Pflicht zur Aktionärsidentifizierung durch die Hintertür?

Gemäß § 67d Abs. 1 AktG können börsennotierte Gesellschaften die Identität ihrer Aktionäre und der Intermediäre in Erfahrung bringen. Die Aktionärsidentifikation dient dabei vor allem dazu, die Kommunikation der Gesellschaft mit ihren Aktionären zu verbessern und dadurch deren Mitwirkung zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung zu fördern. Weder nach deutschem noch nach zugrundeliegendem europäischem Recht wird dabei eine Pflicht für die Gesellschaft statuiert, Aktionärsinformationen über Intermediäre einzuholen.

Am 20.1.2021 wurde der Regierungsentwurf eines Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) vorgestellt, wonach gem. § 45b Abs. 9 EStG-E börsennotierte Gesellschaften die Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt ihres Gewinnverteilungsbeschlusses zu verlangen haben. Begründet wird die geplante Neuregelung und damit die Pflicht der Gesellschaft zur Aktionärsidentifizierung mit einer vorbeugenden Verhinderung von Betrug insbesondere bei der Erstattung von Kapitalertragsteuer. Anders als § 67d Abs. 1 AktG vorsieht, würde das Recht der Gesellschaft auf Aktionärsidentifikation daher in eine entsprechende Pflicht umgewandelt.

Eine solche Verpflichtung zur Aktionärsidentifizierung ist jedoch abzulehnen. Es war niemals Absicht des europäischen und/oder des deutschen Gesetzgebers, das Recht auf Aktionärsidentifizierung in eine entsprechende Verpflichtung mit Gesetzesrang umzukehren. Zudem sieht der Regierungsentwurf des AbzStEntModG an keiner Stelle vor, wie sich eine etwaige Verpflichtung nach § 45b Abs. 9 EStG-E zur reinen Ermöglichungsfunktion des § 67d Abs. 1 AktG sowohl rechtsmethodisch als auch faktisch verhalten soll. Aus aktienrechtlicher Sicht wäre somit eine Rücknahme des so ausgestalteten § 45b Abs. 9 EStG-E zu befürworten.

Ausführlicher zur Pflicht zur Aktionärsidentifizierung Stiegler in AG 2021, R86.

Änderungen im ARUG II auf der Zielgeraden

Horaz schrieb vor etwas mehr als 2000 Jahren „Es kreißen die Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen“ (Ars poetica). Daran fühlte sich bislang erinnert, wer die Beratungen des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verfolgte, die trotz zweijähriger Umsetzungsfrist in Berlin nicht fristgerecht zum 10.6.2019 abgeschlossen werden konnten. Ein Schelm, wer angesichts des Zeitverzugs an das Menetekel BER denkt.

Dem Rechtsausschuss gebührt freilich das Verdienst mit seinen Beschlussempfehlungen vom 13.11.2019, denen man im Bundestag in zweiter und dritter Lesung am 14.11.2019 folgte, nochmals Fachwelt und Unternehmen in Aufregung zu versetzen (exemplarisch Michael H. Kramarsch, www.handelsblatt.com; 15.11.2019, 10:23 Uhr).

Damit sind natürlich nicht die kleineren redaktionellen Verbesserungen angesprochen, die ohnehin vielfach durch den Bundesrat angeregt und mithin nicht neu waren, sondern drei wesentliche Änderungen:

  1. Neuer (Pflicht)Bestandteil des vom Aufsichtsrat zu beschließenden Vergütungssystem ist nach § 87a Abs. 1 Nr. 1 AktG n.F. die Festlegung einer Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder. Diese Maximalvergütung kann die Hauptversammlung – auf Antrag nach § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG (sic!) – herabsetzen.

    Zwar kann man die Gesetzesbegründung wohl nur so deuten, dass durch den Beschluss als solchen zwar „nur“ das Vergütungssystem bindend geändert wird, nicht aber mit Vorständen abgeschlossene Verträge. Wer jetzt aufatmet, übersieht aber, dass § 87 Abs. 2 AktG bereits lange Zeit de lege lata eine Eingriffsbefugnis des Aufsichtsrats in abgeschlossene Verträge enthält. Die Folgefrage, ob ein Aufsichtsrat einem Herabsetzungsbeschluss der Hauptversammlung nachfolgend diese Voraussetzungen prüfen sollte, beantwortet das Gesetz nicht. Es liegt auf der Hand, dass der befragte Anwalt sie unterschiedlich beantworten wird, je nachdem auf welcher Seite des Tisches man sitzt. Ein Indiz findet sich möglicherweise etwas versteckt an anderer Stelle im Gesetz; § 162 Abs. 1 Nr. 7 AktG n.F. sieht für den Vergütungsbericht vor „… eine Erläuterung, wie die festgelegte Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder eingehalten wurde.

    Interessant ist auch, dass es der Politik mit dem Herabsetzungsbeschluss sichtlich nicht um eine Feinadjustierung der Rechte von Aufsichtsrat und Hauptversammlung bzw. Aktionären ging, denn ansonsten müsste die Hauptversammlung auch das Recht haben, die Maximalvergütung anzuheben. Dass dafür aus Sicht internationaler Investoren, die jedenfalls im DAX schon länger die Mehrheiten stellen, mitunter Bedarf bestünde, blendet man in Berlin anscheinend geflissentlich aus.

