„Diese Frage ist so Unsinn“, sprach der Sachverständige und wurde als befangen abgelehnt.

Bei einer Sachverständigenanhörung in einem selbständigen Beweisverfahren betreffend ein Gewerbegebäude hatte sich laut Protokoll folgendes ereignet: „Hinsichtlich der Tür, die eine Schwelle aufweist, ist in der Baubeschreibung keine Ausführung vereinbart worden, weder eine schwellenlose noch eine mit Schwelle. Für ein Gebäude, das als Büroverwaltungsgebäude genutzt wird, gibt es keine anerkannte Regel der Technik, die eine Ausführung der Eingangstüren in schwellenloser Ausführung vorschreiben würde. Die Ausführung mit einer Schwelle ist allerdings nicht rollstuhlgerecht. Allerdings ist im Bauvertrag auch nicht angegeben, dass das Gebäude rollstuhlgerecht oder barrierefrei herzustellen ist.“ Der Antragstellervertreter fragt den Sachverständigen, ob nicht unter Berücksichtigung dessen, dass ab einer bestimmten Betriebsgröße ein Arbeitgeber verpflichtet ist, Schwerbehinderte einzustellen, doch eine Ausführung ohne Türschwelle den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Daraufhin entgegnete der Sachverständige: Diese Frage ist so Unsinn. Solche arbeitsrechtlichen Themen interessieren mich nicht. Für mich ist entscheidend, ob im Bauvertrag eine rollstuhlgerechte oder barrierefreie Ausführung vereinbart wurde oder eben nicht.“ Nach kurzer Unterbrechung der Sitzung stellt der Antragstellervertreter den Antrag, den Sachverständigen als befangen abzulehnen und begründet dies damit, dass seine Frage als unsinnig bezeichnet wurde.

Während das LG den Antrag ablehnte, gab das OLG Stuttgart dem Befangenheitsantrag statt! Klar ist, dass unsachliche, unangemessene oder herabsetzende oder gar beleidigende Äußerungen des Richters grundsätzlich dazu geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, zumal von einem Richter gesteigerte Zurückhaltung erwartet wird. Dabei ist das hier von Sachverständigen verwendete Wort „Unsinn“ härter als das Wort „unsinnig“, da letzteres oftmals eher meint: „sinnwidrig“, „inkonsequent“ oder „zweckwidrig“. Dies wurde bereits so entschieden (z. B. LSG Nordrhein-Westphalen, Beschl. v. 16.6.2003 – L 11 AR 49/03 AB, NJW 2003, 2933).

Für den Sachverständigen als „Gehilfen“ des Richters soll nichts anderes gelten als für den Richter. Mit der beanstandeten Äußerung wird der Fragesteller herabgewürdigt und der Sachverständige hat gezeigt, dass er nicht gewillt ist, die Frage sachgerecht zu beantworten. Es sind hier auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Sachverständige provoziert oder heftig angegriffen wurde, was die Äußerung in einem milderen Licht hätte erscheinen lassen können.

Während sich die Parteien und ihre Bevollmächtigte vor Gericht (und auch im Vorfeld!) – auch nach der Rechtsprechung des BVerfG – durchaus „austoben“ dürfen, gilt für die Richter und die Sachverständigen anderes. Von ihnen wird immer erwartet, dass sie sich sehr zurückhalten und nie zu viel Engagement zeigen. Ist dies nicht ein Widerspruch, über den man einmal näher nachdenken müsste?

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.7.2017 – 13 W 13/17, NJW-RR 2017, 1088

Möglichkeit des Rechtswegrüge nach § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG

Mit einer sehr interessanten Möglichkeit zur Verzögerung von Verfahren beschäftigt sich das LG Köln (Urt. v. 9.11.2016 – 13 S 37/16) in einer Entscheidung, die der Begriffsjurisprudenz wieder zu einem unerwarteten Sieg verholfen hat.

Der Beklagte war ins Ausland verzogen. Nachdem er dann wegen eines Geschehens (er hatte ein Auto gemietet), das sich noch zum Zeitpunkt seines Aufenthaltes hier ereignet hatte, auch hier verklagt wurde, rügte er den von der Klägerin beschrittenen Rechtsweg. § 17a Abs. 3 GVG lautet nun in der Tat wie folgt: „Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt“.

