Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen einer Vertragsstrafe und einer Vereins- oder Verbandsstrafe.

Vertragsstrafevereinbarung in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2025 – V ZB 129/24

Der V. Zivilsenat entscheidet, dass die §§ 339 ff. BGB jedenfalls für bestimmte Konstellationen anwendbar sind.

Die Beklagte zu 1, eine GmbH & Co. KG mit der Beklagten zu 2 als persönlich haftender Gesellschafterin, ist Sondereigentümerin einer Wohneinheit in einer Wohnungseigentumsanlage. Nach der in der Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung ist der Eigentümer dieser Wohneinheit berechtigt, den Dachbereich (mit einer Fläche von über 1000 m²) auszubauen und das Dach aufzustocken. Für den Fall, dass die Bauzeit länger als fünfzehn Monate beträgt, ist eine Konventionalstrafe an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Höhe von 15 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat vorgesehen.

Die Bauzeit ist um mehr als ein Jahr überschritten worden. Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt deshalb Zahlung von rund 230.000 Euro nebst Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagten bis zum Abschluss der Bauarbeiten zu weiteren monatlichen Zahlungen verpflichtet sind.

Die Klage hatte vor dem AG und dem LG Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

In Literatur und Instanzrechtsprechung ist umstritten, ob eine in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgesehene Strafe den Regelungen über Strafversprechen (§§ 339 ff. BGB) unterliegt oder als Verbandsstrafe anzusehen ist, die im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG einer weniger weitgehenden gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Der BGH entscheidet die Frage nicht abschließend. Die im Streitfall vereinbarte Strafe sieht er aber – wie die Vorinstanzen – als Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB an.

Für diese Einordnung spricht schon, dass die Strafe im Falle einer Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit anfällt, ohne dass es einer Entscheidung der Wohnungseigentümer bedarf. Ob dies ausreicht, lässt der BGH ebenfalls offen. Im Streitfall kommt jedenfalls entscheidend hinzu, dass die Strafe ausdrücklich als Konventionalstrafe bezeichnet ist und dass sie nicht jeden Wohnungseigentümer treffen kann, sondern nur den Ausbauberechtigten.

Der BGH tritt den Vorinstanzen auch darin bei, dass eine Gemeinschaftsordnung Regelungen über eine Vertragsstrafe im Sinne von §§ 339 ff. BGB wirksam treffen kann. Die Vereinbarung einer solchen Regelung ist von der Privatautonomie gedeckt. Die Regelung unterliegt auch nicht einer Inhaltskontrolle nach den Regelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) oder einer Missbrauchskontrolle nach § 242 BGB.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach eine verwirkte Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, im Streitfall jedoch anwendbar. Diese Regelung wird nicht durch § 10 Abs. 2 WEG verdrängt, der jedem Wohnungseigentümer das Recht gibt, die Anpassung einer Vereinbarung zu verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Ein Antrag auf Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB zielt nicht auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung ab, sondern lediglich auf eine Abmilderung der Risiken aus einer im Voraus erfolgten Pauschalierung der Strafhöhe.

Einer Anwendung von § 343 BGB steht im Streitfall auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte zu 1 eine Handelsgesellschaft ist. Nach § 348 HGB kann eine Vertragsstrafe zwar nicht herabgesetzt werden, wenn sie von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen worden ist. In der Konstellation des Streitfalls erfolgt aber nur der Erwerb des Wohnungseigentums im Betrieb des Handelsgeschäfts. Die Vertragsstrafe ergibt sich hingegen aus dem Eintritt in die Gemeinschaftsordnung. Dieser erfolgt von Gesetzes wegen mit dem Eigentumserwerb.

Das LG wird deshalb prüfen müssen, ob die Strafe nach § 343 BGB herabzusetzen ist.

Praxistipp: Ein Antrag auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB muss nicht beziffert werden, weil die Höhe des Ermäßigungsbetrags ggf. dem Ermessen des Gerichts unterliegt (BGH, Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 69/66, MDR 1968, 751).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümern, Gemeinschaft und Verwalter.

Keine Schutzwirkung des WEG-Verwaltervertrags zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 5. Juli 2024 – V ZR 34/24

Der V. Zivilsenat befasst sich mit den Rechtsbeziehungen nach dem seit 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrechts.

Der Kläger ist Mitglied einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Die Beklagte ist deren Verwalterin. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe nach einem im Jahr 2022 eingetretenen Wasserschaden die vom Gebäudeversicherer an die Gemeinschaft gezahlte Entschädigung zu spät an ihn weitergeleitet. Er begehrt deshalb Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klage ist in den beiden ersten Instanzen erfolglos geblieben.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Ansprüche aus einem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag scheiden schon deshalb aus, weil auf Eigentümerseite nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Partei des Verwaltervertrags ist, nicht hingegen die einzelnen Eigentümer.

Anders als nach dem früher geltenden Recht kommt dem Verwaltervertrag keine Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Eigentümer mehr zu.

