Montagspost: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit von Videoaufnahmen in einem Mietshaus.

Erstellung und Verwertung von Videoaufnahmen zu Beweiszwecken
BGH, Urteil vom 12. März 2024 – VI ZR 1370/20

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit Fragen der Datenschutz-Grundverordnung und der Zivilprozessordnung.

Die Klägerin, ein landeseigenes Wohnungsunternehmen, hat an die Beklagten seit dem Jahr 2007 zwei Wohnungen zur eigenen Nutzung vermietet. In den Jahren 2016 und 2017 erhielt die Klägerin von Dritten Mitteilungen, die auf eine unberechtigte Untervermietung hindeuteten. Die Klägerin mahnte die Beklagte deswegen mehrfach ab. Ende 2017 beauftragte sie eine Detektei. Diese überwachte rund einen Monat lang vom Treppenhaus aus den Eingangsbereich der Wohnungen mit versteckten Videokameras. Im Januar 2018 erklärte die Klägerin unter Berufung auf die von der Detektei gewonnenen Erkenntnisse die außerordentliche Kündigung der beiden Mietverhältnisse.

Das AG hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung verurteilt und deren Widerklage auf Zahlung einer Geldentschädigung abgewiesen. Das LG hat die Räumungsklage abgewiesen, einen Anspruch der Beklagten auf Geldentschädigung hingegen wie schon das AG verneint.

Die Revisionen beider Parteien bleiben erfolglos.

Das LG hat die Kündigung zu Recht als unwirksam angesehen. Die als Beweis für die behauptete Untervermietung angeführten Erkenntnisse aus der Videoüberwachung sind rechtswidrig erstellt worden und dürfen nicht verwertet werden.

Der BGH legt zunächst dar, dass die Videoaufnahmen nach der für den Streitfall noch maßgeblichen Regelung in § 4 Abs. 1 BDSG aF rechtswidrig waren. Die überwachten Treppenhausbereiche sind keine öffentlichen Räume iSv § 6b BDSG aF. Die Erlaubnistatbestände in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG aF sind jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil das Interesse der Beklagten und der anderen im Haus wohnenden Mieter an einer Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 GRCh) und am Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art. 7 GRCh) das Interesse der Detektei an der Erfüllung ihres Auftrags und das Interesse der Beklagten an der Aufdeckung mutmaßlicher Vertragsverstöße überwiegt. Maßgeblich dafür ist insbesondere, dass der Klägerin und der Detektei mildere Mittel zur Verfügung standen, etwa eine Scheinanmietung oder die Befragung von Nachbarn und anderen Dritten.

Der BGH legt sodann dar, dass die Frage, ob die Videoaufnahmen als Beweismittel im Zivilprozess verwertet werden dürfen, gemäß § 286 ZPO zu beurteilen ist. Im Ausgangspunkt sind zwar die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung maßgeblich. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSGVO enthält aber eine Öffnungsklausel, die den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Anwendung der Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die öffentliche Hand genauer festzulegen und zu konkretisieren. Zu diesen konkretisierenden Regelungen gehören § 286 und §§ 355 ff. ZPO.

Nach § 286 Abs. 1 ZPO ist die Verwertung der rechtswidrig erstellten Videoaufnahmen im Streitfall jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Beklagten eine unbefugte Untervermietung bestreiten und eine Auswertung der Aufnahmen zum Zwecke der Würdigung, ob die darin dokumentierten – als solche unstreitigen – Vorgänge als Indiztatsachen den Schluss auf eine unbefugte Untervermietung zulassen, die Verletzung der grundrechtlich (Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) geschützten Interessen der Beklagten vertiefen und perpetuieren würde. Maßgeblich ist dafür insbesondere, dass die Klägerin keiner Beweisnot ausgesetzt ist, weil ihr mildere Mittel zur Verfügung stehen, um den Sachverhalt aufzuklären.

Ebenfalls zu Recht hat das LG einen Anspruch der Beklagten auf Geldentschädigung verneint. Es liegt zwar eine schwerwiegende Beeinträchtigung der räumlichen Privatsphäre und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor. Der Eingriff trifft die Beklagten aber nicht im Kern ihrer Persönlichkeit. Zudem ist der Klägerin nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Praxistipp: Heimliche Videoaufnahmen sollten nur dann als Beweismittel angeboten werden, wenn andere zumutbare Wege der Beweisführung nicht zur Verfügung stehen.