Das AG hatte nicht vorab entschieden, sondern ein Versäumnisurteil erlassen, anschließend dann auch ein zweites Versäumnisurteil. Dieses hob das LG Köln auf die Berufung des Beklagten hin auf und verwies den Rechtsstreit zurück, da das AG gegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG verstoßen habe. Vom Wortlaut her ist diese Entscheidung natürlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hatte die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt. Das AG hätte durch Beschluss vorab entscheiden müssen. Dieser Beschluss wäre gemäß § 17a Abs. 4 GVG dann auch noch im Wege der sofortigen Beschwerde anfechtbar gewesen. Das Verfahren hätte sich – mindestens – um drei Monate verzögert, je nach Belastung der Spruchkörper und Geschäftsstellen sogar noch deutlich länger.

Es besteht aber – wie auch das LG Köln in der Entscheidung selbst ausführt (!) – Einigkeit darüber, dass die Rechtswegrüge im hier zu beurteilenden Fall schlichtweg abwegig ist. Bestenfalls geht es vorliegend um eine Frage der internationalen Zuständigkeit, die aber auch eher trivial ist, weil der Beklagte erst nach dem Entstehen der Streitigkeit und Abschluss des maßgeblichen Lebenssachverhaltens ins Ausland verzogen war und vorher hier gewohnt hatte.

Hier hätte es sich wirklich angeboten, „klassisch“ nach dem Sinn und Zweck des § 17a Abs. 3 GVG zu fragen und die Vorschrift teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie nicht anwendbar ist, wenn die Rechtwegrüge ersichtlich abwegig ist. Alles andere ist eine Einladung an die immer zahlreicher werdenden Querulanten, den Justizorganen durch immer neue sinnlose Eingaben und Rechtsmittel ihre Tätigkeit zu erschweren und damit zu verhindern, dass andere Personen zeitnahe zu ihrem Recht kommen können. Solches Vorgehen sollte die obergerichtliche Rechtsprechung nicht durch begriffsjuristische Argumentationen unterstützen.

OLG Oldenburg: Unsachgemäßer Reifentransport, bedenkenloses Öffnen des Kofferraums und ein Schaden an der Garage

Über einen etwas kuriosen Fall hatte neulich das OLG Oldenburg (Urt. v. 31.5.2017 – 9 U 21/17) zu befinden: Der Kläger hatte bei der Beklagten seine Autoreifen wechseln lassen. Die aufzuziehenden Reifen hatte der Kläger waagrecht in sein Auto gelegt. Der Monteur der Beklagten klappte nach dem Reifenwechsel die rückwärtige Sitzbank um, stellte die abgenommenen Reifen jedoch aufrecht (!) hinten in den Wagen. Der Kläger fuhr dann zu Hause rückwärts in seine abschüssige Garageneinfahrt. Als er vor dem Garagentor stand, öffnete er vom Fahrersitz aus die Heckklappe. Daraufhin rollten die Reifen aus dem Auto heraus verursachten an dem Garagentor einen Schaden in Höhe von 6.000 €.

Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, der Monteur der Beklagten habe durch eine solche Verladung der Reifen einer Pflichtverletzung schuldig gemacht, die die Beklagte zum Schadensersatz verpflichte. Wegen der verdunkelten Scheiben seines Autos habe er nicht sehen können, dass die Reifen aufrecht gestanden hätten. Das OLG Oldenburg vermochte dieser Sicht der Dinge allerdings nicht zu folgen. Es hielt dem Kläger jedenfalls ein überwiegendes Mitverschulden vor. Er sei alleine für den Schaden verantwortlich, da er die Heckklappe ohne jegliche Prüfung geöffnet habe.

