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Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Gewährleistungsrechte vor Abnahme des Werks
Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13

Eine sehr umstrittene Frage beantwortet der VII. Zivilsenat in drei für BGHZ bestimmten Entscheidungen (VII ZR 301/13, VII ZR 193/15 und VII ZR 235/15), von denen die erste jetzt zugänglich ist.

Der später verstorbene Schwiegersohn des Klägers hatte die Beklagte mit Fassadenarbeiten an zwei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden betraut. Nach Fertigstellung verweigerte der Besteller die Abnahme mit der Begründung, das zum Anstrich verwendete Material entspreche nicht den vertraglichen Anforderungen. Ein selbständiges Beweisverfahren bestätigte den erhobenen Vorwurf. Die daraufhin erhobene Klage auf Zahlung eines Vorschusses auf die Kosten der Mängelbeseitigung hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er entscheidet, dass die in § 634 BGB vorgesehenen Gewährleistungsrechte grundsätzlich erst mit Abnahme des Werks entstehen, und zwar auch dann, wenn der Besteller die Abnahme nach Fertigstellung des Werks in Hinblick auf Mängel zu Recht verweigert. Vor der Abnahme kann der Besteller nach allgemeinen Regeln die mängelfreie Herstellung des Werks und nach Maßgabe von § 280 und § 281 BGB Schadensersatz verlangen. Gewährleistungsrechte darf er nur dann geltend machen, wenn der Vertrag in ein Abrechnungsschuldverhältnis übergegangen ist. Letzteres setzt voraus, dass der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung oder Minderung des Werklohns verlangt oder wenn er zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen. Das bloße Verlangen eines Vorschusses auf die Kosten der Mängelbeseitigung reicht dafür nicht aus.

Praxistipp: Trotz der aufgezeigten Beschränkungen ist es für einen Besteller, der einen der Abnahme entgegenstehenden Werkmangel rechtzeitig erkannt hat, in der Regel vorteilhaft, die Abnahme zu verweigern.

Doppelte (qualifizierte) Schriftformklausel und Schriftformheilungsklausel in langfristigem Gewerbemietvertrag
Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16

Mit den Konsequenzen des Formerfordernisses aus § 550 BGB befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Parteien stritten über die vorzeitige Kündigung eines auf zwei Jahre fest abgeschlossenen Mietvertrags über Gewerberäume. Der ursprüngliche Mietvertrag war vom früheren Eigentümer mit einem anderen Mieter auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Als Nutzungszweck waren darin Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren vereinbart worden. Wenig später hatten sich die Vertragsparteien formlos darauf geeinigt, dass der Mieter auch einen Getränkehandel betreiben darf. Nach einiger Zeit trat der Beklagte, der ebenfalls einen Getränkehandel betrieb, anstelle des ersten Mieters in das Mietverhältnis ein. Nach der Veräußerung des Anwesens an die Klägerin vereinbarte diese mit dem neuen Mieter in einem schriftlichen Nachtrag eine feste Laufzeit bis 31.12.2016. Wenig später kündigte sie den Mietvertrag fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Kündigungstermin. Die Räumungsklage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg, vor dem OLG allerdings nur aufgrund der ordentlichen Kündigung.

Der BGH, der gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden hatte, tritt dem OLG in Ergebnis und Begründung bei. Die vereinbarte Befristung genügt nicht dem Formerfordernis des § 550 BGB, weil die von den Parteien geschlossene Nachtragsvereinbarung und der darin in Bezug genommene ursprüngliche Mietvertrag nicht den gesamten Inhalt des Mietverhältnisses wiedergeben. Die zwischen dem früheren Vermieter und dem früheren Mieter getroffene Vereinbarung über die Änderung des Nutzungszwecks hätte ebenfalls schriftlich geschlossen werden müssen. Der BGH sieht die formlose Änderungsvereinbarung als wirksam an, obwohl der ursprüngliche Mietvertrag eine „doppelte“ Schriftformklausel enthält, wonach jede Vertragsänderung der Schriftform bedarf und dies auch für eine Änderung der Schriftformklausel gilt. Der BGH lässt offen, ob eine solche Vereinbarung in AGB wirksam getroffen werden kann, und sieht eine nicht dem Formerfordernis genügende Vertragsänderung jedenfalls aufgrund des Vorrangs von Individualabreden als wirksam an. Im Ergebnis ebenfalls wirkungslos blieb eine im ursprünglichen Vertrag daneben enthaltene Klausel, wonach die Vertragsparteien jederzeit verpflichtet sind, alle Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB gerecht zu werden. Eine solche Heilungsklausel darf nach Sinn und Zweck des § 550 BGB jedenfalls nicht einem Vermieter entgegengehalten werden, der als Erwerber des Grundstücks in einen bestehenden Mietvertrag eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn er die längere Laufzeit selbst vereinbart hat.

Praxistipp: Um Zweifel an der Wirksamkeit zu vermeiden, sollte eine Laufzeitverlängerung nicht durch Bezugnahme auf den früheren Vertrag, sondern durch vollständige Neubeurkundung des gesamten Vertragsverhältnisses erfolgen.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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