Montagsblog: Neues vom BGH

Reichweite einer Kostenvereinbarung in einem Prozessvergleich
Beschluss vom 14. Februar 2017  – VI ZB 24/16

Dass eine Vereinbarung über „die Kosten des Rechtsstreits“ unter Umständen nicht für alle erstattungsfähigen Kosten gilt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerinnen hatten die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen Das LG hatte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen hatten sich die Beklagten erfolglos mit Berufung und Revision zur Wehr gesetzt. Im Betragsverfahren schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem die Klägerinnen ein Viertel und die Beklagten drei Viertel der „Kosten des Rechtsstreits“ übernahmen. Das LG setzte die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz dennoch in voller Höhe gegen die Beklagten fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die Kostenvereinbarung der Parteien die im Berufungs- und Revisionsrechtzug entstandenen Kosten nicht erfasst, weil diese Kosten schon vor Abschluss des Vergleichs gemäß § 97 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang den Beklagten auferlegt worden und diese Entscheidungen rechtskräftig waren. Er stützt dies auf den Rechtsgedanken des § 97 Abs. 1 ZPO, auf den Umstand, dass die Auslegungsregel in § 98 Satz 2 ZPO, wonach im Falle eines Vergleichs im Zweifel von einer Kostenaufhebung auszugehen ist, nicht für Kosten gilt, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde, und auf den Grundsatz, wonach der Wille, auf einen bereits entstandenen Anspruch zu verzichten, unmissverständlich zum Ausdruck kommen muss.

Praxistipp: Um Zweifel über eine Einbeziehung der Kosten aus abgeschlossenen Rechtsmittelverfahren auszuschließen, müssen diese  in der Kostenvereinbarung ausdrücklich erwähnt werden.

Reichweite einer Kostengrundentscheidung
Beschluss vom 7. Februar 2017  – VI ZB 43/16

In einem kurze Zeit zuvor ergangenen Beschluss befasst sich der VI. Zivilsenat mit der Frage, in welchem Umfang eine Anwaltsgebühr, die durch eine auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung entstanden ist, im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigungsfähig ist.

Das LG hatte gegen den Antragsgegner im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen und ihm 91% der Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Nach Zustellung des Beschlusses führten die Verfahrensbevollmächtigten der Parteien zwei Telefongespräche, in deren Gefolge der Antragsgegner eine Abschlusserklärung abgab. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die Antragstellerin unter anderem eine Terminsgebühr für die telefonischen Besprechungen geltend. Das LG setzte die Kosten antragsgemäß fest. Das OLG reduzierte die festgesetzten Kosten um die anteilige Terminsgebühr.

Der BGH weist Rechtsbeschwerde zurück. Mit dem OLG sieht er die Terminsgebühr als nicht von der Kostengrundentscheidung gedeckt an. Dabei lässt er offen, ob die Telefongespräche nur auf die Vermeidung eines Hauptsacheverfahren oder – zumindest auch – auf eine Erledigung des Verfügungsverfahrens gerichtet waren. Der Einbeziehung steht jedenfalls entgegen, dass eine Kostengrundentscheidung nur solche Kosten erfasst, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits entstanden sind. Daran fehlt es im Streitfall, weil die Telefongespräche erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung geführt wurden und danach keine weitere Kostengrundentscheidung ergangen ist.

Praxistipp: Wenn der Antragsgegner wegen der beanstandeten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist, können die Kosten zum erstattungsfähigen Schaden gehören.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Akzessorietät der Bürgschaft: Verjährung der Hauptforderung
Urteil vom 14. Juni 2016 – XI ZR 242/15

Grundlegende Erörterungen zur Akzessorietät der Bürgenhaftung stellt der IX. Zivilsenat an.