Hier gilt wie bei so vielen Alltagsfällen, die man oftmals mit einem gewissen Schmunzeln zur Kenntnis nimmt: So viele Juristen damit befasst sind, so viele Lösungen werden aufgeworfen werden. Die erfolgte Verladung der Reifen stellte mit Sicherheit eine Pflichtverletzung aus dem Werkvertrag dar. Eine derartige Verladung ist ungewöhnlich und ersichtlich gefährlich, da sich die Reifen stehend viel leichter bewegen können als liegend und damit zu eine Gefahr werden können. Die Tatsache, dass der Kläger – auch noch auf einer abschüssigen Strecke – und ohne besondere Kontrolle die Heckklappe geöffnet hat, ist als Mitverschulden berücksichtigungsfähig. Dieser Sichtweise würden sicher die meisten Juristen (und auch Nichtjuristen) zustimmen.

Hinweis: Aber überwiegt hier der Haftungsanteil des Klägers so stark, dass die Pflichtverletzung der Beklagten wirklich unberücksichtigt bleiben darf? Schon vor einigen Jahren hatte das AG München zwar entschieden, dass derjenige, der eine Heckklappe ohne Prüfung öffnet, regelmäßig alleine haftet (Urt. v. 9.11.2011 – 262 C 20120/11). Allerdings gilt ansonsten der Grundsatz, dass der Schaden zu teilen ist, wenn beide Parteien (grob) fahrlässig gehandelt haben. Aber vielleicht ist die Entscheidung des OLG Oldenburg doch ein erster Schritt in die Richtung „Mehr Eigenverantwortung bei beiderseitigen Pflichtverletzungen“. Nicht immer ist es tatsächlich angemessen, eine andere Person für einen eingetretenen Schaden verantwortlich zu machen, den man selbst ohne weiteres durch ein wenig Achtsamkeit hätte verhindern können.

OLG Frankfurt/M.: Wissenschaftlicher Beitrag als geschäftliche Handlung

Der Wettbewerbssenat des OLG Frankfurt/M. (Urt. v. 11.5.2017 – 6 U 76/16) hat zu der Frage Stellung genommen, inwiefern gegen eine wissenschaftliche Veröffentlichung wettbewerbsrechtlich vorgegangen werden kann. Der Beklagte ist Arzt an einer Universitätsklinik, Schlafforscher und Lehrbeauftragter. Er veröffentlichte in einer führenden Zeitschrift für Schlafmedizin einen Aufsatz über eine Studie betreffend die Wirksamkeit von Unterkieferschienen, die bei Schlafapnoe (Atemstörung mit Stillstand, vor allem nachts) helfen können. Das Ergebnis der Studie war, dass die von der Klägerin vertriebenen Schienen weniger wirksam sein sollen als andere Schienen, die von der A-Gruppe vertrieben werden. Die A-Gruppe hatte die Studie durch nicht unerhebliche Drittmittel gefördert.

Die Klägerin ging gegen den Beklagten wegen irreführender Angaben nach § 5 UWG vor. Während das LG (Kammer für Handelssachen) der Klage noch stattgegeben hatte, weist das OLG die Klage ab, eine Revision wurde nicht zugelassen. Nach der Auffassung des OLG fehlt es hier an einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Wissenschaftliche Äußerungen unterfallen grundsätzlich nicht dem UWG. Die Veröffentlichung entspricht nach Form, Inhalt und Diktion einem wissenschaftlichen Beitrag. Der Beklagte kann sich auf die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen.

Allerdings greift dieser Schutz dann nicht, wenn die wissenschaftliche Zielsetzung nur vorgeschoben ist. Wegen der finanziellen Unterstützung der Studie durch die A-Gruppe hatte das LG angenommen, dies sei hier der Fall. Das OLG hingegen hält die Verwendung von Drittmitteln nicht für ausreichend. Die Drittmittelförderung wurde in dem Aufsatz nicht verschwiegen, vielmehr wurde im Anhang ausdrücklich darauf hingewiesen. Darüber hinaus hat auch die Klägerin die Studie unterstützt, jedenfalls indem sie ihre Schienen zur Verfügung gestellt hat. Das OLG sah in der Studie allerdings durchaus gewisse Qualitätsmängel. Dies ist gleichfalls nicht ausreichend, notwendig wäre vielmehr eine objektive Fehlerhaftigkeit bzw. eine Unvertretbarkeit der Äußerungen. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.

