds zu zeichnen, und sich hierfür an eine Vermittlergesellschaft zu wenden. An dieser Gesellschaft waren die Beklagten mittelbar zu je einem Viertel beteiligt. Der Kläger zeichnete mehrere Schiffsfonds. Später nahm er die Beklagten wegen unzureichender Beratung auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagten überwiegend antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb zum größeren Teil ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision der Beklagten an das OLG zurück. Mit dem OLG ist der BGH allerdings der Auffassung, dass die Beklagten die ihnen als Steuerberater obliegenden Beratungspflichten verletzt haben. Ein Steuerberater ist zwar grundsätzlich auch dann nicht zur Beratung über nicht-steuerliche Aspekte verpflichtet, wenn er seinen Mandanten zum Zwecke einer steueroptimierenden Kapitalanlage an Dritte verweist. Er muss den Mandanten aber gegebenenfalls darüber informieren, dass für ihn mit der empfohlenen Kapitalanlage wirtschaftliche Vorteile verbunden sind. Anders als das OLG sieht der BGH die Beweislast dafür, dass die Kapitalanlage bei Erteilung des gebotenen Hinweises nicht erfolgt wäre, jedoch beim Kläger. Anders als in klassischen Fällen der Kapitalanlage verneint der BGH eine Umkehr der Beweislast, weil es  ungeachtet der besonderen Fallkonstellation um die Haftung eines Steuerberaters geht. Einen Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers lehnt der BGH ebenfalls ab, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahegelegen hätte.

Praxistipp: Ist der Schaden durch mehrere, in unterschiedlichen Jahren getroffene Investitionsentscheidungen verursacht, so läuft dennoch eine einheitliche Verjährungsfrist, wenn alle Investitionen allein auf der ursprünglichen Beratung beruhen. Anders ist es, wenn der Steuerberater jedes Jahr aufs Neue den gleichen Rat erteilt hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nach zweitinstanzlicher Klageerweiterung
Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 84/15

Eine seit längerer Zeit umstrittene Frage beantwortet der III. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. In zweiter Instanz erweiterte der Kläger sein Begehren um einen weiteren Schadensersatzbetrag. Das Berufungsgericht wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurück, dass auch die in zweiter Instanz erweiterte Klage abgewiesen werde.

Der BGH verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Er stellt klar, dass das Berufungsgericht durch die in zweiter Instanz erfolgte Klageerweiterung nicht gehindert war, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Eine solche Entscheidung darf aber nur hinsichtlich des erstinstanzlichen Streitgegenstands ergehen. Die zweitinstanzliche Klageerweiterung des Berufungsklägers wird mit dem Zurückweisungsbeschluss entsprechend der (für eine Anschlussberufung geltenden) Regelung in § 524 Abs. 4 ZPO unwirksam. Soweit das Berufungsgericht über den erstmals in zweiter Instanz geltend gemachten Teil des Anspruchs entschieden hat, unterliegt sein Beschluss folglich schon deshalb der Aufhebung.

Praxistipp: Mit der Entscheidung steht fest, dass die (auch im Streitfall vom Kläger verfolgte) Taktik, einen drohenden Zurückweisungsbeschluss durch Klageerweiterung abzuwenden, nicht erfolgversprechend ist.

Formunwirksamer Heil- und Kostenplan
Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 286/15

Mit der Vergütungspflicht für medizinisch nicht notwendige Arztleistungen befasst sich ebenfalls der III. Zivilsenat.

Die klagende Zahnärztin hatte für die Beklagte einen Heil- und Kostenplan für Keramikverblendungen erstellt, der einen Eigenanteil von knapp 7.000 Euro auswies. Die Beklagte gab den Plan mit einem von ihrer Krankenversicherung erteilten Genehmigungsvermerk an die Klägerin zurück und ließ die Behandlung durchführen. Den ihr nach Abschluss in Rechnung gestellten Eigenanteil von knapp 4.000 Euro bezahlte sie trotz Mahnung nicht. Im Zahlungsprozess machte sie unter anderem geltend, der Heil- und Kostenplan sei unwirksam, weil er von keiner der Parteien unterschrieben sei. Das AG verurteilte die Beklagte antragsgemäß; das LG wies die Klage wegen des Formmangels ab.

Der BGH stellt die erstinstanzliche Entscheidung wieder her. Er sieht die Bestimmung in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte, wonach medizinisch nicht notwendige Leistungen nur dann berechnet werden dürfen, wenn sie in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden, als gesetzliches Formerfordernis im Sinne von § 126 BGB an. Aus dem Zweck der Vorschrift leitet er ferner ab, dass bei Nichteinhaltung der Form nicht nur ein Vergütungsanspruch des Zahnarztes ausgeschlossen ist, sondern auch ein Anspruch auf Wertersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag. Dennoch sieht er das Klagebegehren als begründet an, weil die erstmals im Prozess erfolgte Berufung auf den Formmangel eine besonders schwere Treueverletzung darstellt.

Praxistipp: Um Auseinandersetzungen über die Anwendbarkeit von § 242 BGB zu vermeiden, liegt es wohl im Interesse beider Seiten, vor Beginn der Verhandlung besonders sorgfältig auf die Einhaltung der Schriftform zu achten.

Vermutung beratungsgerechten Verhaltens
Urteil vom 15. Juli 2016 – V ZR 168/15

Der V. Zivilsenat gleicht seine Rechtsprechung zur Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers in Kapitalanlagesachen an neuere Entscheidungen der anderen mit dieser Materie befassten Senate an.

Der Kläger hatte von der Beklagten eine Eigentumswohnung als Kapitalanlage erworben. Den Kaufpreis finanzierte er in voller Höhe durch einen Bausparvertrag. Später verlangte er Rückabwicklung des Vertrags mit der Begründung, das mit dem Vertrieb betraute Vermittlungsunternehmen habe ihn unzutreffend über die zu erwartende monatliche Belastung informiert. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit diesem ist er der Auffassung, dass nicht völlig zweifelsfrei ist, ob der Kläger bei zutreffender Beratung vom Kauf Abstand genommen hätte. Eine zutreffende Beratung hätte dahin gehen müssen, dass dem Kläger nicht der in Aussicht gestellte monatliche Überschuss von 50 Euro, sondern eine monatliche Belastung von rund 225 Euro verbleibt. Diesen Betrag hätte der Kläger aufbringen können und der Erwerb konnte sich auch unter diesen Umständen als wirtschaftlich sinnvoll darstellen. Dennoch kommt der V. Zivilsenat abweichend vom OLG (und abweichend von seiner früheren Rechtsprechung) zu dem Ergebnis, dass die Ursächlichkeit des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss nicht verneint werden kann. In Angleichung an die neuere Rechtsprechung der anderen mit Kapitalanlagefällen befassten Senate bejaht er eine Kausalitätsvermutung nunmehr auch für solche Fälle, in denen der Kunde bei ordnungsgemäßer Beratung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, weil es mehrere sinnvolle Entscheidungsmöglichkeiten gegeben hätte.

Praxistipp: Für andere Konstellationen, insbesondere für die Haftung von Rechtsanwälten und Steuerberatern, hält der BGH bislang weiterhin an seiner früheren Rechtsprechung fest.