Nach dem seit 1.12.2020 geltenden Recht kann ein einzelner Eigentümer, dem durch pflichtwidriges Verhalten des Verwalters ein Schaden entstanden ist, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Ersatz in Anspruch nehmen. Die Gemeinschaft hat für die Pflichtverletzung des Verwalters nach § 31 BGB einzustehen, weil dieser nach neuem Recht ihr Organ ist. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis mehr, den Eigentümern durch Einbeziehung in den Schutzbereich des Verwaltervertrags die unmittelbare Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verwalter zu ermöglichen.

Dass ein geschädigter Eigentümer die an ihn erbrachten Ersatzleistungen der Gemeinschaft über die allgemeine Kostenverteilung teilweise mitzutragen hat, begründet kein hinreichendes Schutzbedürfnis. Die Gemeinschaft ist in der Regel verpflichtet, den Verwalter in Regress zu nehmen.

Praxistipp: Wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Verwalter gebietet, kann ein einzelner Eigentümer einen diesbezüglichen Beschluss durch eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG herbeiführen.

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Diese Woche geht es um die Befugnis zur Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums in einer Wohnungseigentumsanlage

Geltendmachung von Abwehransprüchen bei Wohnungseigentum
Urteil vom 28. Januar 2022 – V ZR 106/21

Mit der Abgrenzung der Befugnisse einzelner Eigentümer und der Gemeinschaft sowie mit den Übergangsregeln für Altfälle befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Klägerin gehört eine Eigentumswohnung im Dachgeschoss des Hinterhauses einer Wohnungseigentumsanlage. Die Beklagte betreibt im Erdgeschoss des Vorderhauses als Mieterin einen Supermarkt. Im Jahr 2008 erlaubte die Wohnungseigentümergemeinschaft der Beklagten durch einstimmigen Beschluss, die Durchfahrt zum Hinterhaus täglich für einige Stunden zum Abstellen von Lieferfahrzeugen zu benutzen. Die Wohnung der Klägerin ist diesen Zeiträumen nur über einen Fußweg mit Treppenstufen zu erreichen. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verbot der Beklagten antragsgemäß das Abstellen von Fahrzeugen in der Durchfahrt.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie ihre Klage vor Inkrafttreten von § 9a WEG (d.h. vor dem 01.12.2020) erhoben und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der weiteren Geltendmachung des Anspruchs nicht widersprochen hat.

Nach § 9a Abs. 2 WEG ist die Klägerin nur dann zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen befugt, wenn das beanstandete Verhalten zumindest auch ihr Sondereigentum beeinträchtigt. Diese Voraussetzung wäre im Streitfall nur dann erfüllt, wenn die Wohnung der Klägerin in den betroffenen Zeiträumen nicht mehr zugänglich wäre. Im Streitfall bleibt der Zugang über den Fußweg möglich. Dass dieser nicht barrierefrei ist, führt jedenfalls deshalb nicht zu einer rechtlich relevanten Beeinträchtigung des Sondereigentums, weil die Wohnung ohnehin nur über das Treppenhaus erreichbar ist.

Nach altem Recht konnte ein einzelner Eigentümer Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum geltend machen, solange die Gemeinschaft diese Befugnis nicht durch Beschluss an sich gezogen hat.

Diese Befugnis des einzelnen Eigentümers bleibt nach den vom BGH entwickelten Übergangsregeln bei Klagen, die vor dem 01.12.2020 erhoben sind, grundsätzlich bestehen. Sie fällt aber weg, wenn die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, der weiteren Geltendmachung im Hinblick auf die eingetretene Rechtsänderung widerspricht. Ob ein solcher Widerspruch auf einem wirksamen Beschluss beruht, ist unerheblich. Im Streitfall hat die Verwalterin lediglich auf den Beschluss aus dem Jahr 2008 verwiesen. Darin liegt kein auf das neue Recht gestützter Widerspruch.

Mit dem Beschluss aus dem Jahr 2008 hat die Gemeinschaft die Geltendmachung der Ansprüche schon auf der Grundlage des alten Rechts an sich gezogen. Dieser Beschluss steht der Klage – anders als ein auf das neue Recht gestützter Widerspruch – aber nur dann entgegen, wenn er wirksam ist. Hieran fehlt es im Streitfall, weil die Durchfahrt zugleich als Feuerwehrzufahrt dient und deshalb nach den einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung ständig freigehalten werden muss. Ein Eigentümerbeschluss, der gegen diese Vorschriften verstößt, ist nichtig, weil die verletzte Norm der Gefahrenabwehr und dem Brandschutz dient und ein Verstoß zugleich den Versicherungsschutz im Brandfall gefährden kann.

Wegen der Nichtigkeit des im Jahr 2008 gefassten Beschlusses ist die Klage nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Ohne Zustimmung der Eigentümer darf die Beklagte die Durchfahrt nicht zum Abstellen von Fahrzeugen nutzen.

Praxistipp: Auf der Grundlage des neuen Rechts ist ein einzelner Eigentümer in solchen Fällen auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Gemeinschaft beschränkt. Lehnt diese ein Vorgehen gegen den Dritten rechtswidrig ab, kommen Schadensersatzansprüche in Betracht.