Auch die Tatsache, dass der Beklagte als Co-Promotor des Forschungsteams der A-Gruppe tätig war, reicht nicht aus, um schon von einer geschäftlichen Handlung auszugehen.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass auch ein Wissenschaftler sich oftmals genau überlegen muss, was er schreibt! Die Gummiklauseln des Wettbewerbsrecht ermöglichen Angriffe, mit denen man nicht gerechnet hätte. Voraussichtlich wird aber die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) bei derartigen Streitigkeiten immer siegen, wenn die wirtschaftliche Verstrickung nicht offensichtlich ist, die veröffentlichte Meinung offensichtlich gekauft ist oder der Beitrag schon einfachsten wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt. Über die Herkunft von Drittmitteln sollte allerdings stets Rechenschaft abgelegt werden. Auch der seriöse juristische Autor wird, wenn er irgendwie in die Materie verstrickt ist, immer wenigstens in der ersten Fußnote darauf hinweisen.

Ordnungsgeld auch gegen juristische Personen?

Im Rahmen eines Landwirtschaftsverfahrens hatte das AG gegen den Geschäftsführer einer GmbH persönlich ein Ordnungsgeld von sagenhaften 200 € verhängt, da dieser zu einem Termin – entgegen einer gerichtlichen Anordnung – nicht erschienen war. Ersatzweise wurden vier Tage Ordnungshaft festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers änderte das OLG den Beschluss dahingehend ab, dass die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft entfiel. Auf die Rechtsbeschwerde hebt der BGH – Senat für Landwirtschaftssachen – (Beschl. v. 30.3.2017 – Blw 3/16, MDR 2017, 721) den Beschluss des AG insgesamt auf.

Der BGH folgt hier der herrschenden Meinung, wonach ein Ordnungsgeld gemäß § 141 Abs. 3  ZPO nur gegen die juristische Person selbst festgesetzt werden darf, wenn diese Partei des Rechtsstreites ist. Eine Festsetzung gegen die Organe ist nicht statthaft. Zwar muss ein Organ geladen werden, da die Partei als juristische Person nur durch ihre Organe handeln kann. Das Gesetz verpflichtet aber gleichwohl in einem Zivilprozess ausschließlich die Partei. Zwar dürfen sitzungspolizeiliche Maßnahmen auch gegen ein Organ einer Partei ergriffen werden, dabei geht es aber um eine Missachtung des Gerichts. Beim Nichterscheinen geht es um die Aufklärung des Sachverhalts. Erscheint das Organ nicht, kann die juristische Person bei diesem Regress nehmen. Hat die juristische Person kein Vermögen, läuft zwar das Ordnungsgeld leer, dies ist aber bei natürlichen Personen als Parteien auch nicht anders.

Bereits das OLG hatte die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft aufgehoben. Dies geschah zu Recht, da das Gesetz die Anordnung von ersatzweiser Ordnungshaft gegen die nicht erschienene Partei schlichtweg nicht vorsieht. Ordnungshaft kann allerdings gegen Zeugen verhängt werden (§ 380 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen sowie das Verfahren richten sich nach Art. 5 ff. EGStGB. Danach darf das Ordnungsgeld zwischen 5 und 1.000 € betragen. Im Verhältnis zu vielen juristischen Personen wirken diese Beträge mehr als lächerlich.

Kommentar: Eigentlich ist all dies nicht mehr zeitgemäß. Der Gesetzgeber sollte vielmehr den Gerichten mehr Möglichkeiten geben, das Erscheinen von Organen juristischer Personen vor Gericht mit Sanktionen zu erzwingen, die diesen Namen auch wirklich verdienen. So besteht die Gefahr, dass gerade diejenigen über die Justiz lachen, die sie auch sonst nicht ernst nehmen, weil sie meinen, sich dies schlichtweg leisten bzw. einkaufen zu können. Aber mit derartigen „Trivialitäten“ wird sich der Gesetzgeber sicherlich nicht befassen wollen.

Vertiefungshinweis: Ausführlich zum Ordnungsgeld zuletzt Zapf MDR 2017, 554.