Verstöße gegen die DSGVO abmahnfähig? Aktueller Rechtsprechungsüberblick

Update: 18. März 2019 mit Entscheidung des LG Magdeburg

Durch eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg kommt wieder Bewegung in die Diskussion. Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung haben Unternehmer zum 25. Mai 2018 viele neue Pflichten auferlegt bekommen. Eine vollkommen rechtskonforme Umsetzung sollte gut durchdacht sein. Gerade die Verarbeitung personenbezogener Daten kumuliert zwei Risiken: Einerseits sind Tools zur Verarbeitung personenbezogener Daten teils äußerst innovativ und somit wenig transparent, sodass Pflichtinformationen gem. Art. 13 DSGVO nur schwierig erteilt werden können und auch eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung schwerer fällt. Andererseits ist gerade eine Verarbeitung personenbezogener Daten an der Außenflanke eines Unternehmens auch der meistens häufigste Berührungspunkt Dritter zu einem Unternehmen und damit Einfallstor für ein genaueres Hinsehen durch Wettbewerber, Aufsichtsbehörden oder Verbände.

Können Verstöße gegen Vorgaben der DSGVO von Wettbewerbern und Verbänden abgemahnt (und später gerichtlich verfolgt) werden? Hierzu ist zu klären, ob die Regelungen der DSGVO Marktverhaltensnormen nach § 3a UWG sind.

Es war zu erwarten, dass nach Inkrafttreten der Neuregelungen Abmahnungen ausgesprochen werden, wenn auch der Umfang der Abmahntätigkeit erstaunlich niedrig blieb. Auch die ersten gerichtlichen Entscheidungen liegen vor.

LG Würzburg: Ja grundsätzlich wettbewerbswidriges Verhalten

Das LG Würzburg bejahte ohne ausschweifende Begründung lediglich durch Verweis auf früher zum BDSG ergangene Entscheidungen einen Verstoß gegen Marktverhaltensnormen bei einer unzureichenden Aufklärung gem. Art. 13 DSGVO (LG Würzburg, Beschluss v. 13.09.2018, 11 O 1741/18).

LG Bochum: Nein, kein lauterkeitsrechtliche Relevanz der Vorgaben des Datenschutzrechts

Hiernach war das LG Bochum anderer Meinung, verwies dabei auf einen Aufsatz von Köhler. Das dortige Hauptargument ist der Umstand, dass die Art. 77 bis 84 der DSGVO abschließend Regelungen für Verstöße enthalte, Wettbewerber dort jedoch unberücksichtigt lässt (LG Bochum, Urt. v. 07.08.2018, I-12 O 85/18).

OLG Hamburg: Ja, aber…

Nunmehr hat das OLG Hamburg die Ansicht des LG Würzburg, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegen kann und damit auch seine früher zum BDSG ergangene Rechtsprechung bestätigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verstoß tatsächlich zu einem unmittelbaren Wettbewerbsvorteil erfolgt (OLG Hamburg Urt. v. 25.10.2018 , 3 U 66/17, auszugsweise bei Dr. Bahr)

LG Magdeburg: Nein

Das LG Magdeburg dürfte die jüngste Entscheidung hierzu verkündet haben und hält die Regelungen der DSGVO nicht für solche, die von Wettbewerbern im Rahmen des § 3a UWG herangezogen werden können. Das Sanktionssystem der DSGVO sei abschließend, lauterkeitsrechtliche Maßnahmen würden die Vorgaben des Verordnungsgebers unterlaufen.

(LG Magdeburg, Urt. v. 18.01.2019, 36 O 48/18)

Praxistipp:
Insbesondere dann, wenn durch den Umgang mit personenbezogenen Daten Wettbewerbsvorteile entstehen, ist ein besonders sorgfältiges Vorgehen des Unternehmers angezeigt. Klassische Beispiele dürften hier Webanalysetools und das Direktmarketing sein.