Die Wiederaufnahme des Sitzungsbetriebes bei Gericht in Corona-Zeiten

Derzeit denken alle an die Zeit „danach“. Aber so schnell wird die Normalität voraussichtlich nicht zurückkehren können. Nun soll aber wenigstens der Sitzungsbetrieb bei den Gerichten teilweise wieder aufgenommen werden. Hierfür werden bei den Gerichten Vorbereitungen getroffen. Was genau geschieht?

Zunächst einmal wird durch entsprechende Hausverfügungen und Instruktionen des Kontrollpersonals an den Eingängen sichergestellt, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt wird bzw. erhalten bleibt. Weiterhin müssen die Sitzungssäle umgestaltet werden. Die Säle müssen so ausgestattet werden, dass der Mindestabstand von 1,5 Metern durchweg gewahrt werden kann. Dies geschieht in aller Regel durch Verschiebung des Mobiliars, Markierungen auf dem Boden und auf den Tischen, mitunter durch das Aufstellen von Trennscheiben. All dies wird teilweise in ständigem Kontakt der Gerichtspräsidenten untereinander und mit den Präsidenten der Oberlandesgerichte (Videokonferenzen) beschlossen und entschieden. Besonders problematisch ist die Einhaltung des Mindestabstandes bei den Kollegialgerichten, zumal dadurch auch eine sonst unproblematisch mögliche kurze Verständigung zwischendurch sehr erschwert wird. Durch die Markierungen sehen die Säle zum Teil etwas seltsam aus.

Ein besonderes Problem stellen die Aufenthalts- und Wartebereiche dar. Diese sind oftmals ohnehin bei der Planung der Gebäude zu kurz gekommen. Nunmehr entsteht das Problem der Wahrung des Mindestabstandes bei den Wartenden und der ausreichenden Belüftung der betroffenen Bereiche. Es wird daher voraussichtlich nichts anderes übrigbleiben, als jedenfalls teilweise Sitzungssäle zu Aufenthaltsräumen umzufunktionieren, zumal die Gänge oftmals sehr schwer zu belüften sind.

Gleichzeitig kann nicht einfach jeder Richter irgendwie Termine bestimmen, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich zu viele Personen auf den Fluren aufhalten und der Mindestabstand schon deswegen nicht gewahrt werden kann. Es bedarf daher eines Mindestmaßes an Absprachen und Organisation. All dies wird noch dadurch erschwert, dass einige Mitarbeiter (und auch Richter) immer noch krank sind bzw. als Risikogruppe in das Homeoffice gezwungen sind.

Es gilt daher, eine Fülle von praktischen Schwierigkeiten mit Improvisationsgeschick, Geduld und Erfindungsgeist zu überwinden.

Gleichwohl besteht die Hoffnung, dass demnächst bei den Gerichten wieder ein wenig Normalität einkehren kann. Alle Beteiligten sind dazu aufgerufen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beizutragen, dass keine besonderen Schwierigkeiten auftreten werden. So können beispielsweise die Rechtsanwälte die Mandanten schon vor dem Termin auf die voraussichtliche Situation vorbereiten bzw. hinweisen.

Gleichwohl sollte es gelingen, in wenigen Wochen wieder halbwegs normale Verhältnisse bei den Gerichten herbeizuführen.

Montagsblog: 2. Sonderausgabe

Diese Woche geht es erneut um ein Corona-Thema.

Video-Verhandlungen beim Bundesgerichtshof
§ 128a ZPO

Einen neuen Weg zur Aufrechterhaltung des Sitzungsbetriebs in Corona-Zeiten hat der X. Zivilsenat beschritten.

Wie bei vielen anderen Gerichten beginnt auch beim Bundesgerichtshof allmählich wieder der Sitzungsbetrieb. Die infolge des Abstandgebots reduzierte Aufnahmekapazität der Sitzungssäle stellt die Senate vor allem in Verfahren mit hoher Öffentlichkeitswirkung vor große Herausforderungen. In besonderer Weise betroffen sind zudem Senate mit Zuständigkeit für Spezialmaterien, in denen eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. In solchen Verfahren sind die Parteien häufig durch mehrere Prozessbevollmächtigte vertreten. In Patentnichtigkeitsverfahren, für die der X. Zivilsenat als Berufungsgericht zuständig ist, treten darüber hinaus häufig technische Beistände auf, die gemäß § 113 Satz 2 PatG ebenfalls teilnahmeberechtigt sind. Dieser Personenkreis muss nicht selten aus dem Ausland anreisen, was in Corona-Zeiten kaum möglich ist.

Um Terminsaufhebungen und eine daraus resultierende Verlängerung der Verfahrensdauer von kaum vorhersehbarem Ausmaß zu vermeiden, hat der X. Zivilsenat am 23. April 2020 erstmals von der in § 128a ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Bevollmächtigte und technische Beistände per Videoschaltung an der mündlichen Verhandlung zu beteiligen. Hierzu wurde kurzfristig die Möglichkeit geschaffen, Videokonferenzen mit dem System „Microsoft Teams“ durchzuführen. Die Klägerin und die Beklagte waren je durch einen Rechtsanwalt und einen Patentanwalt vor Ort vertreten. Weitere Patentanwälte, die technischen Beistände der Parteien sowie zwei Simultandolmetscher waren über die Videokonferenz zugeschaltet.

Die Teilnehmer haben sich mit dem Verlauf der Verhandlung zufrieden gezeigt. Dies hat den Senat darin bestärkt, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Er stellt es den Parteien frei, eine begrenzte Anzahl von Vertretern vor Ort auftreten zu lassen, sieht aufgrund der ersten Erfahrungen aber auch mit großer Zuversicht Verhandlungen entgegen, bei denen nur die Richter im Sitzungssaal präsent sind. Die erfolgreiche Premiere lässt auf jeden Fall hoffen, dass der Senat das Entstehen einer Bugwelle an aufgeschobenen Verhandlungsterminen auch dann vermeiden kann, wenn die jetzigen Einschränkungen noch lange Zeit bestehen bleiben sollten.

Praxistipp: Für die spontane Fernkommunikation zwischen Bevollmächtigen und Beiständen einer Partei während der Verhandlung bietet sich die Einrichtung eines separaten Kanals zum Austausch von Textnachrichten an, etwa über Smartphones, Tablets oder Notebooks.