BGH zum absoluten Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen Vertretung

Die Parteien gingen gegeneinander mit Klage und Widerklage vor. Das OLG verhandelte über den Rechtsstreit am 23.4.2014. Dabei war unbekannt, dass über das Vermögen der Klägerin, eine juristische Person nach dem Recht des Großherzogtums Luxemburg, bereits am 26.8.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Die Beklagte, die teilweise unterlegen gewesen war, möchte nun die Zulassung der vom OLG nicht zugelassenen Revision erreichen und beruft sich auf § 547 Nr. 4 ZPO, den absoluten Revisionsgrund der nicht gesetzlichen Vertretung einer Partei. Dieser Gedanke hat natürlich einiges für sich: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahren werden die ursprünglichen Organe der Klägerin sicherlich auch nach dem Recht des Großherzogtums Luxemburg ihre Vertretungsbefugnis verloren haben und ein Verwalter wird das Sagen haben.

Obwohl wegen der Unterbrechungswirkung gar nicht hätte verhandelt und entschieden werden dürfen, ist das Urteil nicht nichtig, sondern mit den üblichen Rechtsmitteln anfechtbar. Demgemäß liegt grundsätzlich ein absoluter Revisionsgrund vor. In einem solchen Fall ist regelmäßig auch eine Zulassung der Revision geboten, schon um eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Gestalt einer Nichtigkeitsklage zu verhindern.

All dies gilt aber nur dann, wenn der absolute Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen Vertretung auch von dem Gegner der betroffenen Partei geltend gemacht werden kann! Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Rahmen der Nichtigkeitsklage wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung hat der BGH bereits entschieden, dass die Klage nur von der Partei erhoben werden darf, die nicht ordnungsgemäß vertreten war (BGHZ 63, 78 = BGH MDR 1975, 44). Für den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO gilt dasselbe. Die Vorschrift bezweckt nur den Schutz des Beteiligten, der nicht ordnungsgemäß vertreten war. Nur dieser kann auch die Prozessführung genehmigen. Ansonsten könnte der nicht ordnungsgemäß Vertretene einem Revisionsverfahren des Gegners jederzeit die Grundlage entziehen, indem er die Prozessführung genehmigt.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Missachtung der Unterbrechungswirkung des § 249 ZPO jede Partei geltend machen kann. Dies folgt aber daraus, dass im Rahmen einer zulässigen Revision dieser Gesichtspunkt ohnehin von Amts wegen zu prüfen ist. Diese Prüfung erfolgt aber erst dann, wenn die Revision statthaft, mithin zugelassen ist. Dies war aber hier nicht der Fall. Damit wird die Revision nicht zugelassen.

BGH, Beschl. v. 22.12.2016 – IX ZR 259/15, MDR 2017, 538

BGH zur hinreichend klaren Fassung eines Unterlassungsantrages

Der BGH hat sich in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 15.12.2016 – I ZR 96/16; Vorinstanz: OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2016 – 4 U 113/15) mit der Formulierung „den Eindruck erweckt“ im Rahmen eines Unterlassungsantrages befasst.

Die Steuerberaterkammer nahm den Beklagten Buchhalter nach wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen auf Unterlassung in Anspruch. In den Tatsacheninstanzen war der Beklagte schließlich u. a. wie folgt verurteilt worden:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung für seine Tätigkeit als selbständiger Buchhalter den Eindruck zu erwecken, er dürfe geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die über den Kreis der ihm als selbständigen Buchhalter erlaubten Arbeiten hinausgeht, wie geschehen

  1. a)  in der Kleinanzeige im „M. “ vom 25.10.2014 (Anlage K14)
  2. b)  im Internetauftritt des Beklagten www.XXX.de (Anlage K2) in den Werbetexten unter den Menüpunkten „Über das Buchführungsbüro“ (Seite 3 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Leistungsumfang“ (Seite 7 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Kostenstellen, Kostenträger“ (Seite 16 der Anlage K2) und „DATAC24/Die Zukunft der Buchhaltung“ (Seite 31 der Anlage K2) und durch die Angabe der Unternehmensbezeichnung „DATAC Buchführungsbüro G.“ in der Kopfzeile jeder einzelnen zum Internetauftritt gehörenden Internetseite.“