Die klagende Bank hatte der damaligen Ehefrau des Beklagten in den Jahren 1992 und 1993 zwei Darlehen für den Ankauf und die Sanierung einer Wohnanlage gewährt; der Beklagte hatte jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Nach Zahlungseinstellung und Anordnung der Zwangsverwaltung stellte die Klägerin die Darlehensforderungen im Jahr 2001 fällig. Im Jahr 2004 nahm sie den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Die im Jahr 2008 in einem separaten Rechtsstreit in Anspruch genommene Hauptschuldnerin, die sich unter anderem auf Verjährung berief, wurde im Jahr 2009 erstinstanzlich zur Zahlung verurteilt; gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel eingelegt. Die Klage gegen den Bürgen blieb zunächst in zwei Instanzen erfolglos. Nach Zurückverweisung in einem ersten Revisionsurteil erklärte das OLG die Klageforderung für dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der BGH weist die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil des OLG zurück. Mit dem OLG ist er der Auffassung, dass sich der Beklagte aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin nicht mehr auf die Verjährung der Hauptforderung berufen kann. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Bürge nur die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden erheben kann. Anders als bei den von § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB erfassten Einwendungen gegen den Bestand der Hauptforderung (zB Erfüllung oder Aufrechnung) genügt bei Einreden also nicht, dass ein dafür erforderlicher Tatbestand objektiv erfüllt ist; vielmehr muss der Hauptschuldner (noch) berechtigt sein, die Einrede zu erheben. Im Streitfall kann die Hauptschuldnerin aufgrund ihrer rechtskräftigen Verurteilung die Einrede der Verjährung nicht (mehr) erheben. Deshalb kann auch der Bürge diese Einrede nicht mehr geltend machen. Etwas anderes gilt gemäß § 768 Abs. 2 BGB, wenn die Einrede bereits wirksam entstanden war und durch ein Rechtsgeschäft des Hauptschuldners wieder in Wegfall geraten ist. Der VIII. Zivilsenat hat diese Regelung für den Fall analog angewendet, dass sich der Hauptschuldner gegen eine nach Verjährung erhobene Klage nicht zur Wehr setzt (Urteil vom 12.03.1980 – VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222 = MDR 1980, 664). Den im Streitfall erhobenen Einwand, die Hauptschuldnerin habe den Prozess schlecht geführt, hält der XI. Zivilsenat für eine analoge Anwendung von § 768 Abs. 2 BGB nicht für ausreichend.

Praxistipp: Wenn der Bürge vom Prozess gegen den Hauptschuldner weiß und befürchtet, dass dieser Hauptschuldner die Einrede der Verjährung durch unzureichende Prozessführung verlieren wird, sollte er dem Rechtsstreit als Streithelfer des Hauptschuldners beitreten.

Öffentliche Beschaffenheitsangaben und notarieller Gewährleistungsausschluss
Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15

Mit der Reichweite eines Gewährleistungsausschlusses in einem Grundstückskaufvertrag befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger kauften von den Beklagten ein Wohnhaus, an dessen Stelle früher eine Scheune gestanden hatte. In der Verkaufsanzeige in einem Internetprotal hatten die Beklagten angegeben, das Haus sei 1999/2000 errichtet worden. Später stellte sich heraus, dass eine Außenwand aus der Bausubstanz der früheren Scheune übernommen worden war. Die Kläger begehrten deshalb die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG verurteilte die Beklagten antragsgemäß, weil das Alter der Außenwand einem Mangel darstelle, dieser im Hinblick auf die höhere Schadensanfälligkeit und Wärmedurchlässigkeit nicht als unbeachtlich angesehen werden könne und der im notariellen Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss Abweichungen von den im Internet veröffentlichten Beschaffenheitsangaben nicht erfasse.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er tritt dem Berufungsgericht darin bei, dass öffentliche Äußerungen über Eigenschaften der Kaufsache gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB für die Bestimmung der Sollbeschaffenheit von Bedeutung sind und das Baujahr eines Gebäudes in aller Regel zu den wertbeeinflussenden Faktoren gehört. Er lässt offen, ob dies auch für die hier in Rede stehende Außenwand gilt, weil das OLG keine Feststellungen zu Art, Größe und Bedeutung dieses Bauteils im Verhältnis zum gesamten Gebäude getroffen hat. Abweichend vom OLG sieht er die Klageansprüche – sofern die Beklagten nicht arglistig gehandelt haben, was nach Zurückverweisung noch aufzuklären ist – als unbegründet an, weil sich der notariell vereinbarte Gewährleistungsausschluss grundsätzlich auch auf öffentliche Äußerungen zur Beschaffenheit erstreckt. Zwar können solche Äußerungen im Einzelfall die begründete Erwartung wecken, dass sich ein allgemeiner Haftungsausschluss nicht auf darin zugesagte Eigenschaften beziehe. Bei einem Grundstückskaufvertrag ist dies in der Regel aber ausgeschlossen, weil eine Einschränkung des im notariellen Vertrag vereinbarten allgemeinen Gewährleistungsausschlusses ebenfalls der notariellen Beurkundung bedürfte und grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Parteien keinen formunwirksamen Vertrag schließen wollen.

Praxistipp: Ein Grundstückskäufer, der Wert auf bestimmte Eigenschaften legt, die in öffentlichen Anzeigen oder dergleichen beschrieben sind, muss darauf achten, dass ein vereinbarter Haftungsausschluss ausdrücklich um die Bestimmung ergänzt wird, dass die Gewährleistung für diese – konkret zu benennenden – Eigenschaften unberührt bleibt.