    Im Zuge der Neuregelungen zum Vergütungssystem wurde im Übrigen (in § 87a Abs. 1 Nr. 2 AktG) auch feinjustiert, dass das System den Beitrag zur Förderung der Geschäftsstrategie und zur langfristigen Entwicklung der Gesellschaft aufzeigen soll.
     

  2. Vermeintlich nur redaktionell wurde am Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG geändert; tatsächlich will der Bundestag hiermit aber, Zitat, „deutlich machen, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vergütung, insbesondere der Wahl der Vergütungsanreize auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat.“

    Der Zyniker könnte angesichts dessen versucht sein zu vermuten, dass die Großkoalitionäre schon einmal für die Mitarbeit in einer Bundesregierung üben, die ein grüner Kanzler führt. Jedenfalls führt das Zusammendenken dieses Fingerzeigs mit dem Drängen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex auf eine Aufwertung aktienbasierter Vergütung im Zweifel geradewegs in eine aktienbasierte Vergütung, die sich dem Zeitgeist folgend am CO2 – Ausstoß festmacht („green share“).
     

  3. Schließlich wurde nach mehr als zweijähriger Beratung in den beiden letzten Tagen des Gesetzgebungsverfahrens die Wertschwelle des § 111b AktG für Zustimmungsvorbehaltes des Aufsichtsrats bei Geschäften mit nahestehenden Personen (vulgo „related parties transactions“) um glatte vierzig (40) Prozent abgesenkt. Das wird absehbar jene Unternehmen eiskalt erwischen, die sich sorgfältig auf das ARUG II vorbereitet hatten, aber auf eine Nichtbetroffenheit in Folge der tradierten Wertgrenze vertraut hatten. Dass man es hier trotzdem dabei belassen hat, dass es für die Anwendung der neuen Bestimmungen keine Übergangsregelung gibt, ist eigentlich ein kleiner Skandal. Denn Art. 2 sieht für die Anwendung des ARUG II im EG AktG umfangreiche Übergangsregelungen und -fristen vor, nicht aber für den Überraschungscoup des Rechtsausschusses vom 13.11.2019, dem sich der Bundestag anschloss – und das obwohl die Gesetzesbegründung ganz offen ausspricht, dass man damit die Anwendung des neuen Regimes auf weitere Unternehmen ausweiten will.

ARUG II geht in die nächste Runde

Am 20.3.2019 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) verfassten Entwurf eines „Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie“ (ARUG II) beschlossen. Die Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (EU) 2017/828 vom 17.5.2017 ist damit wieder einen deutlichen Schritt vorangekommen. Die Umsetzungsfrist endet am 10.6.2019.

Die Kabinettsfassung führt den vom Referentenentwurf aus Oktober 2018 verfolgten Ansatz einer behutsamen Umsetzung der Richtlinienvorgaben in das deutsche, dualistische Aktienrechtssystem fort. Im Detail weist der Regierungsentwurf eine Vielzahl an Änderungen und Klarstellungen auf, die für zusätzliche Rechtssicherheit sorgen und daher sehr zu begrüßen sind.

Das ARUG II befasst sich mit vier Regelungsbereichen: (1) Identifizierung und Information der Aktionäre, (2) Einbeziehung der Hauptversammlung bei der Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrats, (3) Zustimmungspflichten bei Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions – RPT) und (4) Transparenz bei institutionellen Anlagern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern. Die wichtigsten Änderungen zu den aus Sicht der betroffenen börsennotierten Unternehmen relevanten Regelungsbereichen (1) bis (3) werden in Kürze im „Blickpunkt“ der GmbHR 8/2019 stichpunktartig vorgestellt.

Nächster Meilenstein sind die Empfehlungen des federführenden Bundestagsrechtsausschusses. Da viele Anregungen aus den Stellungnahmen zum Referentenentwurf bereits im Kabinettsentwurf berücksichtigt wurden und sich auch die politischen Wellen gelegt haben, ist mit großen Änderungen nicht mehr zu rechnen. Nach dem vorgesehenen Zeitplan für das weitere Gesetzgebungsverfahren sollen die Beratungen im Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause stattfinden. Die Schlussberatungen sind indes für September 2019 vorgesehen, sodass mit der Verkündung des Gesetzes erst im Oktober 2019 zu rechnen ist. Danach könnte das ARUG II am 1. November 2019 in Kraft treten (Art. 16 ARUG II).

Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

Der mit Spannung erwartete Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist am 20.3.2019 vom Bundeskabinett verabschiedet und auf der Webseite des BMJV veröffentlicht worden.

Auf der Homepage der AG haben wir Ihnen auf einen Blick alle wesentlichen bislang in der AG veröffentlichten Beiträge zur zweiten Aktionärsrechterichtlinie und zum Gesetzgebungsverfahren des ARUG II zusammengestellt. Zur Übersicht gelangen Sie hier.