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde versuchte der Beklagte, diese Verurteilung anzugreifen, und zwar mit der interessanten Begründung, die Urteilsformel sei nicht hinreichend bestimmt. Ansatzpunkt für diesen Angriff war hier die Formulierung „den Eindruck erweckt“. Eine solche Formulierung genügt nämlich regelmäßig nicht dem Bestimmtheitsgebot. Gleichwohl hält der BGH dieses Urteil mit der Begründung, hier lasse sich im Wege der Auslegung ein vollstreckungsfähiger Inhalt „gerade noch ermitteln“. Es lasse sich nämlich aus dem im Urteil wiedergegebenen erstinstanzlichen Anträgen sowie den Gründen der Entscheidung entnehmen, wie der Beklagte den irreführenden Eindruck erweckt habe. Der Beklagte habe durch die Verwendung der Begriffe Buchführungsbüro, Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, Buchhaltung und Buchführung den irreführenden Eindruck hervorgehoben, er dürfe auch Tätigkeiten vornehmen, die eigentlich einem Steuerberater vorbehalten seien.

Das war – sozusagen – ziemlich knapp. Der Fall zeigt erneut, das der Formulierung der Anträge sowie der Tenore immer ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, vor allem – aber nicht nur – in Wettbewerbssachen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das gesamte Urteil wertlos ist, weil es nicht die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung darstellen kann! Besondere Vorsicht ist bei der Formulierung „den Eindruck erwecken“ geboten. Es muss dann jedenfalls sichergestellt werden, dass aus dem gesamten Urteil eindeutig ermittelt werden kann, was genau verboten ist.

Neuregelung zum Schonvermögen im Rahmen der Prozesskosten-bzw. Verfahrenskostenhilfe

Vermögende Personen erhalten – unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen – keine PKH. Vielmehr müssen sie ihren Prozess selbst finanzieren. Die ZPO hat für das einzusetzende Vermögen, welches grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen darstellt, keine ausführliche Regelung getroffen. Es wird vielmehr in § 115 Abs. 3 ZPO (bei der Verfahrenskostenhilfe in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FamFG) auf § 90 SGB XII verwiesen. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII bleiben bei dem einzusetzenden Vermögen kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte unberücksichtigt. Darunter sind selbstverständlich auch Bankguthaben zu verstehen. In der bisherigen Fassung der VO zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII war ein Betrag in Höhe von 2.600 Euro für die PKH-Partei und zusätzlich 614 Euro für den Ehegatten bzw. Lebenspartner sowie jeweils 256 Euro für jede weitere Person, die überwiegend unterhalten wird, regelmäßig die Kinder, maßgeblich.

Die erwähnte Verordnung ist nunmehr geändert worden. Der Gesetzgeber ist nun deutlich großzügiger! Mit Wirkung zum 1. 4.2017 bestimmt die nunmehrige Fassung der Verordnung (BGBl. I 2017 S. 519), dass ein Betrag in Höhe von 5.000 Euro für die PKH-Partei maßgeblich ist. Hinzu kommt ein Betrag in Höhe von 500 Euro für jede Person, die überwiegend unterhalten wird. Bei einer „normalen“ Familie mit zwei Elternteilen und zwei Kindern ermittelt sich auf diese Weise ein Betrag in Höhe von 6.500 Euro, der unberücksichtigt bleibt. Mit anderen Worten: 6.500 Euro dürfen bei einer solchen „normalen“ Familie als Notreserve auf einem Sparkonto (oder wo auch immer) liegen und bleiben als Vermögen bei der Prozesskostenhilfe unberücksichtigt. Natürlich müssen die Angaben in dem amtlichen Vordruck vollständig sein, es ist alles anzugeben! Was dann unberücksichtigt bleibt, entscheidet das Gericht an Hand der gesetzlichen Vorgaben.

Erfahrungsgemäß wird es einige Zeit dauern, bis sich diese Neureglung überall herumgesprochen hat. Allerdings ist sie seit dem 1.4.2017 zu berücksichtigen! Der neue Schonvermögensbetrag ist über § 1 Abs. 2 BerHG natürlich auch bei der Beratungshilfe zu berücksichtigen.

Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten

In einer neueren Entscheidung hat das OLG Koblenz (Beschl. v. 20.1.2017 – 14 W 22/17) daran erinnert, dass die Kosten, die durch eine Übersetzung fremdsprachlicher Urkunden (z. B. Gutachten) entstehen, im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sind, wenn deren Kenntnisnahme Teil einer schlüssigen Rechtsverteidigung ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass eine gerichtliche Anordnung, eine Übersetzung des fremdsprachigen Schriftstückes vorzulegen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO), ergangen ist. Dies ergibt sich daraus, dass gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache Deutsch ist. Demgemäß sind derartige Übersetzungskosten regelmäßig notwendig i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO.

Folgende Grundsätze sind dabei allerdings zu beachten: Ist nicht zu erwarten ist, dass die Urkunde bestritten wird, bedarf es zunächst keiner Übersetzung, wenn derjenige, der die Urkunde vorlegt, sie selbst versteht. Anders verhält es sich, wenn dieser der Urkundssprache nicht mächtig ist. Wenn die Parteien allerdings davon ausgehen können, dass das Gericht der Urkundssprache mächtig ist, sind die Übersetzungskosten gleichfalls nicht erstattungsfähig. Generell kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Übersetzungskosten fremdsprachiger Urkunden erstattungsfähig sind, wenn die Partei sie bei sorgsamer, vernünftiger Überlegung zum Zeitpunkt ihrer Anfertigung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten durfte (So bereits: OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 31.7.1980 – 20 W 397/80, MDR 1981, 58). Das BVerfG hat in einer älteren Entscheidung zu diesem Problemkomplex die Auffassung eines LG, Übersetzungskosten seien dann nicht erstattungsfähig, wenn es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handele, die schriftliche Übersetzung für das prozessuale Vorgehen der Parteien ohne Bedeutung ist und die Kosten außer Verhältnis zur Klageforderung stehen, für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten (Beschl. v. 30.1.1990 – 2 BvR 1085/98).

Für die Höhe der Entschädigung ist § 11 JVEG maßgeblich. Auch wenn der Rechtsanwalt der Partei die Übersetzung vornimmt, sind derartige Kosten erstattungsfähig (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.7.2009 – 2 W 29/09).

Wahrung der Vollziehungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren

Die Vorschriften der Absätze 2 und 3 des § 929 ZPO sind für die Praxis des einstweiligen Verfügungsverfahrens sehr bedeutungsvoll und für den Rechtsanwalt, der den Gläubiger/Antragsteller/Verfügungskläger vertritt, sehr regressträchtig.

In einem Verfahren vor dem OLG Dresden (Urt. v. 7.2.2017 – 4 U 1422/16, MDR 2017, 421) berief sich die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz auf die nicht gewahrte Vollziehungsfrist. Dieser Einwand darf auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden.

Die angefochtene einstweilige Verfügung war hier durch Urteil ergangen, das lediglich von Amts wegen zugestellt wurde. Einige Tage später stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln, darüber hinaus leitete er der Beklagten ein formloses Aufforderungsschreiben zu. Diese Maßnahmen alleine waren allerdings nicht ausreichend, um den Anforderungen des § 929 Abs. 2 und Abs. 3 zu genügen! Es wäre hier vielmehr nach h. M. erforderlich gewesen, die einstweilige Verfügung, auch wenn sie durch ein von Amts wegen zuzustellendes Urteil ergangen ist, erneut im Parteibetrieb zuzustellen, um den Willen, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen, ausreichend kund zu tun. Das formlose Aufforderungsschreiben reicht als Vollziehung selbstredend nicht aus.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln kann zwar als Vollziehung nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO angesehen werden, bleibt aber gemäß § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO ohne Wirkung, wenn nicht die einstweilige Verfügung in der dort genannten Frist zugestellt wird, was hier – wie bereits erwähnt – nicht geschehen ist.

Besonders zu beurteilen, sind allerdings Fälle, in denen eine Erledigung der Hauptsache eintritt. Dann muss natürlich nicht mehr zugestellt bzw. vollzogen werden. Eine solche Erledigung der Hauptsache konnte aber im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Denn: Da weder die einstweilige Verfügung zugestellt noch die Vollziehungsfrist eingehalten wurde, war der Antrag auf Feststellung der Erledigung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (hier: ein Verzicht auf die Ansprüche!) nicht zulässig und begründet gewesen.