Erste Überlegungen zu Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Intersexualität auf das Aktien- und GmbH-Recht

Die Entscheidung des BVerfG vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16 hat bei Verkündung in den Medien ein breites Echo gefunden. Unmittelbar betrifft die Entscheidung das Personenstandsrecht, welches der Gesetzgeber nun zu ändern hat. Es stellt sich freilich die Frage, ob es darüber hinaus auch Ausstrahlungen in das Aktien- und GmbH-Recht geben könnte.

Worum geht es? Medizinisch wurde erwiesen, dass es neben Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, auch Intersexuelle gibt, die „sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.“ Das BVerfG referiert in Rz. 10 eine Häufung von 1:500 in der Bevölkerung. Andere Stimmen nennen geringere Quoten zwischen 1:2000 und 1:5000.

Für diese Personen leitet das BVerfG aus dem Grundgesetz einen doppelten Schutz ab. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schütze (auch) deren geschlechtliche Identität. Weitergehend schütze aber Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG (auch) Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.

Sowohl das Aktien- wie auch das GmbH-Recht kennen ihrerseits Personenverzeichnisse, die an den neuen Maßstäben des BVerfG zu messen sind. Anzuführen sind beispielsweise für die AG das Teilnehmerverzeichnis der Hauptversammlung (§ 129 Abs. 1 S. 2 AktG) und das Aktienregister (§ 67 Abs. 1 S. 1 AktG) sowie für die GmbH die Liste der Gesellschafter (§ 40 GmbHG). Alle diese Regelungen unterscheiden sich von § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG allerdings gerade dadurch, dass dort keine Angabe des Geschlechts verlangt wird. Insoweit stellt sich also lediglich die Frage, ob das Ausleben der geschlechtlichen Identität verfassungsrechtlich eine Erweiterung gebietet. Das ist jedoch auf Grundlage der Überlegungen des BVerfG unter Rz. 47 der Entscheidung klar zu verneinen. Dort legt das Gericht nämlich sichtlich Spur für eine diskriminierungsfreie Gestaltung des Personenstandsrechts durch Verzicht auf Geschlechtsangaben.

Damit rücken jene Bestimmungen des Gesellschaftsrechts in den Fokus, die ausdrücklich „nur“ das männliche und das weibliche Geschlecht ansprechen, wie etwa § 96 Abs. 2 AktG, der für die Besetzung von Aufsichtsräten „nur“ Mindestanteile von Frauen und Männern vorschreibt, nicht aber Mindestanteile an Intersexuellen. Ähnliche Regelungen enthalten §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG oder § 52 Abs. 2 GmbHG. Hier stellt sich vermeintlich offensichtlich die Frage der Vereinbarkeit des Ausschlusses von Intersexuellen vom Quotenschutz mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Tatsächlich bedarf es jedoch keiner Änderung dieser Bestimmungen. Dafür streitet m.E. nämlich, dass sie auf einer spezielle(re)n Regelung des GG beruhen, nämlich Art. 3 Abs. 2 GG. Diese Vorschrift des GG stellt anders als Art. 3 Abs. 3 GG schon nach dem Wortlaut gerade nicht auf das Geschlecht ab, sondern auf Mann und Frau. Diesen Unterschied arbeitete auch das BVerfG in einer systematischen Verfassungsauslegung klar heraus (Rz. 60). Wörtlich führt es aus: „Der über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinausreichende Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 GG besteht darin, dass er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt.

Die genannten Bestimmungen des Aktien- bzw. GmbH-Rechts sind daher ungeachtet der Nichtnennung Intersexueller dem Auftrag des GG aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 („Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“) entsprechende einfachgesetzliche Konkretisierungen. Die Entscheidung, das weitergehende Gleichberechtigungsgebot auf Mann und Frau zu beschränken, hat die Verfassung selbst getroffen. Das ist auf der Ebene nachgeordneten (Aktien- und GmbH-) Rechts nicht zu revidieren.

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